Seit 600 Jahren gibt’s in Bissingen Märkte
Geschichte König Sigismund verlieh einst der Kesseltal-Kommune das Recht zur Abhaltung solcher Veranstaltungen. Die König-Sigmund-Straße und die Marktstraße erinnern noch heute daran – und der Himmelfahrtsmarkt
Bissingen Warum gibt es in Bissingen eine König-Sigmund-Straße? Eine Frage, die immer wieder auftaucht und die zu einem runden Jubiläum führt, das in diesem Jahr gefeiert werden kann. Im Jahr 1418, also genau vor 600 Jahren, verlieh Sigismund, König des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, Bissingen das Recht zur Abhaltung von vier Jahrmärkten und einem Wochenmarkt. Wenngleich im heutigen Leben im Marktort Bissingen eigentlich nur mehr der große Himmelfahrtsmarkt, der sich über einige Hundert Meter entlang der Marktstraße erstreckt, eine größere Rolle spielt, so war doch diese Verleihung des Marktrechts durch König Sigismund vom ausgehenden Mittelalter bis in die Gegenwart von großer Bedeutung für den Ort und die Region. Märkte in Bissingen muss es allerdings schon zuvor gegeben haben, denn bereits in einer Urkunde vom
Herrschaftszentrum im Kesseltal
24. Januar 1281 wurde der Ort Bissingen als „Markt“bezeichnet. Damals verlagerte sich mit dem Aussterben des Adelsgeschlechtes der Hohenburger das Herrschaftszentrum im Kesseltal von FronhofenHohenburg hinunter nach Bissingen, und die Grafen von Oettingen übernahmen gegen Ende des 13. Jahrhunderts die Herrschaft über das Kesseltal.
Es waren auch die Grafen von Oettingen als Ortsherren, denen 1418 von Sigismund das Recht zu den vier Jahrmärkten und dem Wochenmarkt ausgesprochen wurde. Die Markterhebung hatte auch einen ganz praktischen Vorteil: Nachdem es ja mehrere „Bissingen“gab und bis heute gibt – gleich im Nachbarlandkreis Heidenheim das Bissingen ob Lonetal nahe bei der Autobahn, daneben noch Bissingen an der Teck und Bietigheim-Bissingen, – nannte man ab dem 14. Jahrhundert Bissingen im Kesseltal meist auch offiziell „Markt Bissingen“. Diese Bezeichnung taucht zum Beispiel 1323 als „marchet ze Pizzingen“oder 1560 als „Marckt Bissigen“auf. 1593 werden „Schloß und Markt Oberbissingen“genannt. „Oberbissingen“erscheint relativ oft in allen möglichen Schriftzeugnissen, natürlich als Unterscheidung zum nahen „Unterbissingen“. Der Verleiher des Marktrechts von 1418, König Sigismund von Luxemburg, geboren 1368 in Nürnberg, war ein Sohn des berühmten Kaisers Karls IV. aus dessen vierter Ehe. Heirat wurde er 1387 König von Ungarn und außerdem König von Kroatien. Seit 1410 war er zudem römisch-deutscher König. Ein Jahr nach der Marktrechtsverleihung an Bissingen wurde Sigismund noch König von Böhmen und 1433 deutscher Kaiser.
Alles in allem war er ein sehr bedeutsamer Mann für die deutsche und die südosteuropäische Geschichte, ehe er 1437 im Alter von 69 Jahren starb. Was bedeutete es für einen Ort im Mittelalter oder in der Frühen Neuzeit, wenn er zum „Markt“erhoben wurde? Der Begriff „Markt“stammt vom lateinischen Wort „mercatus“= Handel ab und bezeichnet einen Ort, an dem regelmäßig Waren angeboten und gehandelt werden. Treffpunkt der Verkäufer und Käufer, der Händler und der Kundschaft war in aller Regel der zentrale Platz in einer Stadt. Größere Handelsplätze wie Nördlingen oder Frankfurt hatten davon sogar mehrere und benennen ihre Plätze und Straßen bis heute danach. Wenn es keinen richtigen Platz gab, dann war es meistens die Hauptstraße, die „Marktstraße“, in welcher Märkte abgehalten wurden. in Bissingen spielt die Marktstraße eine wichtige Rolle als Hauptverkehrsader durch den Ort. Neben dem oberen Ortskern mit dem kirchlichen Zentrum (Kirche und Pfarrhof) und dem herrschaftlichen
Erste Stufe des Stadtrechts
Zentrum (Schloss, Türme, Mauerring und Brauereigebäude) setzt die Marktstraße den zweiten dominierenden Akzent im Ortsbild. Sie bildet die Verbindungsachse in Richtung des oberen Kesseltales und des Rieses und am jenseitigen Ortsausgang hinunter in das Donautal. Das Recht, einen oder mehrere Märkte abzuhalten, war in der Zeit des Mittelalters ein ganz entscheidendes, denn es galt als erste Stufe zum Stadtrecht.
Marktorte waren demnach eine Art Vorstufe zu den Städten, die man sich damals ja auch viel kleiner vorstellen muss. Es ist im Übrigen auch für Orte der Größe Bissingens bis in die Gegenwart etwas Besonderes, Märkte abhalten zu dürfen. Beim Himmelfahrtsmarkt ist in BisDurch singen noch heute richtiges „Marktflair“zu spüren, von dem außerdem auch die einheimische Geschäftswelt profitiert – fast wie früher, als die Markttage ein, ja sogar der wichtige Treffpunkt im Jahr für die Bevölkerung aus dem Umland waren. Immerhin waren es vier Jahrmärkte und dazu noch ein wöchentlicher Markt für die Grundversorgung der Bevölkerung, die durch den Beschluss König Sigismunds abgehalten werden durften.
Warum es bei Bissingen nicht mit einer Stadterhebung klappte und warum diese nach all dem, was heute bekannt ist, gar nicht ernsthaft versucht wurde, liegt wohl an zwei Gründen.
Sicherlich ist Bissingen der zentrale Ort des Kesseltales und damit auch der Region zwischen den Donaustädten Dillingen, Höchstädt und Donauwörth auf der einen und den Riesstädten Harburg und Nördlingen auf der anderen Seite. Aber der Ort war für die Grafen von Oettingen, die das Kesseltal über lange Zeit beherrschten, wohl nicht bedeutsam genug oder zentral genug gelegen, als dass man hier ernsthafte Anstrengungen unternommen hätAuch te. Man lag ja auch nicht an den ganz großen Verkehrswegen. Es genügte der Obrigkeit also, dass Bissingen als Oberamt neben Harburg den zweiten Verwaltungsmittelpunkt für den südlichen Oettingischen Herrschaftsbereich bildete, dessen Grenze im Übrigen entlang des noch heute bekannten „Rennwegs“auf dem Höhenzug von Amerdingen über Oberliezheim in Richtung Donau verlief.
Auch im 19. und 20. Jahrhundert blieb der ganz große Aufschwung aus, den die Industrialisierung oder die geplante Kesseltalbahn hätte bringen können.
Eine letzte Chance, wenn man so will, hätte der vor dem Zweiten Weltkrieg und teilweise auch danach noch aufkommende Fremdenverkehr sein können, doch auch hier war eine Stadterhebung letzten Endes kein Thema mehr. Immerhin aber ist Bissingen, ähnlich wie vergleichbar große Orte in der Nachbarschaft, als „bevorzugt zu entwickelndes Kleinzentrum“ausgewiesen und kann gerade in den letzten Jahren auf eine kontinuierlich positive wirtschaftliche Entwicklung zurückblicken.