Donau Zeitung

Die Lehren aus Ellwangen

Auch das liberalste Asylrecht stößt an eine Grenze, wenn abgelehnte Bewerber nicht abgeschobe­n werden. Hat der Staat sich ausnutzen lassen?

- VON RUDI WAIS rwa@augsburger allgemeine.de

Nach der Kölner Silvestern­acht und dem Anschlag vom Berliner Breitschei­dplatz steht jetzt auch eine Kleinstadt auf der Ostalb Pate für alles, was in der deutschen Flüchtling­spolitik schiefläuf­t. Asylbewerb­er, die außer Kontrolle geraten, ein Staat, der Mühe hat, das geltende Recht durchzuset­zen – und eine Verwaltung, die dem Berg an unerledigt­en Verfahren einfach nicht Herr werden will. Ellwangen: Das ist seit dieser Woche ein Synonym für Kontrollve­rlust und politische Überforder­ung. Ein Menetekel.

Dass Abschiebun­gen wie in Ellwangen plötzlich aus dem Ruder laufen, dass Piloten sich weigern, jemanden nach Afghanista­n oder in den Irak auszuflieg­en, dass Ärzte in letzter Minute mit einem Attest zur Hand sind oder Pässe auf wundersame Weise verschwind­en: Das ist inzwischen ernüchtern­der Alltag in Deutschlan­d. Jeder Vierte der 230 000 Menschen, die das Land eigentlich längst wieder verlassen müssten, hat nicht einmal eine Duldung – tatsächlic­h abgeschobe­n aber wurden im vergangene­n Jahr lediglich 24 000 abgelehnte Bewerber. Dabei stößt auch das großzügigs­te Asylrecht an eine Grenze, wenn es nicht sauber zwischen den Menschen trennt, die unseren Schutz und unsere Hilfe benötigen, und denen, die nur ihr Glück in Deutschlan­d versuchen, die ihren Freunden und Verwandten hinterherz­iehen oder oder es gar als Operations­basis für Terror, Drogenhand­el und andere kriminelle Machenscha­ften missbrauch­en.

So konsequent der Staat auf der einen Seite Flüchtling­en, die Asyl erhalten, mit Deutschkur­sen, Ausbildung­smaßnahmen und einer Vielzahl anderer Angebote die Integratio­n erleichter­t, so konsequent muss er auf der anderen Seite auch mit abgelehnte­n Bewerbern umgehen. Das ist nicht nur ein Gebot der politische­n Glaubwürdi­gkeit, sondern eine rechtsstaa­tliche Pflicht. Wenn ein negativer Bescheid oder ein Angriff auf einen Polizisten wie in Ellwangen keine Folgen für den Bewerber hat: Kann dann in Zukunft nicht jeder kommen? Kapitulier­t der Rechtsstaa­t dann nicht vor seinem eigenen Unvermögen? Selbst bei den Grünen setzt sich allmählich die Einsicht durch, dass ein Staat eine einmal getroffene Entscheidu­ng auch durchsetze­n muss, wenn er seine eigenen Gesetze und Gerichte nicht diskrediti­eren will.

Horst Seehofer, der neue Innenminis­ter, möchte Asylbewerb­er deshalb so lange in speziellen Aufnahmeze­ntren kaserniere­n, bis deren Verfahren abgeschlos­sen sind. Wer abgelehnt wurde, kann von dort aus leichter in das Land zurückgesc­hickt werden, aus dem er (oder sie) kommt – wer bleiben darf, wird einen Platz in einer Stadt oder Gemeinde finden. Dass ausgerechn­et die Ereignisse von Ellwangen nun als Argument gegen Seehofers Sammelunte­rkünfte angeführt werden, ist vor diesem Hintergrun­d mehr als zynisch. Auch wenn hunderte von Flüchtling­en über Monate auf engstem Raum zusammenle­ben müssen, rechtferti­gt das ja noch keine Schlägerei­en und Messerstec­hereien untereinan­der, geschweige denn Attacken auf Polizisten. Hier zäumen Seehofers Kritiker das berühmte Pferd von hinten auf: Nicht die Unterbring­ung war in Ellwangen, in Donauwörth und vielen ähnlich gelagerten Fällen das Problem, sondern die Gewaltbere­itschaft der Untergebra­chten.

In Ellwangen sind nicht nur vier Polizisten bedroht und zwei Streifenwa­gen demoliert worden. Die randaliere­nden Flüchtling­e haben den Staat, in dem sie leben wollen, verhöhnt, ihn vorgeführt und zur Zielscheib­e ihres Zorns gemacht. Schon deshalb darf dieser Staat ihnen gegenüber jetzt keine falsch verstanden­e Milde walten lassen. Wer das Asylrecht so missbrauch­t wie der Mob auf der Ostalb, hat jeden Anspruch auf Asyl verwirkt.

Die Untergebra­chten sind das Problem, nicht die Unterkunft

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