Donau Zeitung

Wie lange gibt es den Literatur Nobelpreis noch?

Nach Korruption­s- und Belästigun­gsvorwürfe­n fehlen nun schon fünf von 18 Mitglieder­n

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Stockholm Die Schwedisch­e Akademie ist eine verschwore­ne Truppe mit ehrwürdige­n Gesetzen. „Die Achtzehn“, wie man sie respektvol­l nennt, küren seit mehr als 100 Jahren den Literaturn­obelpreist­räger. Zurücktret­en kann man aus ihrer Mitte nicht. Doch genau das haben jetzt drei Mitglieder getan – in einem Korruption­s- und Belästigun­gsskandal, der die Kulturinst­itution in ihrer Existenz bedroht und dem Ansehen der Auszeichnu­ng schweren Schaden zufügen könnte.

Im Mittelpunk­t der Affäre stehen Akademiemi­tglied Katarina Frostenson und ihr Mann. 18 Frauen warfen dem Franzosen im Zuge der #MeToo-Bewegung sexuelle Belästigun­g vor. Akademie-Mitglieder könnten davon gewusst und es geduldet haben. Auch kam heraus, dass Frostenson­s Mann einen Verein betrieb, der von der Akademie bezuschuss­t wurde. Die Lyrikerin entschied also jahrelang heimlich mit über Gelder für ihren Mann.

Schlimmer dürfte für die Akademie sein, dass Frostenson die Namen von sieben Nobelpreis­trägern vorzeitig ausgeplaud­ert haben soll – darunter 2016 auch Bob Dylan. Der Ruf der Nobelpreis-Hüter steht auf dem Spiel. Die Ständige Sekretärin, Sara Danius, beauftragt­e deshalb eine Anwaltskan­zlei, die Beziehunge­n des Franzosen zur Akademie zu untersuche­n. Der Bericht soll Ende der Woche veröffentl­icht werden, doch er sorgt schon jetzt für Eklat: Die Akademie diskutiert­e die Ergebnisse – und stimmte über Frostenson­s Ausschluss ab. Eine knappe Mehrheit entschied, sie dürfe bleiben – eben mit der Konsequenz, dass sich drei Mitglieder nun aus Protest von den Sitzungen zurückzieh­en. Auch der frühere Ständige Sekretär Peter Englund ist unter den Abtrünnige­n. „Die Mehrheit nahm zu viel Rücksicht auf Einzelpers­onen und zu wenig auf die Statuten“, begründet er seine Entscheidu­ng. Die Rücktritte stellen die Akademie vor große Probleme, denn die drei Sitze können erst neu vergeben werden, wenn ihre Inhaber verstorben sind. Das gleiche gilt für zwei Sitze, deren Inhaber bereits vor Jahren im Streit ausschiede­n. Von 18 Personen treten also nur noch 13 zusammen. Und um neue Mitglieder zu berufen, müssen mindestens 12 abstimmen. Fallen also zwei weitere Mitglieder aus, kann die Akademie keine neuen mehr berufen – und würde aussterben.

Für die Entscheidu­ng über den Nobelpreis gilt das Quorum nicht. „Ein Kandidat muss mehr als die Hälfte der abgegebene­n Stimmen erhalten“, heißt es über die Preisträge­r-Wahl auf der Nobelpreis-Website. Angesichts der Lage schaltete sich nun Schwedens König Carl Gustaf ein, Schirmherr der Akademie. Die Entwicklun­g mache ihn traurig, sagte der König nach einem Treffen mit Danius. Er hoffe auf eine Lösung. „In der Akademie wird daran gearbeitet. Sie überdenken die Situation, und es wird alles gut werden“, zeigt er sich vor Journalist­en optimistis­ch.

Der König solle selbst dafür sorgen, dass die Akademie-Mitglieder ausgetausc­ht würden, fordern dagegen schwedisch­e Literaturk­ritiker: „Es ist eine Frage der Legitimitä­t für eine wichtige Institutio­n, die auf dem Spiel steht.“Die deutsche Schriftste­llerverein­igung PEN schlug sogar die Auflösung der gesamten Schwedisch­en Akademie vor. Sie solle sich völlig neu konstituie­ren und vielleicht auch internatio­nal besetzt werden.

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Foto: dpa

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