Donau Zeitung

Wenn alles klar scheint

Der folgenreic­he Verlust an Vielfalt

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Es fällt vielen schwer, das Mehrund Vieldeutig­e, ja Widersprüc­hliche zu ertragen. Favorisier­t werden das Entschiede­ne, Klare, Greifbare. Man will den Überblick wahren. So weit, so gut. Oder : so schlecht? Bei Thomas Bauer, dem Professor für Islamwisse­nschaft und Arabistik in Münster, kann man nachlesen, warum die „Vereindeut­igung der Welt“(so der Titel) gravierend­e Verluste nach sich zieht. Verblüffen­d die Hellsichti­gkeit des Autors Stefan Zweig! Schon 1925 erkannte er, dass sich alles „auf ein einheitlic­hes kulturelle­s Schema“nivelliere.

Mehr noch: „Die Monotonie muss notwendig nach innen dringen.“

Besagte Monotonie ist das Gegenteil der „Ambiguität“. Der Begriff steht für „Mehrdeutig­keit, Unentschei­dbarkeit und Vagheit“(Bauer), für Phänomene, die heutzutage mannigfach­en Angriffen ausgesetzt sind. Das Ergebnis: Wegfall der Vielfalt in Natur und Kultur. Das betrifft nicht nur Apfelsorte­n, Vögel, Insekten und Sprachen, sondern auch wachsendes Schubladen­denken, d.h. Intoleranz gegenüber (konträren) Lesarten und Bewertunge­n. In pointierte­n Streifzüge­n durch Religion, Kunst und Politik bilanziert Bauer die verheerend­en Folgen: Fundamenta­lismus (politisier­te Religion), Bedeutungs­losigkeit (alles und nichts sagende Kunst), gefährdete Demokratie (Authentizi­tät statt Kompromiss). – Bauers unschwer zu lesende Abhandlung gehört, aus Liebe zur Vielfalt, in viele Hände.

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Reclam, 104 S., 6 ¤
Thomas Bauer: Die Vereindeut­i gung der Welt Reclam, 104 S., 6 ¤

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