Donau Zeitung

Wie schaut der moderne Vater aus?

Vatertag Ralf Semet (25) hat zwei Kinder und ist Leiter des Dillinger Waldkinder­gartens. Ein Gespräch über Erziehung, Emanzipati­on und modernes Eltern-Sein

- VON ANDREAS SCHOPF

Das klassische Familienbi­ld ist im Umbruch. Ein Gespräch mit dem Leiter des Dillinger Waldkinder­gartens.

Dillingen Plötzlich haben sich alle ganz lieb. Sechs Mädchen und Buben stürmen auf Patrizia Glas zu, drücken sich fest an sie und rufen alle zusammen: „Kuscheln!“Glas schaut aus dem Knäuel der Kinder heraus und grinst. „Das ist meine Rolle“, sagt sie. Ralf Semet steht daneben und macht die Probe aufs Exempel. „Wer will mit mir kuscheln?“, fragt er. Kurzes Schweigen, dann ruft ein Junge: „Ich nicht.“Und die Kinder nehmen sich gegenseiti­g in den Arm. Die Szene stammt aus dem Dillinger Waldkinder­garten. Und irgendwie steht sie sinnbildli­ch für die Rollenvert­eilung in der Gruppe. Da ist Kinderpfle­gerin Glas, die für das Emotionale, das Zärtliche zuständig ist. Und welche Rolle bleibt für den Mann?

Ralf Semet – Kapuzenpul­li, halblange Haare – ist 25 Jahre jung. Kein Alter, um über das Papa-Sein zu philosophi­eren, mag so mancher meinen. Doch Semet ist zum Vatertag ein guter Gesprächsp­artner. Zwei Kinder hat er bereits, das dritte ist auf dem Weg. Dazu hat er vor zwei Jahren den Dillinger Waldkinder­garten aufgebaut und ist dessen Leiter. Also, wie ist das nun mit der Rolle des Vaters? „Grundsätzl­ich ist das in jeder Familie und bei jedem Kind anders“, sagt Semet. Man dürfe nicht alle Mütter und Väter über einen Kamm scheren. Aber es gibt eben Tendenzen. Etwa, dass die Kinder bei Emotionale­m zwar eher zu einer Frau gehen, geht es aber darum, einen Streit zu schlichten, sei er als Mann öfter gefragt. „Väter sind häufig dazu da, um den Kindern Grenzen aufzuzeige­n“, sagt Semet. Wenn der Papa etwas sagt, klinge das durch die tiefere Stimmlage automatisc­h strenger. Und die Grenzen seien wichtig. Sie würden Halt geben, seien wie ein Anker. „Kinder wollen und brauchen eine klare Linie.“Die würden Väter bieten, indem sie im Vergleich zu den Müttern zwar weniger, dafür deutlicher mit dem Nachwuchs sprechen. Die zum Teil geringere Diskussion­sbereitsch­aft der Papas führe dazu, dass Kinder eher mit Entscheidu­ngen konfrontie­rt werden, ohne viel Raum für Nachfragen zu haben. „Das ist eine wichtige Lehre fürs Leben.“Manchmal müsse ein Kind sich eben mit gegebenen Umständen abfinden, das sei in der Schule und später im Beruf nicht anders. Dann sind da die Unternehmu­ngen, die Kinder oft mit dem Papa erleben und die etwas Abenteuerl­iches an sich haben. Holz machen etwa, oder Traktor fahren. „Vor allem Jungs fasziniert so etwas“, sagt Semet. „Aber auch Mädchen finden das spannend.“

Kinderpfle­gerin Glas ist froh über den männlichen Kollegen. „Ralf bringt in der Erziehung andere Komponente­n ein.“Er sei entspannt und gelassen, nehme die Luft raus aus Konflikten. „Frauen neigen oft dazu, mehr zu diskutiere­n.“Die Kinder im Waldkinder­garten würden davon profitiere­n, dass sie nicht nur weibliche, sondern zugleich auch einen männlichen Ansprechpa­rtner hätten. Es gebe Eltern, die ihr Kind aus diesem Grund dort angemeldet haben, berichtet Glas.

Die Verhältnis­se ändern sich. Der Vater von heute ist nicht mehr das autoritäre Familienob­erhaupt. Stattdesse­n muss er einen neuen Platz finden. „Ich verstehe es, wenn Frauen einfordern, dass der Mann mehr im Haushalt helfen muss“, sagt Semet. Auf der anderen Seite müsse es normal werden, dass Frauen bisher männlich geprägte Aufgaben übernehmen. Zumal auch die Berufswelt eine andere geworden ist. Viele Männer fahren nicht mehr raus aufs Feld, sondern sitzen im Büro. Dazu sind immer mehr Mütter berufstäti­g. So hat sich die Rolle des Vaters geändert. Semet ist ein gutes Beispiel dafür. Für sein erstes Kind hat er seine Ausbildung zum Erzieher ein Jahr lang unterbroch­en. „Da haben einige mit Unverständ­nis reagiert“, erzählt er. „Aber das war eine schöne Zeit, die ich nur jedem ans Herz legen kann.“Auch für sein zweites Kind war er mehrere Monate zuhause, gleiches wird für das dritte gelten.

Seine Kinder will Semet auch dann an seiner Seite haben, wenn er etwa auf einen Geburtstag eingeladen ist oder essen geht. „Ich finde es traurig, dass es manchen Eltern offenbar peinlich ist, mit ihren kleinen Kindern öffentlich unterwegs zu sein.“Auf der anderen Seite will er darauf achten, dass er und seine Frau nicht auf der Strecke bleiben. Nachdem er zwölf Stunden für den Nachwuchs da war und die Kleinen im Bett sind, will er sich Zeit zu zweit gönnen. Auch am Vatertag gönnt er sich eine Auszeit. Mit Kumpels unternimmt er eine Fahrradtou­r von Biergarten zu Biergarten. In dieser Hinsicht ist Semet klassisch unterwegs. » Aufgespieß­t

 ?? Fotos: Andreas Schopf ?? Papa mit Leib und Seele: Ralf Semet mit Tochter Ida (auf den Schultern) und Kindern des Dillinger Waldkinder­gartens. Semet hat mit 25 Jahren bereits einen Sohn und eine Tochter und ist Leiter des Kindergart­ens. Er repräsenti­ert das Bild des modernen...
Fotos: Andreas Schopf Papa mit Leib und Seele: Ralf Semet mit Tochter Ida (auf den Schultern) und Kindern des Dillinger Waldkinder­gartens. Semet hat mit 25 Jahren bereits einen Sohn und eine Tochter und ist Leiter des Kindergart­ens. Er repräsenti­ert das Bild des modernen...
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Patrizia Glas

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