„Das ganze Land ruiniert und verheert“
Vor 400 Jahren brach der 30-jährige Krieg aus. Das Kesseltal war stark betroffen und fast menschenleer
Bissingen Er brachte verwüstete Landstriche, verödete Dörfer und Städte, marodierende Söldnerheere, Hunger, Seuchen, Leid und Tod. Und er gilt bei Historikern als die „Urkatastrophe der Deutschen“, der in manchen Regionen bis zu zwei Dritteln der Bevölkerung zum Opfer fielen und über Generationen nachwirkte: der Dreißigjährige Krieg, der vor genau 400 Jahren, am 23. Mai 1618, mit dem berühmten Prager Fenstersturz seinen Anfang nahm. Obwohl es auch hier eine Vorgeschichte gab, bei der die Stadt Donauwörth mit den Streitigkeiten zwischen Protestanten und Katholiken im Jahre 1606 eine nicht unerhebliche Rolle spielte. Jedenfalls waren es neben den religiösen Motiven, die zu diesem drei Jahrzehnte währenden Kriegsereignis führten, von Beginn an auch machtpolitische Interessen, die eine wesentliche Rolle spielten.
Für die Menschen, die um 1618 an der Donau, der Wörnitz oder der Kessel lebten, war der Krieg zunächst weit weg. Bei den vier Phasen, in welche der Dreißigjährige Krieg eingeteilt werden kann, unterscheidet man heute zunächst den böhmisch-pfälzischen und dann den dänisch-niederländischen Krieg. Mit dem Eingreifen der schwedischen Armee unter dem protestantischen König Gustav
Im April 1632 wurde Augsburg besetzt
Adolf begannen ab 1630 der schwedische und schließlich der schwedisch-französische Krieg, der erst im Jahr 1648 mit dem Westfälischen Frieden seinen Abschluss finden sollte. Nachdem sich die Armeen der katholischen Liga im Jahr 1631 in der Schlacht bei Breitenfeld in Thüringen vergeblich den herannahenden Schweden entgegengestellt hatten, rückte das Kriegsgeschehen immer weiter in Richtung Süddeutschland. Am 20. April 1632 wurde Augsburg von den schwedischen Truppen besetzt.
Wie in allen anderen Städten und Dörfern der Region hatte die Bevölkerung sehr unter der Besatzung zu leiden, und zwar völlig unabhängig, welcher Konfession sie angehörte. Nach der Schlacht bei Rain am Lech und dem Tod des Generals Tilly gingen die schwedischen Soldaten gegen die Katholiken, aber genauso auch gegen lutherische Glaubensgenossen mit unfassbarer Grausamkeit vor. Schon seit Palmsonntag, dem 26. März 1632, hatten schwedische Truppenteile, von Wemding heranziehend, in der Grafschaft Oettingen Quartier genommen. Das Kloster Mönchsdeggingen wurde ebenso völlig ausgeplündert wie die Dörfer des oberen und mittleren Kesseltales. In Buggenhofen wurde die Marienkirche drei Mal völlig ausgeplündert und sogar Türund Fensterstöcke herausgerissen. Wer sich bei einem dieser Raubzüge nicht in den nahen Wäldern verstecken konnte, musste oft Folter, Vergewaltigung oder den Tod erleiden. Manche Taufbücher, die aus dieser Zeit erhalten sind, künden davon. So ist in Bissingen unter dem 2. Januar 1633 die Geburt von Zwillingen festgehalten.
Als Vater stand ein „schwedischer Reiter“verzeichnet. Nach ihrem Abzug in Richtung Norden kehrten die Schweden 1633 wieder in die Region zurück und errichteten auf dem Schellenberg bei Donauwörth ein großes Heerlager. nächsten vier Monate brachten für die Bewohner des Donau- und Kesseltales sowie des südlichen Rieses eine bis dahin nicht vorstellbare Zeit des Schreckens. „Das Land sei bis auf den äußersten Grad ruiniert, ausgeplündert und verheert“, schrieb der Pfleger auf Burg Niederhaus, Hans von Siegershoven, am 6. Juni 1633. Schlimmer aber noch war, was die fremden Soldaten der einheimischen Bevölkerung selbst antaten. Der Pfarrer von Unterringingen, Conrad Widenmann, listete die bei der Plünderung seines Pfarrhofes und der Kirche am 26. Juni 1633 entstandenen Schäden exakt auf und stellte darüber hinaus fest, dass in dem Dorf von „um die 400 Stück Vieh nur ein einziges Kühlein“verblieben sei. Und – noch schlimmer – zwei Männer seien aufgehängt worden, wobei die Stricke aber gebrochen seien, ein Mann sei getötet worden und 50 Frauen seien in das Lager der Schweden verschleppt worden. Pfarrer Widenmann wünschte, „die Erde möge sich auftun und die Soldateska lebendig verschlingen“. Von den 1200 Angehörigen der Kirchengemeinde Unterringingen traf Pfarrer Widenmann nach der Schlacht bei Nördlingen am 29. Juli 1634 noch 39 Überlebende an. So war es naheDie zu überall im Umkreis: In Forheim wurde der Pfarrer Melchior Bäuerlein am 16. Mai derart gefoltert, dass er tags darauf verstarb. Am 12. Juli wurde das Dorf geplündert, wobei sieben Anwesen abbrannten.
Insgesamt 19 Mal wurden allein die beiden Dörfer Forheim und Aufhausen geplündert. Wie es dem Dorf Fronhofen erging, ist auch Stoff für die bekannte Sage von der Höhle „Hanseles Hohl“. Der Ort wurde, ebenfalls in dieser Zeit, von einer schwedischen Einheit verwüstet und niedergebrannt. Lediglich ein Mann namens Hans und dessen Tochter überlebten die Brandschatzung und versteckten sich in der Höhle am Nordhang des nahen Michelsberges.
Auch nach dem Abzug der Söldnertruppen nach der Schlacht bei Nördlingen, einer der größten militärischen Auseinandersetzungen in diesem Krieg, ging das Leid der Bevölkerung weiter. „Das ganze Land ist ruiniert und verheert“, lautet die Überlieferung. Und zu alledem suchte auch noch die Geißel der Pest die malträtierten Menschen heim. In Bissingen fand sich bei Bauarbeiten am Lindenberg vor Jahrzehnten ein großes Pestgrab, das auf das Jahr 1644 datiert wurde. Dutzende Verstorbener waren hier vor den Toren des damaligen Marktortes in einem Massengrab beigesetzt worden. Ein Pestmal an der Mauer nahe dem Pfarrhof erinnert bis heute daran. Ein weiteres Schreckensjahr erlebte die ausgemergelte Bevölkerung dann 1645, als vor der mörderischen Schlacht bei Alerheim im Ries vor allem durch die kaiserlich-bayerischen Truppen wieder einmal grausame Übergriffe an der Tagesordnung waren. In Zeitzeugenberichten steht verzeichnet, dass „die reither von dieser Armee über Nördlingen gegen Tonauwörth unnd Tonau hinab auch bis auf Laying (Lauingen), Tillingen und Hochtstett streifen, rauben und plindern und verhindern, dass die Underthanen das Getreid einbringen khönen“.
Was der drei Jahrzehnte währende Krieg zwischen 1618 und 1648 dem Land und seinen Bewohnern angetan hatte, belegen folgende Fakten, die mannigfach ergänzt werden könnten: Dörfer wie Untermagerbein, Unterringingen, Aufhausen, Forheim, Mauren und Ebermergen, Hürnheim und Ederheim waren bei Kriegsende völlig oder zumindest nahezu menschenleer. In Unterringingen hieß es noch drei Jahre nach Kriegsende, dass 22 der 50 Höfe „öde“seien. Es brauchte die Zuwanderung aus anderen Regionen wie Tirol und Südtirol, um die Orte wieder aufzubauen und zu beleben. Das Trauma jener Jahre blieb allerdings noch über Generationen hinweg gegenwärtig.