„Kindlein, Kindlein, bet! Morgen kommt der Schwed.“
Vortrag Walter Ansbacher erforscht das Schicksal Dillingens im Dreißigjährigen Krieg
Dillingen Mit lang anhaltendem Beifall bedankten sich die Mitglieder und Gäste des Historischen Vereins für einen Vortrag, mit dem Dr. Walter Ansbacher im Vereinsheim Hausen das Schicksal der bischöflichen Residenz- und Universitätsstadt Dillingen während des 30-jährigen Krieges beschrieb. Die Prägnanz der Formulierungen, die Vielfalt sorgfältig erforschter Fakten und die rhetorische Souveränität des Referenten machten diesen Beitrag zum Glanzpunkt der Jahreshauptversammlung.
Dr. Ansbacher, Geschäftsführer des Vereins für Augsburger Bistumsgeschichte, äußerte einleitend die Überzeugung, dass kaum eine andere deutsche Kommune während des Dreißigjährigen Krieges in eine so prekäre Lage geraten sei wie Dillingen. Dabei hatte die Stadt in ihrer Entwicklung bis zum 17. Jahrhundert die Merkmale einer provin- ziellen Siedlung abgestreift. Bischofssitz, Universität und Jesuitenkolleg machten Dillingen zum „Bollwerk der Gegenreformation“. Die in Dillingen gedruckten Bücher transportierten „den Geist, der in Dillingen wehte“, in aller Herren Länder. Den Lutheranern freilich erschien die Stadt als „das allergefährlichste Loch in ganz Deutschland“.
Während der Kriegsjahre zwischen 1618 und 1648 gefährdete zunächst die Pest, dann aber auch „lichtscheues Gesindel“den Frieden der Stadt. Als 1631 das Heer des schwedischen Königs Gustav Adolf nach Franken vorrückte, flüchteten viele Jesuiten und Franziskanerinnen überstürzt ins Allgäu. Aber erst am Karfreitag des Jahres 1632 besetzten die Schweden ohne Blutvergießen die Stadt. Gustav Adolfs früher geäußerte Absicht, „dieses Nest“, das so viele Gegner gegen die lutherische Sache in alle Welt entsandt habe, mit Feuer und Schwert zu vernichten, führte zu den schlimmsten Erwartungen. Wie ein Wunder erschien deshalb vielen Dillingern der Entschluss des Schwedenkönigs, die Stadt zu verschonen und unter seinen Schutz zu stellen. Sogar der Lehrbetrieb an der Universität konnte schon wenige Tage nach der Besetzung fortgeführt werden.
Der schwedische Gouverneur David von Osten nutzte seine freundlichen Begegnungen mit den Jesuiten allerdings als Chance, in Gesprächen zu erfahren, wo ein in Schriften des Paracelsus erwähnter Diamant zu finden sei, den „kein Kaiser bezahlen“könne. Dieser Traum vom versteckten Reichtum führte zur systematischen, aber ergebnislosen Plünderung des Kollegiums. Die Schikanen und Lösegeldforderungen häuften sich. Mehrmals wurden Dillinger Jesuiten arretiert und ins protestantische Lauingen gebracht. Die schwedische Besetzung dauerte zwei Jahre und führte zu so großer Not, dass Stadtpfarrer Dr. Sixtus Fischer die Stadt als ein „Hunger- und Durstland“apostrophiert. 1634 waren in der Stadt 130 Häuser unbewohnt oder zerstört. Vier Fünftel der Bevölkerung in Dillingen und Umland überlebten die schwedische Besatzung nicht.
1646 musste sich Dillingen massiv an der Versorgung der französischen Garnison in Lauingen beteiligen. Und im letzten Kriegsjahr wurden in Dillingen bayerische Regimenter stationiert, die nach der Bewertung von Ansbacher „keinen besseren Eindruck hinterließen als die früheren Feinde“. Aufatmen konnte die Bevölkerung Dillingens erst 1650, als die Schweden das gesamte Hochstift räumten.
Der Referent wies aber auch darauf hin, dass während der Schwedenherrschaft keine Dillinger Kirche – mit Ausnahme der Hofkapelle“– geplündert wurde. Das kirchliche Leben der Stadt wurde nicht eingeschränkt. „An keinem einzigen Tag entfiel der katholische Gottesdienst.“Aber die Angst und die tatsächlichen Leiden der Bürgerschaft verdeutlicht bis heute der Kinderreim „Kindlein, Kindlein, bet! / Morgen kommt der Schwed.“