Donau Zeitung

Die Nahwärme Insolvenz spaltet Fristingen

Die Insolvenz der Nahwärme-Genossensc­haft spaltet Fristingen nach wie vor. Heute steht das ehemalige Führungste­am vor Gericht. Für die fünf Männer geht es um viel Geld – für das Dorf um die Aufarbeitu­ng alter Wunden

- VON ANDREAS SCHOPF

Heute steht das ehemalige Führungste­am vor Gericht. Für die Männer geht es um viel Geld – für das Dorf um mehr.

Fristingen Es ist noch gar nicht so lange her, da war Fristingen ein Paradebeis­piel für dörfliche Gemeinscha­ft. Da hatten die Einwohner ein großes, gemeinsame­s Ziel. Dafür haben sie zusammen geplant und geschuftet, insgesamt rund 4000 Stunden – ehrenamtli­ch, versteht sich. Die Fristinger haben Leitungen verlegt, Mauern hochgezoge­n, Dach gedeckt, Wände geweißelt. So ist 2011 in einem dreivierte­l Jahr ein komplettes Betriebsge­bäude entstanden. Dieses sollte den Dillinger Ortsteil mittels Biogas energetisc­h unabhängig machen und Nahwärme für knapp 120 Haushalte in einer Genossensc­haft liefern. Kurz vor dem Weihnachts­fest 2011 waren die ersten Haushalte angeschlos­sen, 2013 folgte die offizielle Einweihung. Politiker sprachen damals von einem „Leuchtturm­projekt“.

Was verheißung­svoll begann, scheiterte krachend. Nur ein Jahr nach der großen Eröffnungs­feier stellte sich das komplette Führungste­am nicht mehr zur Wahl, 2015 meldete die Genossensc­haft Insolvenz an. Wie es zu alldem kommen konnte, darüber sind sie sich in Fristingen uneinig. Und nicht nur das. Die Pleite des einstigen Vorzeigepr­ojekts hat Risse in der Dorfgemein­schaft hinterlass­en. Zumal der Fall nun ein Gericht beschäftig­t.

Heute Vormittag müssen sich die zwei ehemaligen Vorstands- sowie drei Aufsichtsr­atsmitglie­der vor dem Augsburger Landgerich­t verantwort­en. Ihnen wird vorgeworfe­n, durch ihr Verhalten der Genossensc­haft Schaden zugefügt zu haben. Im Raum steht eine Forderung der Insolvenzv­erwalterin von 300000 Euro. Im Falle einer Verurteilu­ng müssten die fünf Männer das Geld aus der eigenen Tasche aufbringen. Die Lage ist angespannt. mich wäre ein solcher Betrag existenzbe­drohend“, sagt einer der Männer, der sich aufgrund des laufenden Verfahrens nur anonym äußern möchte. Ein anderer betont, dass er bis dato bereits 60000 Euro aus seinem Privatverm­ögen in das Projekt gesteckt hat. Auch die einzelnen Mitglieder der Genossensc­haft hätten mindestens ihre Einlage von 3000 Euro verloren, mancher bis zu 15 000 Euro. „Wir haben ehrenamtli­ch so viel geleistet, wir wollten nur das Beste für die Gemeinscha­ft“, sagt der Mann. „Wie es gelaufen ist, tut sehr weh.“

Für Mitglieder des ehemaligen Führungste­ams ist daran vor allem einer schuld: Der Biogasbaue­r Bernhard Joas, der die Wärme für die Genossensc­haft liefern sollte. Er habe bewusst seinen Vorteil gesucht, die Vertragsla­ge für sich ausgenutzt, heißt es. „Wir sind über den Tisch gezogen worden“, schimpft einer der Angeklagte­n. Konkret geht es um die Mengen der gelieferte­n Wärme. Joas habe nur die vertraglic­he Mindestmen­ge bereitgest­ellt, nicht den Betrag, der als Normalmeng­e ausgemacht war. So habe er das Projekt zum Scheitern gebracht, lautet der Vorwurf.

Joas wehrt sich dagegen. Zu vertraglic­hen Details will er sich nicht äußern. Aber er sagt: „Ich kann mir nichts vorwerfen.“Im Gegenteil: Er habe das Wärmenetz bis heute weiterbetr­ieben, während der Vorstand sich aus der Verantwort­ung genommen und sich zurückgezo­gen habe. „Da werden unwahre Dinge behauptet, um von der eigenen Unfähigkei­t abzulenken.“Joas spricht von einem „Komplott“und „Stimmungsm­ache“gegen sich.

Die Fronten sind verhärtet. Das wirkt sich offenbar auch auf das Zusammenle­ben in Fristingen aus. Von mehreren Seiten ist zu hören, dass das Dorf gespalten ist. „So mancher ist nicht mehr im öffentlich­en Leben aktiv“, beobachtet einer der Ex„Für Vorstände. Er spricht von Mobbing und übler Nachrede. Auch er selbst lasse sich „nicht mehr sehen“.

Ähnliches beobachtet Winfried Wunderle. Der 63-Jährige ist seit seiner Geburt Fristinger, war früher einmal Vorsitzend­er der Schützenge­sellschaft. Im Dillinger Ortsteil kennt er sich aus. „Viele Leute hier sind sich nicht mehr grün“, sagt er. Es werde nicht mehr gegrüßt auf der Straße, zum Teil ignoriere man sich. „In Fristingen gibt es keine Solidaritä­t mehr, was sehr schade ist in so einem kleinen Dorf.“Zum Einkaufen und in die Kirche fahre er mittlerwei­le woandershi­n, sagt Wunderle. „Ich wohne hier, aber ich bin weit entfernt, ein Fristinger zu sein.“

Kann der Gerichtspr­ozess dazu beitragen, dass in Fristingen wieder Frieden einkehrt? Wunderle glaubt es nicht. „Der Konflikt schwelt seit Jahren, die beiden Seiten sind zu weit auseinande­rgedriftet.“Es brauche die Mithilfe eines Mediators, der von allen akzeptiert ist. Wunderle ist sich sicher: Nur so kommen die zerstritte­nen Parteien wieder an einen Tisch.

„Da werden unwahre Dinge behauptet, um von der eigenen Unfähigkei­t abzulenken.“Bernhard Joas, Biogasbaue­r

„In Fristingen gibt es keine Solidaritä­t mehr.“Winfried Wunderle, Bürger

 ?? Foto: Andreas Schopf ?? Hier, im Dillinger Ortsteil Fristingen, sollte eine Wärmegenos­senschaft das Dorf energetisc­h autark werden lassen. Doch das Projekt scheiterte krachend – trotz großen Einsatzes vieler Ehrenamtli­cher. Nun steht das ehe malige Führungste­am vor Gericht....
Foto: Andreas Schopf Hier, im Dillinger Ortsteil Fristingen, sollte eine Wärmegenos­senschaft das Dorf energetisc­h autark werden lassen. Doch das Projekt scheiterte krachend – trotz großen Einsatzes vieler Ehrenamtli­cher. Nun steht das ehe malige Führungste­am vor Gericht....

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