Abschluss und dann Ausbildung?
Nicht immer ist die Suche nach einer Lehrstelle einfach – trotz guter Noten. Was drei Lauinger Schüler erzählen
Dillingen 30 Bewerbungen verschickt, eine Zusage erhalten. Das ist die magere Bilanz der Lauinger Realschülerin Ceyda. Dabei habe sie gute Noten, sei fleißig, hat für Vorstellungsgespräche sogar Powerpoint-Präsentationen vorbereitet. Ein halbes Jahr hat es gedauert, bis die angehende Kauffrau für Büromanagement einen Ausbildungsplatz ergatterte. „Ich habe irgendwann das Gefühl gekriegt, dass die Ausbilder zu hohe Ansprüche an die Bewerber stellen“, erzählt Ceyda. Was sagt eine Expertin dazu?
Christine Jung, Pressesprecherin der Bundesagentur für Arbeit, meint: „Wenn die Anzahl der Bewerber sehr hoch ist, steigen natürlich die Ansprüche der Arbeitgeber. Hinzu kommt, dass diese meist ein
Über Bekannte der Eltern
recht genaues Bild von ihren Auszubildenden im Kopf haben. Das macht die Sache schwieriger.“Nach einiger Zeit erfolglosen Suchens hätten Ceydas Eltern gar bei Freunden und Bekannten herumgefragt ob jemand eine Firma kenne, welche den Berufswunsch ihrer Tochter ausbildet, berichtet die Schülerin. Am Ende hatte die 16-Jährige Glück. „Ich bin jedenfalls sehr froh, dass ich doch noch eine Ausbildungsstelle gefunden habe.“
Auch der 16-jährigen Laura-Isabell erging es kaum anders. Mehr als ein Dreivierteljahr lang habe sie mehr als 60 Bewerbungen geschrieben, gerade einmal zwei Firmen sagten zu, erzählt sie. Die beiden Klassenkameradinnen sind der Meinung: „Es ist nicht gerade leicht, einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Wer vom Gymnasium kommt, hat vielleicht bessere Chancen als wir mit der Mittleren Reife.“Beide wollen eine Ausbildung im kaufmännischen Bereich machen; dort ist die Bewerberanzahl sehr hoch, die Berufsgruppe gilt als sehr beliebt.
Im September 2017 wurden im Landkreis Dillingen 124 Bewerber in kaufmännischen Berufen, aber nur 99 Ausbildungsstellen ermittelt. Dieses Jahr wurden 674 Bewerber gezählt, bei denen keine Angabe zum Berufswunsch vorhanden ist. Davon haben 246 entweder keinen Ausbildungsplatz oder eine Alternative gefunden. Doch gibt es tatsächlich mehr Ausbildungssuchende als Stellen? Dieser Schein trügt. Laut der Bundesagentur für Arbeit wurden im April diesen Jahres 608 Ausbildungsstellen gemeldet, von denen 363 Plätze noch unbesetzt sind. Wenn im Kaufmännischen Bereich mehr Bewerber als Stellen vorhanden sind – wo könnten Jugendliche, welche jetzt noch einen Ausbildungsplatz suchen, dann Erfolg haben? „Es gibt mehr offene Lehrstellen als Bewerber. Gerade in hand- oder technischen Berufen werden noch viele Lehrlinge gesucht, da es in diesem Bereich weniger Interessierte gibt“, erklärt Jung. Wer sich also bei einem Handwerksbetrieb bewerbe, habe deutlich höhere Chancen, genommen zu werden. Als gutes Beispiel lasse sich Sascha nennen. Der 16-Jährige habe gerade einmal zwei Bewerbungen abschicken müssen, um eine Stelle in seinem Traumberuf „Technischer Systemplaner“zu bekommen. „Ich denke, gerade in technischen Berufen bemühen sich die Betriebe stärker um Auszubildende. Sonst würden sich vermutlich noch weniger bewerben“, sagt Sascha. Ausschlaggebend für seine Berufswahl sei der Spaß an Computerarbeit und an technischem Zeichnen gewesen. Und was hilft einem nun, selbst seinen Traumberuf zu finden?
Da sind sich die drei Jugendlichen einig: „Berufsberater. Die schicken Adressen für Firmen, bei denen man sich für seinen Wunschberuf bewerben kann. Und andere Berufe, die noch infrage kommen würden, weil sie Ähnlichkeiten haben. Bei Jobbörsen und der Agentur für Arbeit findet man ebenfalls häufig und schnell etwas Geeignetes.“Expertin Jung bestätigt: „Wer sich über Berufe informieren möchte, sich bei seiner Berufswahl nicht sicher ist oder sich über Weiterbildungsange- informieren möchte, kann auf alle Fälle bei der Agentur für Arbeit vorbeischauen.“Auf manche Internetseiten sollte man sich jedoch nicht verlassen. „Ich bin auf einige Websites gestoßen, die nur irgendwelche Adressen, bei denen gar kein Beruf ausgebildet wird, geschickt haben. Oder Seiten, bei denen alles, nur nicht die gewünschte Ausbildung angezeigt wurde“, erzählt Laura-Isabell. Sie hat einen Ausbildungsplatz zur Kauffrau im Großund Außenhandel gefunden. „Meine Mutter hätte sich etwas anderes für mich ausgesucht, aber es geht hier ja um meine Zukunft.“Christine Jung kennt diese Situation: „Aber die meisten Erziehungsberechtigten sind mit dem Berufswunsch ihrer Kinder einverstanden.“Welche Anforderungen müssen Bewerberinnen und Bewerber denn nun erfüllen, um eine Ausbildung zu ergattern? „Das wir selbstständig arbeiten, zuverlässig sind, ehrgeizig, exakt arbeiten, uns angenehm verhalten und pünktlich sind – das ist für die Betriebe und Ausbilder mit Sicherheit sehr wichtig“, sind sich die drei Jugendlichen einig. Und weiter: „Die Arbeitgeber achwerklichen ten gerade bei hoher Bewerberzahl, ob der Bewerber oder die Bewerberin den Eindruck vermittelt, den Schlüsselqualifikationen gerecht zu werden.“Doch nicht alle Schlüsselqualifikationen werden von allen Berufen gleich wichtig eingestuft. Da komme es sehr darauf an, in welchem Betrieb und Beruf man sich befinde. Da man sich freundlich verhält und fleißig ist, sind jedoch die wohl grundlegendsten Eigenschaften“, erklärt Jung.
Doch wer glaubt, dass nur die Ausbilder und Betriebe bestimmte Verhaltensweisen fordern, liegt falsch. Denn auch die Azubis haben einige Erwartungen an ihre Ausbilder. Für Ceyda ist es wichtig, dass ihr Ausbildungsbetrieb ihr die Kenntnisse am Computer und andere Grundkenntnisse ihres Ausbildungsberufs erklären und beibringen kann. Alle wichtigen Kenntnisse des Berufs zu erlernen, ist auch für Sascha sehr wichtig – doch er stellt noch eine weitere Forderung auf: „Meine Ausbilder und die Arbeitskollegen sollten sich zueinander sozial verhalten. Denn wenn niemand grüßt und einige sich unfreundlich verhalten, entsteht ein schlechtes Arbeitsklima.“Ihr Ausbildungsbetrieb solle sie auf alle Fälle fair behandeln und im Idealfall nach der abgeschlossenen Ausbildung übernehmen, meint Laura. Und was solbote len die Leute machen, die trotz großer Bemühungen und Suche keinen geeigneten Ausbildungsplatz ergattern konnten? „Wer trotz großem Angebot an Ausbildungsplätzen keine Lehrstelle findet, sollte sich auf alle Fälle rechtzeitig an uns wenden. Oft gibt es noch Möglichkeiten, einen Ausbildungsbetrieb zu finden. Immer beliebter werden auch Weiterbildungsmöglichkeiten wie zum Beispiel Fachoberschulen“, erklärt Jung. Gerade bei Schülern, die im Qualifizierten Mittelschulabschluss oder der Mittleren Reife recht gute Noten haben, würden diese immer beliebter werden.
Es gibt weitere Optionen, die zur Verfügung stehen, wenn es mit dem Ausbildungsplatz nicht funktioniert hat. „Manche Schulen bieten ebenfalls eine Ausbildung an. Im Gegensatz zur klassischen Berufsausbildung findet diese komplett in einer Schule und nicht überwiegend in einem Betrieb statt“, sagt Jung. Eine weitere Möglichkeit sei ein Praktikum, welches auch eine gute Möglichkeit sei, in einen oder mehrere Berufe „hineinzuschnuppern“.
Aber auch ein Soziales Jahr kann laut Jung für viele Jugendliche eine geeignete Möglichkeit sein, ein Jahr zu überbrücken und dabei zu überlegen, welche Tätigkeit ihnen liegen könnte und langfristig etwas für sie ist.
Zeit mit sozialem Jahr überbrücken