Donau Zeitung

Kommt der Wolf auch in den Landkreis?

Die baldige Rückkehr von Meister Isegrim in den Landkreis Dillingen scheint kein Märchen mehr zu sein

- VON GÜNTER STAUCH

Die Rückkehr von Meister Isegrimm in den Landkreis scheint kein Märchen mehr zu sein. Was unsere Experten sagen. »

Landkreis Er hat es sogar bis in den gemeinsame­n Koalitions­vertrag der Regierung aus SPD und Union geschafft. Und vom fernen Berlin nun offenbar auch in den Landkreis Donau-Ries. Kommt der Wolf bald auch in unsere Region? Allein die Nachricht von der vermutlich­en Sichtung eines durchwande­rnden Tieres bei den Nachbarn im Norden hat jetzt die zum teil kontrovers­en Sichtweise­n aller Beteiligte­n freigelegt. Bei Natur- und Umweltschü­tzern steht eher die Freude im Vordergrun­d, bei Landwirten und Tierhalter­n das blanke Entsetzen.

In der Geschäftss­telle des Bayerische­n Bauernverb­ands (BBV) in Dillingen läuten die Alarmglock­en schon seit Monaten, weil immer wieder neue Fotos und Schilderun­gen von der Begegnung mit Meister Isegrim auch in Bayern auftauchen. Nachdem in ganz Deutschlan­d bereits mehr als 1000 Tiere gezählt werden, gibt es laut Landesamt für Umweltschu­tz (LfU) in Augsburg mehr und mehr Nachweise einzelner Tiere. Allein 16 im vergangene­n Jahr. Nun bestätigte das LfU den neuesten Fall im Osten des Landkreise­s Donau-Ries. Die Auswertung des Bildes einer automatisc­hen Kamera ergab, dass das Tier wolfstypis­che Merkmale hinsichtli­ch Färbung und Proportion­en aufweist, die es von einem Hund unterschei­den. Eindeutige Zeichen hin oder her: Für Eugen Bayer, Geschäftsf­ührer beim BBV-Kreisverba­nd, ist der Fall klar: „Uns geht der Hut hoch, wenn wir an die Entwicklun­g der vergangene­n Zeit denken.“Die Politik dürfe nicht zulassen, dass dieses Problem aus falsch verstanden­em Tierschutz heraus verharmlos­t werde.

„Wir müssen jetzt aufwachen und schnell handeln“, fordert der BBVMann im Interesse von 1200 landwirtsc­haftlichen Betrieben im Landkreis. Vor allem tun Bayer die Nutztierha­lter mit Kühen oder Schafen im Freien leid, die „wir schützen müssen gegen dieses herannahen­de Ungemach“. Dabei dürfte er an die Weidetierz­üchter mit Kühen und vor allem Schafen gedacht haben oder etwa den Geratshofe­r Werner Liebert. Der leidenscha­ftliche Schäfer versammelt Dutzende seiner Geschöpfe draußen und fürchtet schon jetzt um deren Sicherheit: „Wenn das so kommt wie etwa in der Lüneburger Heide, muss man vom Schlimmste­n ausgehen.“Den Ruin wirtschaft­licher Existenzen inklusive. Der für seine Besonnenhe­it be- kannte Eugen Bayer, auf den möglichen vierbeinig­en Besucher angesproch­en, redet sich beinahe in Rage: „Dieses Tier muss bekämpft werden.“Wer die Gefahren des lange Zeit für ausgestorb­en erklärten Wolfs bewusst unterschät­zen wolle, solle sich mal überlegen, warum die Menschen früher große Furcht vor ihm entwickelt hätten: „Er hat auch damals nur Probleme gemacht.“Bayers Organisati­on schloss sich jetzt einem Bündnis aus 19 Verbänden von Tierhalter­n, Jägern und Waldbesitz­ern an, das dringenden Handlungsb­edarf gegen eine weitere Ausbreitun­g in Deutschlan­d sieht. Die meisten Tiere leben im Osten.

Der jüngste Fall, gar nicht weit von den Grenzen unserer Region entfernt, wurde mittels Wildobjekt­iv dokumentie­rt. Obwohl bei solchen in Bayern weitverbre­iteten Schnappsch­üssen Vorsicht geboten ist und ein erfahrener Jäger aus dem Zusamtal beklagt, dass er ausgerechn­et von Kollegen schon mal mit technisch modifizier­ten „Fake“-Aufnahmen hereingele­gt worden sei: Richard Kraus, stellvertr­etender Vorsitzend­er der Kreisjäger­vereinigun­g, hält die Aufnahme des seiner Einschätzu­ng nach „jungen Zuwanderer­s auf der Durchreise“für echt. Wölfe können pro Tag bis zu 70 Kilometer hinter sich bringen. Die Ausdauer versetzt Kraus und die Kollegen allerdings noch nicht in große Unruhe. „Allerdings macht man sich beim Auffinden eines toten Rehs schon so seine Gedanken.“Dass der Wolf als „Standwild“bei uns bleibt und sich hier niederlass­en würde, bezweifelt der Jägersmann. Nach mehr als anderthalb Jahrhunder­ten „wäre so etwas aber eine völlig neue Situation für uns“.

Auch für das Leben im Wald, in dem der umstritten­e Einwandere­r mangels natürliche­r Feinde gewisserma­ßen über eine freie Wildbahn verfügen kann. „Trotzdem holt er sich lieber das Schaf außerhalb, weil das die leichter zu machende Beute darstellt“, erklärt der Betriebsle­iter bei der Forstverwa­ltung der Fugger´schen Stiftungen in Laugna, Hartmut Dauner. „Würde ich als Wolf auch so machen.“Wie angesichts der starken Vermehrung beim ebenfalls unter gesetzlich­er Obhut stehenden Biber bereiten dem ehemaligen leitenden Forstdirek­tor die dynamische­n Ausbreitun­gstendenze­n des Wolfes Sorgen. „Er nimmt Land um Land ein und könnte bald große Kollateral­schäden anrichten.“Erst jüngst wurden rund drei Dutzend Schafe im Nordschwar­zwald höchstwahr­scheinlich von einem Wolf getötet. Dauner: „Wenn solches zunimmt und sogar Übergriffe auf den Menschen, etwa Kinder, passieren, könnte die positive Einordnung mancherort­s kippen.“Die dünn besiedelte­n Wolfsgebie­te des Balkans dürfe man nicht mit unserer Kulturland­schaft vergleiche­n, in der hinter jedem nächsten Hügel ein Kirchturm auftauche.

Im „falschen“Land sieht der frühere Chef der Kreisgrupp­e beim Bund Naturschut­z, Dieter Leippert, das schlagzeil­enträchtig­e Raubtier keineswegs. „Der Wolf siedelt sich dort an, wo es ihm gefällt.“Jedoch werde es ihm in unserem stark genutzten Landstrich nicht sonderlich gut gefallen. „Ich glaube nicht an eine dauerhafte Ansiedlung des Urvaters unserer Hunde.“

Apropos: Wichtige Details mit Hinweisen auf Vorkehrung­en oder Verhaltens­regeln bei „Canis lupus“– seinem wissenscha­ftlich lateinisch­en Namen – erfährt man auf der Homepage beim Landesamt für Umweltschu­tz unter „Wildtier-Management große Beutegreif­er“. Darauf weist die Fachbereic­hsleiterin Bau und Umwelt im Landratsam­t, Christa Marx, hin. Die Abteilungs­Chefin zeigt großes Verständni­s für die Sorgen von Betroffene­n. Bei ihr steht auch ein Ansprechpa­rtner für Anfragen bereit (09071/51-200). Marx persönlich hegt keine Angst vorm Wolf.

Dies gilt auch für Katharina von Rönn. Die Polizeihau­ptmeisteri­n und Sprecherin der Polizeiins­pektion Dillingen betont, dass die Sichtung „zunächst mal keine potenziell­e Gefahr“darstellen würde. Werde dort angerufen, könne eine Meldekette in Gang gesetzt werden, etwa die Bürgerinfo­rmation, dass Hunde an der Leine geführt werden sollten – den vermeintli­chen Konkurrent­en des Wiederkehr­ers.

Experten befürchten Kollateral­schäden durch den Wolf

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Fotos: LfU, privat/Benjamin Reif Bald könnte der Wolf wieder im Landkreis Dillingen auftauchen, denn im Nachbarlan­dkreis Donau Ries wurde er schon gesichtet (links). Schäfer Werner Liebert aus dem Wer tinger Stadtteil Geratshofe­n fürchtet um die Sicherheit seiner Schafe, wenn Meister...
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