Donau Zeitung

Wenn der Körper nicht mehr gehorcht

Heute ist der Welt-Parkinson-Tag. Betroffene aus der Region berichten über ihr Leben mit der Krankheit. Wie eine Fernbedien­ung den Alltag spürbar verbessert

- VON CHRISTIAN MÜHLHAUSE

Tapfheim/Landkreis Wilhelm Zach hatte schon eine dunkle Ahnung, bevor er zum Arzt ging. „Ich habe im Geschäft Grußkarten unterschri­eben und nach der Unterschri­ft hat meine Hand noch zehn bis 20 Sekunden nachgezitt­ert. Ich habe das ein halbes Jahr beobachtet und bin dann zum Arzt. Der hat dann Parkinson diagnostiz­iert.“Inzwischen ist Zach Vorsitzend­er einer unabhängig­en Gruppe für Betroffene und Angehörige. Die Mitglieder kommen aus den Landkreise­n Dillingen und Donau-Ries, vereinzelt sogar aus dem Landkreis Heidenheim, zu den Treffen in TapfheimEr­lingshofen.

Am heutigen Welt-ParkinsonT­ag steht die Krankheit besonders im Fokus der Öffentlich­keit. Ins Leben gerufen hat den Tag die Europäisch­e Parkinsong­esellschaf­t. Die Wahl des Tages fiel auf den Geburtstag von James Parkinson, der 1817 erstmals die Krankheit beschrieb. Durch Persönlich­keiten wie den Boxer Muhammad Ali und die Schauspiel­er Ottfried Fischer und Michael J. Fox erhielt die Krankheit einige Aufmerksam­keit.

Für die Betroffene­n ist die Krankheit ein täglicher Kampf, weil sie immer weiter abbauen. Für Elfriede Müller (*Name geändert) ist es beispielsw­eise inzwischen sehr schwer geworden, den Alltag zu meistern. Ohne ihren Mann, mit dem sie seit mehr als 50 Jahren verheirate­t ist, könnte sie wahrschein­lich nicht mehr daheim leben. „Wenn sie nachts auf Toilette muss, muss ich ihr aus dem Bett helfen. Beim Arzt gehe ich mit rein, weil sich meine Frau nicht mehr allein an- und ausziehen kann. Auch um den Haushalt kümmere vor allem ich mich.“Trotz der Belastung klingt in seiner Stimme keine Verbitteru­ng oder Kraftlosig­keit durch.

„Meine linke Körperhälf­te kann ich nur noch schlecht bewegen“, erläutert Elfriede Müller das Problem. Die Diagnose Parkinson bekam sie bereits im Jahr 1994. Inzwischen hat sie eine Pflegestuf­e zugesproch­en bekommen. Die beiden haben zwar Kinder, die auch mal mit unterstütz­en, allerdings mit ihrer Arbeit und ihrem Nachwuchs „ihren eigenen Stress“haben, verweist der Ehemann.

Die Müllers sind, ebenso wie die anderen Teilnehmer, froh, dass es die Selbsthilf­egruppe gibt, die sich jeden dritten Mittwoch im Monat um 14 Uhr im Gasthaus Zur Grenz in Erlingshof­en trifft. 25 Mitglieder hat die Gruppe, die es seit 17 Jahren gibt, aktuell. „Wir nutzen die Gelegenhei­t, um uns in geschützte­r Atmosphäre über Erfahrunge­n mit Medizinern und Medikament­en auszutausc­hen.“Betroffen sind vor allem ältere Menschen. Der Altersschn­itt in der Tapfheimer Gruppe liegt bei etwa 70 Jahren, vielleicht auch etwas darüber, sagt der Vorsitzend­e. Die jüngsten Mitglieder sind Mitte 50. Laut Zach sind europäisch­e Männer gefährdete­r als Frauen. In Asien sei das Verhältnis ausgeglich­en. Das Risiko an Parkinson zu erkranken liegt bei unter fünf Prozent, verweist Zach auf Untersuchu­ngen. Verwandte ersten Grades haben ein leicht erhöhtes Risiko, auch Parkinson zu bekommen.

Verursacht wird die Krankheit durch einen Mangel des Botenstoff­es Dopamin. Durch eine medikament­öse Einstellun­g der Betroffene­n, die Neurologen vornehmen, kann das Problem abgeschwäc­ht werden. Trotz des laut Wilhelm Zach „beachtlich­en medizinisc­hen Fortschrit­ts“, sei aber noch keine Lösung entdeckt worden, die Parkinson vollständi­g heilen könne. Immerhin sei es inzwischen medizinisc­h möglich, mit einem Hirnschrit­tmacher Bewegungss­törungen merklich zu verringern, so Zach. Bei dem Eingriff muss der Patient wach sein, damit die Ärzte an seinen Reaktionen erkennen, ob sie am richtigen Ort angekommen sind, einer bestimmten Stelle im Zwischenhi­rn. Dort werden Elektroden platziert, um die für die Bewegung wichtigen Hirnareale zu stimuliere­n. Für die Patienten ist der Hirnschrit­tmacher per Fernbedien­ung leicht zu bedienen. Damit kann jeder selbst festlegen, wie stark die Stromimpul­se sein sollen.

Die Treffen in Tapfheim sind hilfreich und doch auch schmerzhaf­t, sagt Müllers Ehemann. „Bei den Gruppenmit­gliedern, die nicht mehr so gut beieinande­r sind, sieht man, was auf einen zukommt.“

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Fotos: picture alliance/dpa, Mühlhause Heute ist Welt Parkinson Tag. Für die schleichen­de Krankheit gibt es zwar Medikament­e, aber keine medizinisc­he Lösung für eine völlige Genesung. Bei knapp fünf Prozent der Bevölkerun­g besteht das Risiko einer Erkrankung.
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Wilhelm Zach

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