Erdogan Auftritt: Löw hat Verständnis für seine Spieler
Warum der Bundestrainer mit Özil und Gündogan gnädiger umgeht als viele Politiker
Augsburg Mesut Özil und Ilkay Gündogan gehören trotz ihres umstrittenen Treffens mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zum WM-Kader der Fußball-Nationalmannschaft. Er wisse von Menschen mit Migrationshintergrund, dass „in deren Brust auch manchmal zwei Herzen schlagen“, betonte Bundestrainer Joachim Löw. Insofern habe er „ein bisschen Verständnis“. Allerdings sei beiden mitgeteilt worden, „dass das jetzt keine glückliche Aktion war“. Wer für Deutschland spiele, so Löw, vertrete auch die deutschen Werte. Auf die Frage, ob er überlegt habe, die beiden nicht mit zur WM zu nehmen, sagte er: „Daran habe ich nicht gedacht, in keiner Sekunde.“
Özil und Gündogan, die beide in Gelsenkirchen geboren sind und heute für Arsenal London bzw. Manchester City spielen, hatten Erdogan in London getroffen und sich mit ihm und einem dritten deutschtürkischen Spieler, Cenk Tosun vom FC Everton, fotografieren lassen. Gündogan hielt ein Trikot, auf dem stand: „Mit großem Respekt für meinen Präsidenten.“Die Bilder hatten scharfe Kritik ausgelöst, da sie Wahlkampf-Hilfe für Erdogan geleistet hätten. Als Nationalspieler müssten Özil und Gündogan jedoch Vorbilder sein, betonte Regierungssprecher Steffen Seibert im Namen von Kanzlerin Angela Merkel.
Die grüne Bundestagsabgeordnete Ekin Deligöz, die selbst türkische Wurzeln hat, sprach gegenüber unserer Zeitung von einer „politischen Dummheit“der beiden. Ihr Präsident heiße nicht Erdogan, sondern Frank-Walter Steinmeier. Ein weiterer deutscher Nationalspieler, Emre Can vom FC Liverpool, hat Erdogans Einladung nach Informationen der Welt ausgeschlagen.
Der frühere Reck-Weltmeister Eberhard Gienger, der heute für die CDU im Bundestag sitzt, kritisierte die Aktion gegenüber unserer Zeitung scharf: „Erdogans politische Werbung von England aus ist – mit den drei deutschen Fußballern – ein besonders trickreiches wie höchst fragwürdiges Umgehen des hiesigen Wahlkampfverbotes.“Dass sich sonst politisch zurückhaltende Fußballspieler an einem solchen Manöver beteiligen, überrasche ihn sehr. Der politisch neutrale Sport stehe für eine starke Zivilgesellschaft und den Schutz von Menschenrechten. „Beides steht in der Türkei auf dem Spiel.“Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth nannte die Kritik wohlfeil. „Uns muss die Aktion nicht gefallen“, sagte die GrünenPolitikerin. „Aber wir sollten aufpassen, dass uns die Maßstäbe nicht verrücken.“Auch die Kanzlerin habe sich schon für den Wahlkampf von Erdogan einspannen lassen.
Mit dem Auftritt beschäftigt sich auch der Leitartikel. Alles zum WMAufgebot finden Sie im Sport.