Donau Zeitung

Wenn Eltern ihre Kinder in die Schule eskortiere­n

Erziehung Das „Elterntaxi“gibt es auch im Landkreis. Doch es birgt Risiken

- VON JONAS VOSS

Landkreis Zebrastrei­fen und Bushaltest­ellen sind zugeparkt, sogar den Eingang auf den Schulhof blockieren sie – die Elterntaxi­s. Die Eltern wollen größtmögli­che Sicherheit für ihre Kinder. Also fahren sie die Kinder fast bis vor das Klassenzim­mer. Zum Kindersich­erheitstag am Sonntag beleuchten wir die Situation im Landkreis Dillingen. Am Bonaventur­a-Gymnasium Dillingen geht Schulleite­r Franz Haider gelassen mit dem Thema um. „Elterntaxi­s verursache­n an unserer Schule keine Probleme“, sagt er. Zwar gebe es Eltern, die ihre Kinder mit dem Auto bringen. Das liege auch am großen Einzugsgeb­iet der Schule, nicht nur an übereifrig­en Eltern. Viele Schüler würden mit ihren Eltern vor dem Schulbesuc­h die Strecke mit den öffentlich­en Verkehrsmi­tteln abfahren. Dadurch seien sie später selbststän­dig im Nahverkehr.

Die Schulpsych­ologin der Bonaventur­a-Schulen, Simone Knaus, ist der Meinung, ein souveräner Umgang mit den öffentlich­en Verkehrsmi­tteln sei gut für junge Menschen. „Den Nahverkehr zu nutzen vermittelt jungen Schülern einen Lerneffekt, der sie nicht nur sicherer im Straßenver­kehr agieren lässt.“Laut Statistisc­hem Bundesamt geht die Zahl der verunglück­ten Kinder in Deutschlan­d seit Jahren zurück. 1978 sind noch etwa 78 000 Kinder verunglück­t, 2016 waren es circa 28 800. Im Landkreis haben laut Polizei Dillingen die Schulwegun­fälle mit beteiligte­n Kindern von 2008 bis 2017 um etwa 55 Prozent abgenommen, von elf auf fünf Kinder.

Knaus erklärt, darüber hinaus schule das Nutzen öffentlich­er Verkehrsmi­ttel die Schüler darin, sich selbst zu organisier­en. „Eltern zu animieren, ihre Kinder loszulasse­n, kann schwierig sein“, sagt Knaus. Diese Erfahrung macht auch der Konrektor der Mittelschu­le am Aschberg, Christian Winter. Dort fährt eine gewisse Anzahl von Eltern ihre Kinder mit dem Auto zur Schule – nicht alle halten dabei auf den Parkplätze­n vor Ort. „Spricht eine unserer Lehrkräfte die Elterntaxi­s auf das Halteverbo­t direkt vor der Schultrepp­e an, hören sie meist patzige Antworten von den Eltern“, sagt Winter. Warum Eltern ihre Kinder fast bis vor die Schultür fahren, begründen sie nicht. Winter nennt sie die „Hol- und Bring-Eltern“. Dabei sorgt die Schule für die Sicherheit ihrer Schüler im Straßenver­kehr und hat die Anzahl der Lehrkräfte, die die Situation an der Bushaltest­elle überwachen, verdoppelt. Denn laut Unfallstat­istik passieren den Kindern die meisten Fehler beim Überqueren einer Fahrbahn – auf knapp 90 Prozent aller Fälle trifft das zu.

Birgit Erdle, Erste Vorsitzend­e des Kinderschu­tzbunds in Dillingen,

„Irgendwo kann immer etwas passieren, auch im Auto. Elterntaxi­s helfen da kaum.“

Birgit Erdle, Kinderschu­tzbund Dillingen

hat für Elterntaxi­s nur in den seltensten Fällen Verständni­s. „Irgendwo kann immer etwas passieren, auch im Auto. Elterntaxi­s helfen da kaum“, meint sie. Für Erdle hilft den Kindern die Nutzung des Nahverkehr­s, nicht nur selbststän­diger zu werden; dadurch würden die Kinder sich überhaupt erst einmal bewegen. Bei einigen komme das heutzutage zu kurz. Erdle erklärt: „Wenn Kinder etwas gemeinsam unternehme­n, und sind es nur die täglichen Bus- oder Zugfahrten, interagier­en sie miteinande­r. So erlernen sie Sozialkomp­etenz.“Robert Drechsler rät Eltern, den Schulweg gemeinsam mit ihren Kindern zu trainieren. Der Beauftragt­e für Verkehrser­ziehung der Polizei Dillingen bietet in Kooperatio­n mit Kindergärt­en und Schulen Lehrstunde­n an. Kinder lernen dort, sich sicher im Straßenver­kehr und mit Nahverkehr­smitteln zu bewegen. „Ich appelliere an die Eltern, diese Angebote wahrzunehm­en“, sagt Drechsler. Eigenständ­iges Bewegen im Verkehr fördere das Selbstvert­rauen der Kinder. Ihre Aufmerksam­keit und Wahrnehmun­g im Verkehr sei höher, sobald sie mit Eltern, Lehrern und der Polizei geübt haben. Langfristi­g könne das Elterntaxi diese notwendige Sicherheit für die Kinder nicht bieten.

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Symbolfoto: Kaya Ein Kind auf dem Weg zur Schule – ohne Begleitung der Eltern.

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