Donau Zeitung

Bayerische­s Fingerspit­zengefühl

Traditions­sportarten in Bayern sind nichts für Leichtgewi­chte oder Laptopträg­er

- VON JOSEF KARG

Augsburg Der echte Bayer als solcher (also einer, dessen Familie seit mindestens drei Generation­en im Freistaat lebt) ist kein Freund von schneller Veränderun­g und setzt sich schon gar nicht an die Spitze von Trends. Logisch ist also, dass bajuwarisc­he Traditions­sportarten nichts für zeitgeisti­ge Leichtgewi­chte oder Laptopträg­er sind. Auch Frauen sind dabei bis heute eher nicht vorgesehen. Der Bayer mag es männlich – und handfest – gerade in den weiß-blauen Paradedisz­iplinen.

Die Nummer eins unter diesen Sportarten ist bis heute das Fingerhake­ln. Dabei sitzen sich die Gegner an einem Tisch gegenüber, fädeln ihre Mittelfing­er in eine Lederschla­ufe und legen auf Kommando los. Man kann sagen, es ist eine individual­isierte Form des Tauziehens: Mann gegen Mann, Finger gegen Finger. Die Redewendun­g „jemanden über den Tisch ziehen“– in der Bedeutung: einen anderen listig besiegen – hat hier ihren Ursprung. Denn oft gewinnt nicht der Teilnehmer mit der meisten Kraft, sondern der mit der intelligen­teren Technik. Aber Vorsicht, Fingerhakl­er! Leistenbru­ch, Blähhals und ein Kropf können die Folge sein, wenn dieser Sport zu intensiv betrieben wird. Eine andere Form solcher beliebter Männerduel­le ist übrigens das ebenfalls Kraft erfordernd­e Armdrücken.

Geht es um eine regellose, archaische „Sportart“des Draufhauen­s (gerne auch mit Maßkrügen), häufig in Folge einer Provokatio­n, dann ist von der altbayeris­chen Wirtshau(s)schlägerei die Rede. Dabei dreschen die Teilnehmer, bevorzugt im alkoholisi­erten Zustand, auf ihre Gegner ein. Mit dem Aussterben der Dorfwirtsc­haften wurde es allerdings um diese Sportart ruhiger. Anzumerken ist: Letztmals hat das US-amerikanis­che Konsulat im Jahr 2009 – nach einer wüsten Schlägerei in Garmisch-Partenkirc­hen – vor dem Besuch bayerische­r Wirtschaft­en gewarnt.

Deutlich friedliche­r ist das Maßkrugste­mmen. Es geht darum, so viele Einliterkr­üge wie möglich mit Bier zu füllen und sie 40 Meter weit zu tragen. Wichtig ist: Man darf nichts verschütte­n. Niemand kann den Bayern hier das Wasser reichen, und auch der Weltrekord mit 29 gefüllten Krügen wird natürlich im Freistaat gehalten.

Sollten Sie nun behaupten, dass es hierzuland­e auch noch andere typische Diszipline­n wie etwa das Schuhplatt­eln gibt, ist anzumerken: Diese körperlich­e Betätigung absolviert der Bayer eher aus kulturelle­r Verantwort­ung. Das Schuhplatt­eln, so eine Art rustikaler Tango für Trachtler, ist ein Tanz, bei dem der Bursche eine Maid umwirbt. Es zeichnet sich durch klatschend­e Handschläg­e auf Oberschenk­el und Schuhe aus. Anders als beim Tango finden die Wettbewerb­e jedoch ohne weibliche Beteiligun­g statt.

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Foto: Endlicher, dpa Fingerhake­ln ist Männersach­e – auch in jungem Alter.
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