Koalition will Beiträge stärker senken
Finanzen Die Arbeitslosenversicherung soll noch etwas günstiger werden. Nur um wie viel? Details nennen Union und SPD bisher nicht. Vom Soli redet ohnehin nur die Opposition
Murnau/Augsburg Angesichts der guten Konjunktur und der anhaltend hohen Steuereinnahmen denkt die Koalition über eine zusätzliche Entlastung der Beschäftigten nach. „Bei den Sozialversicherungsbeiträgen könnten wir uns auch ein bisschen mehr vorstellen, als wir vereinbart haben“, sagt der Fraktionsvorsitzende der Union, Volker Kauder. Vor allem die „Mitte der Leistungsgesellschaft“habe das Gefühl, dass sie im Moment etwas zu kurz komme, sekundiert CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer. Etwas präziser wird SPDParteiund Fraktionschefin Andrea Nahles: „Wir sind ein starkes Land und freuen uns, wenn wir sehen, dass es möglicherweise zusätzliche Spielräume bei den Sozialabgaben gibt, ganz konkret bei der Arbeitslosenversicherung.“Ihr Beitragsatz soll nach den bisherigen Planungen
„Als Erstes sollte der Soli ersatzlos gestrichen werden.“FDP Fraktionsvize Michael Theurer
Anfang kommenden Jahres um 0,3 Punkte auf 2,7 Prozent sinken. Nun könnte es noch etwas mehr werden.
Nach allem, was aus den Beratungen der staatlichen Steuerschätzer bisher durchgesickert ist, können Bund, Länder und Gemeinden auch in den nächsten Jahren mit einem deutlich höheren Steueraufkommen rechnen als bisher angenommen. Mit den erwarteten Zusatzeinnahmen von bis zu 60 Milliarden Euro würden sich die Einnahmen zwischen den Jahren 2005 und 2022 mehr als verdoppeln, betont FDPFraktionsvize Michael Theurer gegenüber unserer Zeitung. Die Bundesregierung allerdings ruhe sich auf den guten Wirtschaftszahlen aus und belaste kleine und mittlere Einkommen im internationalen Vergleich überdurchschnittlich hoch. Theurer wörtlich: „Als Erstes sollte daher der Soli ersatzlos gestrichen und der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung um mindestens 0,5 Prozentpunkte gesenkt werden. Wer bei diesen Mehreinnahmen der arbeitenden Mitte nichts zurück- versündigt sich an der Sozialen Marktwirtschaft.“
Bei der letzten Steuerschätzung im November hatten die Experten von Bund, Ländern und Forschungsinstituten lediglich mit Mehreinnahmen von rund 15 Milliarden Euro in den kommenden vier Jahren gerechnet, nun soll es fast viermal so viel sein.
Mit der Prognose, die sie heute vorlegen, liefern die Gutachter die Grundlage für die Aufstellung des Bundeshaushaltes. Korrigieren sie die erwarteten Einnahmen nach oben, bekommt der Finanzminister zusätzlichen Spielraum für neue Ausgaben oder den weiteren Abbau von Schulden. Im aktuellen Fall sollen die Mehreinnahmen nach Kauders Worten unter anderem in die Etats von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) fließen. Beide haben dem Entwurf des Bundeshaushaltes in der vergangenen Woche nur unter Protest zugestimmt, weil sie mit den von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) angesetzten Summen ihre ingibt, ternationalen Verpflichtungen nicht erfüllen könnten.
Nach Ansicht des Deutschen Gewerkschaftsbunds sollen die Mehreinnahmen für öffentliche Investitionen verwendet werden. „Wer jetzt nicht massiv in die Infrastruktur, in Breitbandnetze, Straßen, Schulen und Personal im öffentlichen Dienst investiert, versündigt sich an den kommenden Generationen“, erklärte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell. „Deutschland wird seit Jahren auf Verschleiß gefahren.“