Lebenshilfe Familie verabschiedet ihren Kapitän Arbeitsplätze für 420 Menschen mit Behinderung
Geschäftsführer Johann Uhl hat die Dillinger Einrichtung für Menschen mit Behinderung mehr als 20 Jahre lang geleitet. Wie aus einem reinen Zufall am Ende ein Glücksfall wurde
Dillingen Den Anfang machte der Zufall. Als Johann Kabrhel, der frühere Geschäftsführer der Lebenshilfe Dillingen, vor etwa 21 Jahren bei dem damaligen Sparkassenmitarbeiter Johann Uhl anrief, gratulierte ihm der Banker dazu, dass er einen Nachfolger gefunden habe. Kabrhel entgegnete Uhl, dass dies wohl ein Gerücht sei. Und sagte zu dem Sparkassenmitarbeiter: „Sie haben immer noch die Chance, sich zu bewerben.“Der Rest ist Geschichte. Johann Uhl wurde Geschäftsführer der Lebenshilfe Dillingen. Und als der Gremheimer jetzt nach mehr als 20 Jahren erfolgreicher Arbeit verabschiedet wurde, zog die bayerische Landtagspräsidentin Barbara Stamm folgende Bilanz: „Der Zufall wurde zum reinen Glücksfall. Für die Lebenshilfe warst du, lieber Hans, ein großer Glücksfall.“Die Hörer spenden bei diesen Worten spontan Beifall.
Es ist ein großer Abschied, den Uhl am Freitagabend in der Mehrzweckhalle der Lebenshilfe Dillingen feiert. Die Bühne ist wie ein „Lebenshilfe-Schiff“gestaltet. Etwa 300 Gäste sind gekommen, um den „Kapitän“zu verabschieden. Die Combo Blas den Blues und die Band Muscht du habba spielen auf. Und der Vorsitzende der Dillinger Lebenshilfe, Helmut Holland, ist vom Zuspruch überwältigt. „Eine Riesen-Familie feiert ein großes Fest“, sagt Holland und stellt fest, dass Uhls Geschäftsführung „eine gute Zeit“für die Lebenshilfe gewesen sei. Die Förderstätte und mehrere Häuser, unter anderem auch in Wertingen, seien eingeweiht worden. Es gebe inzwischen den CAPMarkt in Lauingen und das Cafesito in Dillingen. Die Zahlen der betreuten Menschen und Mitarbeiter haben sich in etwa verdoppelt. Und am Ende seines Wirkens habe Uhl noch ein Großprojekt auf den Weg gebracht – das Haus für Menschen mit Autismus in der ehemaligen Krankenhauswäscherei.
In einer Gesprächsrunde auf der Bühne erinnern Lebenshilfe-Ehrenvorsitzender Johann Kabrhel, Landrat Leo Schrell, Oberbürgermeister Frank Kunz, Architekt Josef Schuster, Landtagsabgeordneter Georg Winter und Bezirksrat Johann Popp an Uhls Wirken. Der Gremheimer habe Firmenchefs klargemacht, „dass sie mit der Beschäftigung von Menschen mit Behinderung eine wichtige Aufgabe erfüllen“, sagt Popp.
In einer zweiten Runde sprechen Meiko Hitzler, die Zweite Vorsitzende der Dillinger Lebenshilfe, Marie-Luise Hartmann, der Geschäftsführer der Lebenshilfe Donau-Ries, Günter Schwendner, Sil- via Lemeunier (Werkstattrat) und die Betriebsratsvorsitzenden Ute Tögel und Winfried Jaumann. Die Abschiedsworte gehen zu Herzen. Jaumann kündigt an, über den alten Chef herzuziehen, tut aber das Gegenteil. „Eigentlich haben wir immer gewusst, was wir an Ihnen haben.“
Landtagspräsidentin Barbara Stamm, die Landesvorsitzende der Lebenshilfe Bayern, ist angetan. „Es ging uns sehr nahe, wie der Chef hier geschildert wurde.“Auch als Landesschatzmeister sei Uhl „ein großer Schatz“. Ihm hätten die Menschen am Herzen gelegen. Stamm fordert angesichts der aktuellen Diskussion im Bundestag dazu auf, wachsam zu sein. „Wir dürfen nicht wieder in eine Debatte reinkommen, was lebenswertes und nicht lebenswertes Leben ist“, sagt Stamm und betont: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“Hintergrund von Stamms Warnung dürfte die heftig kritisierte Anfrage der AfD im Bundestag gewesen sein, wie sich die Zahl der Behinderten in Deutschland seit 2012 entwickelt habe, und zwar „insbesondere die durch Heirat innerhalb der Familie entstandenen“.
Die stellvertretende Vorsitzende der Bundesvereinigung Lebenhilfe, Monika Haslberger, überreicht Uhl die goldene Ehrennadel der Bundesvereinigung. Als Visionär habe Uhl konsequent das Ziel verfolgt, Menschen mit Behinderung dauerhaft in Arbeit zu bringen. Der Geschäftsführer habe die Zahl der Arbeitsplätze auf mehr als 400 gesteigert.
● Während der Geschäftsführerzeit von Johann Uhl hat die Lebenshilfe Dillingen gewaltig zugelegt. Verdop pelt hat sich in etwa die Zahl der be treuten Menschen. In den Werkstätten in Hausen und Wertingen arbeiten gegenwärtig etwa 420 Menschen mit Behinderung. In den Wohngruppen und im Betreuten Wohnen in Hau sen, Dillingen und Wertingen leben etwa 180 Menschen.
● Die Zahl der Mitarbeiter liegt inzwi schen bei etwa 180, sie hat sich in den vergangenen beiden Jahrzehnten Der 65-Jährige erhält sogar eine Ehrung der polnischen Stadt Kalisz. Die Dillinger Lebenshilfe unterhält eine Partnerschaft mit der dortigen Stiftung für Behinderte. Die Auszeichnung übergeben Sozialamtsleiterin Eugenia Jahura und Stiftungspräsident Stanislaw Bronz.
Das furiose Finale des dreieinhalbstündigen Programms läutet die Theatergruppe der Lebenshilfe ein. Zum Udo-Lindenberg-Song „Sonderzug ebenfalls verdoppelt. Zudem enga gieren sich rund 70 ehrenamtliche Mitarbeiter in der Lebenshilfe Dil lingen.
● Und bei der Roko GmbH, eine Fir ma der Lebenshilfe Donau Ries und Dillingen, sind etwa 140 Mitarbeiter (die Hälfte davon Menschen mit Handicap) beschäftigt. Sie arbeiten in den CAP Märkten in Lauingen und Nördlingen, im Cafesito in Dillingen und in den drei Produktionsstandor ten in Nördlingen, Asbach Bäumen heim und Wertingen. (bv) nach Pankow“und dem abgewandelten Ohrwurm „Mit 65 Jahren, da fängt das Leben an“findet der Kapitänswechsel auf dem Lebenshilfe-Schiff statt. Sänger Johann Bertl und seine Crew geben alles, erhalten Standing Ovations – und Johann Uhl übergibt schließlich die Kapitänsmütze an seinen Nachfolger Dominik Kratzer. Dann überreicht Uhl seiner Frau Gerti einen Strauß mit 22 Rosen – eine für die Zeit vor seinem Amtsantritt, 20 für die zurückliegenden Geschäftsführerjahre und eine für die Zeit, in der er sich künftig noch für die Lebenshilfe engagieren will. Der Wechsel zur Lebenshilfe sei für ihn eine Währungsumstellung gewesen, sagt der frühere Banker. „Dort hat man mit einer anderen Währung bezahlt – Gefühle, Freude, Herzlichkeit.“Kratzer würdigt am Ende die große Lebensleistung seines Vorgängers. Nicht der Beginn werde belohnt, sondern einzig und allein das Durchhalten, sagt Kratzer in Anlehnung an Katharina von Siena. Uhl habe nie aufgegeben, sondern durchgehalten zum Wohl der vielen Menschen in der Lebenshilfe.