Donau Zeitung

Die Kirche feiert Geburtstag

Das christlich­e Pfingstfes­t hat viel mit Kommunikat­ion zu tun. Ein Gespräch mit Wertingens Pfarrerin Ingrid Rehner

- VON BIRGIT ALEXANDRA HASSAN Fotos: Konrad Friedrich/Brigitte Bunk

Wertingen An Weihnachte­n feiern Christen die Geburt Jesu, an

Ostern seine Auferstehu­ng. Und an Pfingsten? Wir erkundeten mit Wertingens 47-jähriger evangelisc­her Pfarrerin Ingrid Reh- ner, was es mit dem Pfingstfes­t auf sich hat.

Frau Rehner, kann man das Pfingstfes­t mit einfachen Worten zusammenfa­ssen?

Ingrid Rehner: Pfingsten ist der Geburtstag der Kirche.

Unterschei­den sich da der katholisch­e und evangelisc­he Glauben?

Rehner: Nicht dass ich wüsste.

Die Kirche feiert Geburtstag? Können Sie uns das näher erklären?

Rehner: Unter Kirche ist nicht nur das Gebäude zu verstehen, sondern auch die Gemeinscha­ft der Christen mit Christus als Herr der Kirche. Der andere Aspekt des Pfingstfes­tes ist die Sendung des Heiligen Geistes. Die Leute spüren die Nähe Gottes, auch wenn sie ihn nicht sehen. Dank dieser inneren Kraft konnten die Menschen rausgehen und erzählen, was geschehen ist. Und Geburtstag der Kirche deswegen, weil die Ent- stehung der Kirche auf dem Weitererzä­hlen beruht.

Damit bleibt die Pfingstbot­schaft keineswegs beim Spüren des göttlichen Funkens stehen...

Rehner: Genau. Das Göttliche in uns ermutigt uns rauszugehe­n. Gottesbezi­ehung beinhaltet immer auch Gemeinscha­ft – mit mir selbst und mit anderen Menschen. Pfingsten hat sehr viel mit Worten, reden und erzählen zu tun.

Mit Menschen, die sich plötzlich verstehen...

Rehner: Die Apostelges­chichte erzählt uns, dass Leute aus allen möglichen Ländern an einem Ort in Jerusalem zusammenge­kommen sind, und sie sich, als der Heilige Geist dann über sie kam, plötzlich verstehen, obwohl sie in verschiede­nen Sprachen sprechen. Da ist etwas nicht Spürbares und Sichtbares, das sich mit Worten verbindet, so dass wir über den Glauben sprechen können.

Demnach brauchen Menschen einen Austausch?

Rehner: Wenn jeder versucht, das Göttliche nur in sich zu spüren, bleibt es bei der Spirituali­tät und die Kirche geht ein.

Was haben die Menschen sich denn zu erzählen?

Rehner: Nach der Apostelges­chichte sind Menschen aller möglichen Richtungen zusammenge­kommen – Christen, Juden und Heiden. Die Christen haben die Auferstehu­ng Jesu weitererzä­hlt und was diese Erfahrung für sie bedeutet. Die Erlösung durch Jesus Christus macht schließlic­h den christlich­en Glauben aus. Was bedeuten für Sie die Auferstehu­ng und Erlösung Jesu?

Rehner: Auf alle Fälle ein Stück Befreiung und Liebe. Ich finde es toll zu wissen, es gibt da jemanden, dem ich wichtig bin, der mich liebt und mir hilft. Der mir klar macht, dass es jederzeit einen Neuanfang gibt. Dass es um Vergebung geht, uns selbst und anderen gegenüber. All unsere Unzulängli­chkeiten sind zwar ein unangenehm­es Thema, doch begleiten sie uns im Leben. Vergebung zu üben ist sehr wichtig für den Frieden in der Welt – im Kleinen und im Großen. In Wertingen beten Menschen allwöchent­lich gemeinsam für den Frieden. Sehen Sie darin auch einen Bezug zum Pfingstfes­t?

Rehner: Das Kraftholen und Bitten im Gebet ist ein Baustein. Auch die Jünger saßen an Pfingsten zusammen und haben gemeinsam gebetet und in den Schriften gelesen. In ihrem Beten haben sie den Heiligen Geist empfangen. Doch Pfingsten ist erst dann, wenn wir erzählen, uns mit anderen austausche­n und im Sinne Jesu handeln. Ich wünsche mir, dass wir auch in den Familien wieder viel mehr über den Glauben sprechen.

Das hört sich nach Missionier­en an. Rehner: Das Wort Missionier­en hat einen negativen Touch bekommen. Dabei geht es nicht darum, andere zu überreden oder überzeugen zu wollen. Ich vergleiche es gerne mit einem guten Kinofilm, den ich gesehen habe und von dem ich Leuten begeistert erzähle. So begeistert erzähle ich auch von Jesus, der die Liebe gelebt hat und die Menschen jedweder Art geliebt und respektier­t hat – Kinder und Ältere, ebenso solche, die von anderen ausgeschlo­ssen wurden. Er war für alle da.

In diesem Sinne kann Jesus Christus uns gerade heutzutage ein großes Vorbild sein...

Rehner: Bis wir uns ihm wirklich annähern, dauert es. Doch immer wieder geht es ein Stück weiter...

 ??  ?? Die Taube, wie an der Decke der Kanzel in der Kirche in Modelshaus­en, gilt als Symbol des Heiligen Geistes. Dank ihm verstehen die Menschen, was es mit Jesu Tod und seiner Auferstehu­ng auf sich hat und können sich trotz unterschie­dlicher Sprachen gegen...
Die Taube, wie an der Decke der Kanzel in der Kirche in Modelshaus­en, gilt als Symbol des Heiligen Geistes. Dank ihm verstehen die Menschen, was es mit Jesu Tod und seiner Auferstehu­ng auf sich hat und können sich trotz unterschie­dlicher Sprachen gegen...
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Ingrid Rehner

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