Wie schaut der moderne Vater aus?
Vatertag Ralf Semet (25) hat zwei Kinder und ist Leiter des Dillinger Waldkindergartens. Ein Gespräch über Erziehung, Emanzipation und modernes Eltern-Sein
Das klassische Familienbild ist im Umbruch. Ein Gespräch mit dem Leiter des Dillinger Waldkindergartens.
Dillingen Plötzlich haben sich alle ganz lieb. Sechs Mädchen und Buben stürmen auf Patrizia Glas zu, drücken sich fest an sie und rufen alle zusammen: „Kuscheln!“Glas schaut aus dem Knäuel der Kinder heraus und grinst. „Das ist meine Rolle“, sagt sie. Ralf Semet steht daneben und macht die Probe aufs Exempel. „Wer will mit mir kuscheln?“, fragt er. Kurzes Schweigen, dann ruft ein Junge: „Ich nicht.“Und die Kinder nehmen sich gegenseitig in den Arm. Die Szene stammt aus dem Dillinger Waldkindergarten. Und irgendwie steht sie sinnbildlich für die Rollenverteilung in der Gruppe. Da ist Kinderpflegerin Glas, die für das Emotionale, das Zärtliche zuständig ist. Und welche Rolle bleibt für den Mann?
Ralf Semet – Kapuzenpulli, halblange Haare – ist 25 Jahre jung. Kein Alter, um über das Papa-Sein zu philosophieren, mag so mancher meinen. Doch Semet ist zum Vatertag ein guter Gesprächspartner. Zwei Kinder hat er bereits, das dritte ist auf dem Weg. Dazu hat er vor zwei Jahren den Dillinger Waldkindergarten aufgebaut und ist dessen Leiter. Also, wie ist das nun mit der Rolle des Vaters? „Grundsätzlich ist das in jeder Familie und bei jedem Kind anders“, sagt Semet. Man dürfe nicht alle Mütter und Väter über einen Kamm scheren. Aber es gibt eben Tendenzen. Etwa, dass die Kinder bei Emotionalem zwar eher zu einer Frau gehen, geht es aber darum, einen Streit zu schlichten, sei er als Mann öfter gefragt. „Väter sind häufig dazu da, um den Kindern Grenzen aufzuzeigen“, sagt Semet. Wenn der Papa etwas sagt, klinge das durch die tiefere Stimmlage automatisch strenger. Und die Grenzen seien wichtig. Sie würden Halt geben, seien wie ein Anker. „Kinder wollen und brauchen eine klare Linie.“Die würden Väter bieten, indem sie im Vergleich zu den Müttern zwar weniger, dafür deutlicher mit dem Nachwuchs sprechen. Die zum Teil geringere Diskussionsbereitschaft der Papas führe dazu, dass Kinder eher mit Entscheidungen konfrontiert werden, ohne viel Raum für Nachfragen zu haben. „Das ist eine wichtige Lehre fürs Leben.“Manchmal müsse ein Kind sich eben mit gegebenen Umständen abfinden, das sei in der Schule und später im Beruf nicht anders. Dann sind da die Unternehmungen, die Kinder oft mit dem Papa erleben und die etwas Abenteuerliches an sich haben. Holz machen etwa, oder Traktor fahren. „Vor allem Jungs fasziniert so etwas“, sagt Semet. „Aber auch Mädchen finden das spannend.“
Kinderpflegerin Glas ist froh über den männlichen Kollegen. „Ralf bringt in der Erziehung andere Komponenten ein.“Er sei entspannt und gelassen, nehme die Luft raus aus Konflikten. „Frauen neigen oft dazu, mehr zu diskutieren.“Die Kinder im Waldkindergarten würden davon profitieren, dass sie nicht nur weibliche, sondern zugleich auch einen männlichen Ansprechpartner hätten. Es gebe Eltern, die ihr Kind aus diesem Grund dort angemeldet haben, berichtet Glas.
Die Verhältnisse ändern sich. Der Vater von heute ist nicht mehr das autoritäre Familienoberhaupt. Stattdessen muss er einen neuen Platz finden. „Ich verstehe es, wenn Frauen einfordern, dass der Mann mehr im Haushalt helfen muss“, sagt Semet. Auf der anderen Seite müsse es normal werden, dass Frauen bisher männlich geprägte Aufgaben übernehmen. Zumal auch die Berufswelt eine andere geworden ist. Viele Männer fahren nicht mehr raus aufs Feld, sondern sitzen im Büro. Dazu sind immer mehr Mütter berufstätig. So hat sich die Rolle des Vaters geändert. Semet ist ein gutes Beispiel dafür. Für sein erstes Kind hat er seine Ausbildung zum Erzieher ein Jahr lang unterbrochen. „Da haben einige mit Unverständnis reagiert“, erzählt er. „Aber das war eine schöne Zeit, die ich nur jedem ans Herz legen kann.“Auch für sein zweites Kind war er mehrere Monate zuhause, gleiches wird für das dritte gelten.
Seine Kinder will Semet auch dann an seiner Seite haben, wenn er etwa auf einen Geburtstag eingeladen ist oder essen geht. „Ich finde es traurig, dass es manchen Eltern offenbar peinlich ist, mit ihren kleinen Kindern öffentlich unterwegs zu sein.“Auf der anderen Seite will er darauf achten, dass er und seine Frau nicht auf der Strecke bleiben. Nachdem er zwölf Stunden für den Nachwuchs da war und die Kleinen im Bett sind, will er sich Zeit zu zweit gönnen. Auch am Vatertag gönnt er sich eine Auszeit. Mit Kumpels unternimmt er eine Fahrradtour von Biergarten zu Biergarten. In dieser Hinsicht ist Semet klassisch unterwegs. » Aufgespießt