Erst mal durchatmen und bis zehn zählen
Heute ist Tag der gewaltfreien Erziehung. Die Beratungsstelle gibt Tipps, wie der Familienalltag gelingt
Landkreis Eltern kennen die Situation zur Genüge. Ihre Bitten an ihre Kinder in Sachen Aufräumen oder Mithelfen verhallen oft ungehört. Gerade in solchen Situationen kommt es leicht zu Streitereien, die nicht selten mit Gebrüll auf beiden Seiten enden. Und wenn Eltern sich durchs Brüllen in ihre Wut hineinsteigern, kann ihnen auch schnell einmal die Hand ausrutschen. Der Schritt von der verbalen Gewalt zur körperlichen Gewalt ist klein, warnt Antje Werner, Leiterin der Erziehungs-, Jugend- und Familienberatung der Katholischen Jugendfürsorge der Diözese Augsburg (KJF) in Dillingen. Anlass ist der Tag der gewaltfreien Erziehung am heutigen Montag, 30. April. Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung. Seit dem Jahr 2000 ist das im Bürgerlichen Gesetzbuch BGB verankert. Der Klaps auf den Po, die Ohrfeige, das Ziehen an Ohren oder Haaren – all das ist verboten. Umfragen und Studien ergeben aber, dass zwischen einem Drittel und der Hälfte aller Eltern ihren Kindern entweder einen Klaps auf den Hintern oder Ohrfeigen geben. Das Gesetz, so Werner, gehe ganz bewusst über die rein körperliche Gewalt hinaus: „Körperliche Bestrafungen, seelische Verletzungen und andere entwürdigende Maßnahmen sind unzulässig, heißt es im BGB.“
Wie kann ein anderer Weg gelingen? Zunächst einmal hilft es nach Worten der Erziehungsberaterin, die Kinder zu verstehen: Neben den körperlichen Grundbedürfnissen haben Kinder, wie Erwachsene übrigens auch, existenziell soziale Grundbedürfnisse. Dazu gehört, dass sie sich zugehörig fühlen, sich selbst als fähig erleben und beachtet werden müssen. „Kinder wollen kooperieren und suchen nach Lösungen. Kinder nerven oder provozieren uns nicht absichtlich“, betont Werner. „Je weniger Kinder ihre Selbstwirksamkeit im positiven Sinn in ihrem Alltag erleben, desto größer ist die Gefahr, dass sie es im negativen Sinn versuchen, zum Beispiel, indem sie Eltern oder andere Kinder provozieren, um ihre Wir- kung zu spüren.“Viele der klassischen Konfliktsituationen im Familienalltag lassen sich umgehen, wenn Eltern von Anfang an anders mit ihrem Nachwuchs kommunizieren. „Gehen Sie zu Ihrem Kind hin, wenn Sie etwas Konkretes von ihm möchten“, rät die Erziehungsberaterin. „Stellen Sie Blickkontakt und eventuell auch körperlichen Kontakt her.“Wichtig ist, dass Eltern ihrem Kind einen freundlichen, offenen Blick schenken, denn ein drohender Blick verängstigt oder macht die Kinder aggressiv. Wichtig ist auch, dass Eltern mit kurzen, einfachen Worten beschreiben, was sie vom Kind möchten, dabei möglichst in Ich-Form sprechen: „Ich möchte, dass du jetzt deine Schuhe anziehst, damit wir loskönnen.“
Die Erziehungsberaterin stellt fest: „Doch gerade weil viele Eltern, als sie selbst Kinder waren, keine andere Durchsetzungskraft als mit verbaler, psychischer oder gar körperlicher Gewalt erlebt haben, steht ihnen diese gewaltfreie Durchsetzung auch in der Erziehung ihrer Kinder nicht zur Verfügung.“Den häufig zu hörenden Kommentar „Das hat uns ja auch nicht geschadet“sieht die Erziehungsberaterin kritisch. Sich eine freundliche, ruhige, gewaltfreie Art der Durchsetzung anzueignen und damit auch den eigenen Kindern ein Vorbild zu sein, lohne sich. „Das ist zunächst einmal zeitaufwendig, aber hinterher gewinnt man viel Zeit, es ist also eine gute Investition“, so Werner. Außerdem helfe es, sich den eigenen Anteil am Konflikt anzuschauen. „Denn unser Gegenüber, sei es der Partner oder das eigene Kind, können wir in seiner Persönlichkeit nicht ändern. Wir können nur uns selbst ändern“, so die Erziehungsberaterin. Da es meist schwierig ist, die eigenen Muster zu erkennen, die sich im Verhalten und in der Erziehung eingeschlichen haben, und noch schwerer dieses Verhalten zu verändern, sei es hilfreich, Situationen, die in der eigenen Familie häufig zu Streitereien führen und die Eltern wütend machen, mit einer außenstehenden Person zu besprechen. Die KJF Erziehungs-, Jugendund Familienberatung stehe genau bei solchen Fragen zur Seite.
Das hilft laut Werner in akuten Stresssituationen gegen die Wut: Erst mal durchatmen und bis zehn zählen! „Wenn wir sofort reagieren, reagieren wir eskalierend, denn das ist die reflexartige Reaktion“, erklärt die Erziehungsberaterin. „Die kurze Pause ist wichtig, um die Vernunft wieder mitarbeiten zu lassen. Die Gefühle lassen sich dadurch zwar nicht stoppen, aber die Handlung.“Nach der kurzen Pause falle es dann wieder leichter zu analysieren: Was ist jetzt wirklich wichtig? Kann ich einfach aus der Situation rausgehen und damit dem Machtkampf entgehen? Oder kann ich auch mal nachgeben und meinem Kind zum Beispiel heute beim Anziehen helfen, weil es vielleicht eine unruhige Nacht hatte?
OKontakt: KJF Erziehungs , Jugend und Familienberatung, St. Ulrichsplatz 3, Dillingen, Telefon 09071/770390, www.kjf kinder jugendhilfe.de/erzie hungsberatung