Donau Zeitung

Maikäfer Massen in Fristingen

Frühling Zwei Kinder in Buttenwies­en lassen sie erstmals über ihre Arme krabbeln. Das verdanken die beiden ihrem Nachbarn Jürgen Achner. Der brachte die Tiere aus Fristingen mit. Dort schwärmen die braunen Brummer in Massen

- VON BÄRBEL SCHOEN

Die Tiere sind mancherort­s kaum noch zu finden. Nicht so in Fristingen. Wie die Tiere von dort nach Buttenwies­en kamen.

Landkreis Jahrzehnte­lang habe er keinen Maikäfer mehr gesehen, erzählt Johann Achner aus Buttenwies­en. Nun staunt der 81-Jährige über die vielen braunen Brummer, die sein Sohn auf dem Heimweg von seiner Arbeitsstä­tte aufgelesen hat: „In Fristingen sind sie massenhaft zu finden“, schwärmt Jürgen Achner von seinem besonderen Fund. Man müsse nur an einem Baum schütteln, dann würden sie zuhauf herunterfa­llen. Was die einen als Plage empfinden, darüber freuen sich andere: Beispielsw­eise Achners Nachbarski­nder Anna und Stefan. Denen brachte er ein paar Exemplare mit. Denn anders als noch vor zwei Generation­en, kennt die heutige Jugend den großen Krabbelkäf­er gar nicht mehr.

Ja, früher, da fielen die Brummer manchmal wie eine Invasion ein, erinnert sich Jürgen Achners 81-jähriger Vater Johann Achner an kahlgefres­sene Baumkronen in Gärten und Wäldern. Abends in der Dämme- seien sie an die Schaufenst­erscheibe eines Schuhgesch­äftes in Buttenwies­en gedonnert und auf den Boden geplumpst und meist auf dem Rücken gelandet, erzählt der alte Herr weiter. „Von dort konnten wir sie dann einfach aufsammeln.“Am nächsten Tag beobachtet­en sie, wie Vögel sich über die Delikatess­en hermachten.

Anna und Stefan, die beiden Nachbarski­nder, bekommen große Augen beim Anblick der Käfer mit den harten braunen Flügeln. Einer passt gerade in eine kleine Hand. Anfangs trauen sie sich noch nicht,

„ Wir wurden 1978 von einem medizinisc­hen Labor angeschrie­ben und gebeten, Maikäfer zu sammeln. Vom Erlös kauften wir zwei Hockeytore für die Schule.“

Karl Jahn, ehemaliger Lehrer

sie auf ihre Hand zu setzen. Doch als die zehnjährig­e Anna vom ersten Maikäfer ihres Lebens gekitzelt wird, muss sie spontan lachen. Nun nimmt auch ihr siebenjähr­iger Bruder Stefan allen Mut zusammen. Gleich zwei Tierchen krabbeln an seinem Arm hinauf und beginnen sich mit den Flügeln aufzupumpe­n. Dann geht es – etwas schwerfäll­ig, aber laut brummend – ab in die Lüfte.

Jürgen Achner weiß noch, woher die Maikäfer ihre verschiede­nen Namen hatten: „Man unterschei­det sie nach Müller, Schornstei­nfeger, König und Kaiser.“Vorsichtig nimmt er einige der Insekten aus der Schachtel heraus: „Ein Müller hat weiße Streifen auf den Deckflügel­n und sieht wie vom Mehl gepudert aus, der König ist auf dem Rückenschi­ld hellrot, der Kaiser dunkelrot und der Schornstei­nfeger schwarz gezeichnet.“Früher sei es Tradition gewesen, Maikäfer in einem gelöcherte­n, gelben Schmalzküb­el zu sammeln und mit sich herumzutra­gen. Später, wenn es im Eimer unangenehm zu riechen begann, wurden die Käfer den Hühnern zum Fraß vorgesetzt.

Das Leben der Käfer währt nicht lange. Sein einziger Zweck ist das Fressen und die Vermehrung. Das Weibchen legt bis zu 80 Eier in den Boden, es stirbt nach wenigen Tagen. Das Männchen muss gleich nach der Begattung sein Leben lassen. Die Larven – Engerlinge genannt – fressen Wurzeln von Gräsern, Stauden und Bäumen. Im Winter ziehen sie sich etwa einen Meter tief in die Erde zurück, wo sie vor Frost geschützt sind. Im nächsten Frühjahr fressen sie weiter. Das geht drei bis vier Jahre lang, bis die Engerlinge Fingerdick­e erreicht haben und sogenannte Puppenkamr­ung mern anlegen. Am Jahresende schlüpft der Maikäfer. Dann wartet er ab, bis es warm genug ist, um loszuflieg­en. Jürgen Achner hat sich in den vergangene­n Tagen intensiv mit den quirligen Käfern auseinande­rgesetzt. Der 49-jährige Wasserstra­hltechnike­r erzählt auch davon, dass sie WM-Käfer genannt werden, weil sie nur alle vier Jahre schlüpfen.

Die Hockeyspie­ler von der Wertinger Mittelschu­le haben den Maikäfern einiges zu verdanken: 1978 herrschte eine derart große Plage, dass das Zusamstädt­chen sogar bundesweit Schlagzeil­en machte. Der frühere Lehrer Karl Jahn erinnert sich: „Wir wurden von einem medizinisc­hen Labor angeschrie­ben und gebeten, Maikäfer zu sammeln.“Der Panzer von Maikäfern besteht aus Chitin. Der Stoff sei in der Lebensmitt­elund Biotechnik, in der Landwirtsc­haft sowie in der Papierund Textilindu­strie vielseitig verwendbar. Der Erlös der Maikäferak­tion bescherte den Wertinger Hockeyspie­lern zwei neue Tore, auf die sie heute noch zielen.

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Fotos: Bärbel Schoen Anna (10) und Stefan (7) sehen zum ersten Mal in ihrem Leben „echte“Maikäfer. Das Erlebnis verdanken sie ihrem Nachbarn Jür gen Achner, der sie aus Fristingen für sie mitgebrach­t hat.
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Jürgen Achner aus Buttenwies­en hat an seinem Arbeitsort in Fristingen Maikäfer in Hülle und Fülle entdeckt. In einem ge löcherten Pappkarton brachte er einige Exemplare mit nach Hause.

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