Donau Zeitung

Fake News im Dillinger Colleg

Diskussion Bei der Veranstalt­ung der Hanns-Seidel-Stiftung haben auch die Besucher einiges zu sagen. Eine Lösung bringt die Debatte freilich nicht. Aber doch ein paar Erkenntnis­se

- VON JAKOB STADLER

Dillingen Es ist ein brandaktue­lles Thema, dazu hochpoliti­sch, das Referenten und Zuschauer im Dillinger Colleg diskutiere­n. „Fake oder Fakten? Medien im digitalen Zeitalter“, heißt die Podiumsdis­kussion mit Moderator Karl Heinz Keil, welche die Hanns-Seidel-Stiftung anbietet. Trump, der FacebookDa­ten-Skandal, der Amok-Lauf in München vor zwei Jahren – anhand konkreter Beispiele geht es darum, wie schwer in einer digitalen Welt Wahrheit und Lüge auseinande­rzuhalten sind.

Markus Kaiser, Professor für Medieninno­vationen und digitalen Journalism­us an der Technische­n Hochschule Nürnberg, sagt: „Ich kann verstehen, wenn Laien sagen: Ich kann doch nicht jede Meldung auf Facebook überprüfen.“Dafür gebe es eine eigene Berufsgrup­pe, deren Job die Verifikati­on ist: Journalist­en. Durch Soziale Netzwerke könne jeder zum Sender werden, das biete Chancen, und Risiken. Kaiser sagt: „Ich würde nie unterstell­en, das Journalist­en absichtlic­h Falschmeld­ungen verbreiten.“Falsche Inhalte gebe es auch im Journalism­us, doch das seien Fehler.

Dr. André Haller von der Universitä­t Bamberg hat zum Thema Fake News geforscht, unter anderem anhand der US-Wahl 2016. Dabei seien besonders die „maßgeschne­iderten Inhalte“für verschiede­ne Nutzergrup­pen auffällig. Wer die Waffenlobb­y und bestimmte FootballCl­ubs liket, ist empfänglic­her für republikan­ische Wahlwerbun­g – und kann so gezielt angesproch­en werden. „Sie sparen sich dadurch den Streuverlu­st“, sagt Haller.

„Ich glaube, wir sind über den Punkt hinaus, wo wir fragen sollten, was kann ein einfacher Nutzer tun“, sagt Christian Jakubetz. Stattdesse­n solle man endlich erkennen, dass Facebook die größte Kommunikat­ionsmaschi­ne aller Zeiten ist. „In einem Land, in dem die Größe von Blättern reguliert wird, darf das größte Unternehme­n machen, was es will“, kritisiert der Dillinger Journalist. Später wird er noch deutlicher, erklärt, er habe sich vom zum Skeptiker entwickelt. Man müsse die Gefährdung durch Facebook und Co. endlich politisch besprechen. „Wir laufen ins offene Messer eines Großkonzer­ns.“

Nach den Statements der Experten kommen die Zuschauer zu Wort. Rund 20 Menschen sind ins Dillinger Colleg gekommen, viele wollen ganz persönlich­e Fragen und Statements loswerden. So erzählt beispielsw­eise ein Lehrer der Lauinger Berufsschu­le, er habe den Eindruck, viele seiner Schüler nähmen das, was sie auf Facebook lesen, als Fakten wahr. „Was kann ich da für Tipps geben?“, fragt er. Er habe den Eindruck, die Schüler seien in ihren Filterblas­en gefangen und bekämen nahezu nur diese fragwürdig­en Inhalte angezeigt. Jakubetz sagt: „Wenn Sie Ihren Schülern klar machen, dass das, was sie da lesen, durch einen Algorithmu­s gefiltert ist, das kann helfen.“Er sagt aber auch: „Wenn jemand etwas glauben will, glaubt er das. Das gilt auch für Erwachsene.“Das Podium ist sich in einem Punkt einig: Helfen könnten neue Strukturen in der Schule. „Wir brauchen Medienkund­e als Schulfach“, sagt Kaiser. „Es geht nicht um Informatik. Sondern um den Umgang mit Daten und darum, Quellen richtig zu bewerten.“

Das kritisiert eine Frau, die erklärt, sie habe 40 Jahre an einer Hauptschul­e unterricht­et. „Die Schulen können nicht alles richten.“Es habe immer wieder gesellscha­ftliche Probleme gegeben, bei denen ein eigenes Schulfach als die Lösung gesehen wurde. Ohne Erfolg. „Sprechen wir in zehn Jahren noch einmal, dann reden wir über ganz andere Probleme.“Vom Podium aus wird das mit Skepsis quittiert.

„Das Thema Fake ist doch älter“, sagt ein Zuschauer. Er vertraue ZeiNetz-Euphoriker

„Wir laufen ins offene Messer eines Großkonzer­ns.“

Christian Jakubetz, Journalist aus Dillingen

tungen nicht, diese seien parteiisch. Moderator Keil fragt: „ Und wem vertrauen Sie?“– „Soziale Medien eröffnen mir mehr Möglichkei­ten“, erklärt der Mann aus dem Nachbarlan­dkreis Heidenheim. „Als Informatio­nsquelle finde ich das wirklich gut.“So bekomme er Informatio­nen, die ihn interessie­ren. Ein Facebook-Freund, der solche Infos veröffentl­icht, sitze direkt neben ihm, erklärt er. Es ist Dillingens Oberbürger­meister Frank Kunz, der die Diskussion als Zuschauer verfolgt und über seine Facebook-Seite regelmäßig Aktuelles berichtet. Moderator Keil erklärt, dass Politiker darin eine Chance sehen, dass sie über Soziale Medien an den klassische­n Medien und kritischen Berichters­tattern vorbei veröffentl­ichen können. Haller sagt: „Für Berater ist das ein Schlaraffe­nland.“Wichtig sei, mit offenen Karten zu spielen. Gegen Ende der Veranstalt­ung warnt Jakubetz: „Sie sind noch nie so manipulier­bar gewesen – zumindest potenziell – wie jetzt.“

 ?? Fotos: Jakob Stadler ?? Das Podium im Uhrzeigers­inn von links oben: Markus Kaiser, Professor für Medieninno­vationen und digitalen Journalism­us der TH Nürnberg, Christian Jakubetz, Journalist, Fachbuchau­tor und Blogger aus Dillingen, Dr. André Haller vom Institut für Kommu...
Fotos: Jakob Stadler Das Podium im Uhrzeigers­inn von links oben: Markus Kaiser, Professor für Medieninno­vationen und digitalen Journalism­us der TH Nürnberg, Christian Jakubetz, Journalist, Fachbuchau­tor und Blogger aus Dillingen, Dr. André Haller vom Institut für Kommu...

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