DGB warnt vor Ungerechtigkeit
Aus der Sicht der Gewerkschaften sind viele Arbeitnehmer verunsichert. Ein Grund dafür ist die Digitalisierung
Berlin Zum Auftakt des Bundeskongresses des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier vor einer „Polarisierung der Arbeitswelt“gewarnt. „Gerechtigkeitsund Verteilungsfragen werden an Brisanz gewinnen“, sagte er am Sonntag in Berlin.
Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann sagte zur Kongresseröffnung, dass die gute wirtschaftliche Lage in Deutschland nicht über gravierende Missstände hinwegtäuschen dürfe. Es gebe zwar einen Höchststand bei der Beschäftigung, zudem sei die Arbeitslosigkeit gesunken. Aber trotz dieser Rekorde seien rund 20 Prozent der Beschäftigten im Niedriglohnsektor gefangen. Gleichzeitig öffne sich die Schere bei den Vermögen und Einkommen. „Die Menschen haben ein feines Gespür dafür, dass es immer ungerechter zugeht“, sagte Hoffmann. Immer größere Vermögen in den Taschen weniger Menschen, Unternehmen mit Milliardenumsätzen, die kaum Steuern zahlten, das sei nicht erklärbar. „Wenn gefeuerte Manager tausende Euro Rente pro Tag erhalten, ist das nicht gerecht“, sagt er.
Steinmeier forderte, Beschäftigte müssten „ihren Lebensunterhalt aus ihrem Einkommen aus Arbeit bestreiten können“. Dies gelte nicht nur für Industriearbeitsplätze – „auch Berufe in Bildung und Erziehung, vor allem in der Pflege, brauchen nicht nur eine angemessene Anerkennung, sondern vor allem eine angemessene Bezahlung.“
Der DGB setze sich gegen prekäre Arbeit und sachgrundlose Befristungen ein, für eine gute Alterssicherung und eine funktionierende öffentliche Infrastruktur, erklärte Hoffmann und ergänzte: „Kurz – für gute Arbeit und ein gutes Leben.“Dies sei „der richtige Weg“.
Die Gewerkschaften haben es sich außerdem zur Aufgabe gemacht, die Arbeitsbedingungen in der Digitalisierung zu gestalten. „Der Mensch und nicht das technisch Machbare gehört in den Mittelpunkt der Auseinandersetzung“, sagte Hoffmann. Vor allem ein Punkt ärgert den DGB-Chef: Seiner Meinung nach „weigern sich aufs Internet basierende Plattformen, ihre Rolle als Arbeitgeber anzunehmen“, sagt er mit Blick auf Online-Wohnungsoder Fahrdienstvermittler. Auch Steinmeier sieht in der Branche ein Problem. Er betonte, dass die Digitalisierung die nächste große Bewährungsprobe für den Sozialstaat sei. Die Plattform vermittle nur Arbeit. Es sei aber nicht akzeptabel, wenn niemand für Urlaub, Krankheit oder Rentenkasse bezahle, sagte der Bundespräsident.
Der DGB-Chef betonte zudem die „besondere Verantwortung“der deutschen Politik für das „Friedensprojekt“Europa. „Angesichts von Renationalisierung, zunehmendem Rechtspopulismus und Kleinstaaterei kommt es mehr denn je darauf an, das europäische Projekt zu stärken“, sagte Hoffmann mit Blick auf die Europawahl im kommenden Jahr.
Der DGB-Bundeskongress mit rund 400 Delegierten tagt bis zum kommenden Donnerstag unter dem Motto „Solidarität, Vielfalt, Gerechtigkeit“. Dabei soll über eine Reihe von Themen beraten werden, darunter der digitale Wandel, Mindestlohnkontrollen, gleiche Bezahlung von Frauen und Männern sowie Steuergerechtigkeit. Am Montag werden unter anderem SPDChefin Andrea Nahles und CDUGeneralsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer teilnehmen.
Der Bundeskongress ist das höchste Entscheidungsorgan des DGB. Die Delegierten aus den acht DGB-Gewerkschaften wählen unter anderem den vierköpfigen hauptamtlichen geschäftsführenden Bundesvorstand. Auch Hoffman tritt wieder zur Wahl an.