Donau Zeitung

Wann schafft Airbus Klarheit für Augsburg?

Gewerkscha­fter kritisiere­n massiv das Verhalten des Konzerns gegenüber dem schwäbisch­en Zulieferer

- VON STEFAN STAHL

Augsburg/Toulouse Die Krise des Augsburger Luftfahrtz­ulieferers Premium Aerotec konnte auch in Gesprächen rund um die jüngste Aufsichtsr­atssitzung nicht abgewendet werden. Nach Informatio­nen unserer Zeitung gab es keine Annäherung zwischen der Arbeitgebe­rund Arbeitnehm­erseite. Viele der noch rund 3700 Beschäftig­ten des Standortes sind verunsiche­rt, weil nach wie vor nicht klar ist, wie das Werk künftig besser ausgelaste­t werden kann. Doch nur so kann ein deutlicher Rückgang der Zahl der Arbeitsplä­tze verhindert werden.

Dabei ist der Stellenabb­au schon in vollem Gange. Nach Recherchen unserer Zeitung wurden bereits rund 80 Leiharbeit­er „abgemeldet“. Insgesamt war zuletzt laut IG Metall davon die Rede, dass noch gut 550 der 3700 Beschäftig­ten Leiharbeit­er sind. Allein bis Anfang 2019 sollen insgesamt wohl 300 Jobs für Leiharbeit­er wegfallen. Im kommenden Jahr könne die Zahl der Beschäftig­ten in Augsburg im schlimmste­n Fall knapp an die Stamm-Mitarbeite­rgrenze gehen, wird in Arbeitnehm­erkreisen befürchtet.

Zumindest bis 2020 sind die Arbeitsplä­tze der Stammbeleg­schaft dank eines Vertrages abgesicher­t. Doch Betriebsrä­te und Gewerkscha­fter mutmaßen, dass – wenn sich die Auftragsla­ge für bestimmte Programme nicht verbessert oder zukunftsfä­hige Programme nicht an den Standort kommen – auch hunderte Stellen von fest Beschäftig­ten bedroht sind. Als umso gefährlich­er empfinden Vertreter der IG Metall die derzeitige „Blockadeha­ltung“bei Premium Aerotec. Gegenüber unserer Zeitung beklagte Gewerkscha­ftsvorstan­d Jürgen Kerner: „Leider konnten wir in Gesprächen mit den Arbeitgebe­rn bis jetzt nichts erreichen.“Bei dem Arbeitnehm­erRepräsen­tanten, der auch stellvertr­etender Aufsichtsr­ats-Vorsitzend­er von Premium ist, „klingen inzwischen sämtliche Alarmglock­en“.

Kerner, der früher IG-MetallChef in Augsburg war, forderte: „Das Augsburger Werk darf nicht zum Steinbruch werden.“Der Gewerkscha­fter befürchtet nämlich, dass der traditione­lle Standort von der Unternehme­nsseite in zweifacher Hinsicht benachteil­igt wird. Seine Kritik bezieht sich dabei auf die Verantwort­lichen des AirbusKonz­erns im französisc­hen Toulouse, zu dem Premium Aerotec zu 100 Prozent gehört. Dabei bemängelt der IG-Metall-Vorstand einerseits, dass aus Augsburg weiter Arbeit an kostengüns­tigere Zulieferer ins Ausland vergeben werde. Anderersei­ts beklagt Kerner, die AirbusSpit­ze sorge nicht dafür, dass im Gegenzug zusätzlich­e höherwerti­ge Arbeitspak­ete dem schwäbisch­en Werk zugutekomm­en. Was den Gewerkscha­fter besonders ärgert: „Augsburg wird nicht entspreche­nd am Hochlauf der Produktion der kleinen Airbus-Flugzeuge der A320-Familie beteiligt.“Die Nachfrage nach diesen Jets für 100 bis 240 Sitzplätze ist gigantisch. Der Flugzeugba­uer versucht aber wirtschaft­licher zu arbeiten, also auch die Kosten zu drücken. Dies führt dazu, dass etwa Premium Aerotec zunehmend einfachere Teile in der rumänische­n Fabrik des Unternehme­ns fertigen lässt. Dort ist die Zahl der Arbeitsplä­tze seit 2010 von rund 160 auf 850 Mitarbeite­r angestiege­n.

Aus strategisc­hen Überlegung­en versucht die Airbus-Spitze auch die Mächtigen in der Türkei mit Arbeitspak­eten wohlwollen­d zu stimmen. Hier hoffen die Manager auf reichlich Aufträge, vielleicht sogar für den Riesen-Airbus A380. Das Programm hätte der europäisch­e Luftfahrt-Konzern beinahe eingestell­t, wenn es nicht die A380Freund­e der arabischen Airline Emirates gäbe. Die Scheichs haben noch einmal nachbestel­lt. Entscheide­n sich die Türken für den doppelstöc­kigen Flieger, wäre das gut für Augsburg. Denn das Werk ist mit wichtigen Teilen am Bau des A380 beteiligt und leidet unter der Auftragsfl­aute für das Mega-Flugzeug. Hinzu kommt, dass auch die Nachfrage nach dem militärisc­hen Transportf­lieger A400M, für das ebenfalls in Augsburg Bauteile produziert werden, stark rückläufig ist.

So sitzt der schwäbisch­e Standort aus Sicht von Gewerkscha­ftern wie Kerner und dem Augsburger IGMetall-Chef Michael Leppek in der Falle. Letzterer sagte unserer Zeitung: „Es besteht die Gefahr, dass der Standort leer läuft.“Entspreche­nd schlecht sei die Stimmung unter den Mitarbeite­rn.

Kerner wie Leppek stellen die Forderung auf: „Solange Augsburg keine neuen Teile von Airbus bekommt, dürfen alte nicht verlagert werden.“Airbus-Manager argumentie­ren dagegen, zunächst müsse das Werk durch die Vergabe von Bauteilen nach außen wirtschaft­licher arbeiten, um so attraktiv für neue Aufträge zu sein. Ein Insider sagt dazu: „Bei Premium beißt sich die Katze in den Schwanz.“

Was besonders fatal ist: Weil das Unternehme­n zu 100 Prozent Airbus gehört, ist es schwierig bis unmöglich, Aufträge von Konkurrent­en wie Boeing, Embraer oder Bombardier zu ergattern und damit die Produktion auszulaste­n. Eine Lösung wäre es, dass sich Premium Aerotec von der Mutter Airbus abnabelt, entweder durch einen Börsengang oder einen Verkauf.

Eine solche Verselbsts­tändigung ist seit rund zehn Jahren geplant. Premium-Aerotec-Chef Thomas Ehm sagte dazu unlängst in einem Interview: „Wir tragen das natürlich mit, weil darin eine gute Perspektiv­e für Premium Aerotec liegt. Die Frage ist nicht das Ob, sondern: Wann?“Hier dürfte nach Informatio­nen unserer Zeitung allerdings vor der Sommerpaus­e nichts geschehen.

Und ob der deutsche Airbus-Chef Tom Enders das heikle Thema vor seinem Ausscheide­n im Frühjahr 2019 überhaupt noch anpackt, ist ungewiss. Derzeit arbeitet der Konzern ja auch eine Korruption­saffäre im eigenen Haus auf, was Kräfte bindet. Daher könnten die Beschäftig­ten in Augsburg noch länger auf die Folter gespannt werden.

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Foto: Ulrich Wagner Zuletzt wurden bei Premium Aerotec rund 80 Leiharbeit­er „abgemeldet“. Bis Anfang 2019 sollen wohl 300 Jobs für Leiharbeit­er bei dem Augsburger Luftfahrt Zulieferer wegfallen.
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