Klassik und Romantik in perfekter Form
Konzert mit einem „klang-lokal“-Trio im Höchstädter Schloss
Dillingen Wer Lust hatte, konnte sich vor Veranstaltungsbeginn an Texttafeln über die große Zeit des Höchstädter Schlosses informieren. Aber schon die ersten Takte des Konzerts ließen ahnen, dass Höchstädt mit dem Projekt „Gassenhauer“eine neue musikalische Sternstunde erlebte.
Viele Musikfreunde werden den sommerlichen Abend wohl in Biergärten verbracht haben. Der überschaubaren Zahl von Konzertbesuchern aber vermittelte das Trio Stefanie Faber (Klarinette), Michael Bosch (Cello) und Fedele Antonicelli (Klavier) zwei beglückende Stunden. Musikalische Präzision verband sich mit bewundernswerter Umsetzung epochentypischer Ausdrucksformen, romantische Verklärung kontrastierte wirkungsvoll mit Beethovens Temperament.
Bei so viel Kunst und Virtuosität erwies sich der Veranstaltungstitel „Gassenhauer“allerdings als Irreführung. Wie Fedele Antonicelli in seiner Moderation zum Auftakt des „klang.lokal“-Konzertabends erläuterte, bezog sich der Begriff allein auf den dritten Satz in Beethovens B-Dur-Trio op. 11. Dort wird ein Thema aus der Oper „L’amor marinaro“/ „Der Korsar aus Liebe“von Joseph Weigl aufgegriffen, das in der Entstehungszeit des Trios ein Wiener Hit war. Stefanie Faber, geboren 1988 in Heidenheim, Michael Bosch, geboren 1992 in Heidenheim, und der italienische Pianist Fedele Antonicelli intonierten die ersten Takte des Allegrettos wie Weckrufe und verdeutlichten in diesem ersten Satz die markanten Germanismen in der Tonsprache Beethovens. In brillanter Koordination machten die drei Instrumentalisten deutlich, dass künstlerische Produktion in der Klassik nicht nur von Sehnsucht nach Erhabenheit und Größe, sondern oftmals von der Lust am vertrackten Spiel angetrieben wird. Bei der Ausdeutung des Adagios im zweiten Satz gab Michael Bosch seinem Cello Gelegenheit, der schwelgerische Gefühlsseligkeit anbrechender Romantik in Beethovens Werk perfekten Ausdruck zu verleihen und die weiteren Instrumente im Nachsatz zu einem verklärten Bekenntnis harmonischer Gemeinsamkeit einzuladen. Im „Gassenhauer“-Teil des dritten Satzes vereinigen sich die Stimmen von Klavier, Cello und Klarinette zu polyfonen Jubelschreien, in die sich sogar der Schlag der Uhr auf dem Schlossturm störungsfrei einfügte.
Paul Juons Miniaturen op. 18 erwiesen sich angesichts so ausgereifter Interpretationskunst als ein Werk der Überraschungen. Das musizierende Trio betonte kenntnisreich den spätromantischen und russischen Einschlag des Werks. Das zeigte sich vor allem im russischen Tanz mit ständiger Steigerung bis zum radikalen Gefühlsüberschwang. Im dritten Satz konnte Stefanie Fabers Klarinette mit wunderbarem Sentiment russische Schwermut schildern. Und beim abschließenden „Danse phantastique“zeigte vor allem Fedele Antonicelli am Klavier, wie ein Walzer von Accelerandi und Ritardandi, von Taktverschiebungen und Synkopen lebt, wenn er von russischem Geist durchdrungen ist. „Lieben Sie Brahms?“, fragte einst Françoise Sagan. Die Besucher des Höchstädter Schlosskonzerts werden keine Mühe gehabt haben, mit „Ja!“zu antworten. Denn das „klang.lokal“-Trio übernahm mit werktreuer Exaktheit die Führung beim Gang durch romantische Sehnsüchte und Gefährdungen. Die Klage eines Alterswerks, die Freude an der Liedform, die Hinwendung zu gespenstischer Düsternis, aber auch die Wildheit dieser Epoche fanden schönen, fehlerfreien Ausdruck in Form romantischer „Herzensergießungen“.
Es zeigte sich, dass ein Saal nicht ausverkauft sein muss, um stürmischen Schlussbeifall zu erleben, wenn Begeisterung den Applaus steuert. In diesem Fall dankte er dem großartig zusammenspielenden Trio, aber auch Jochen Schölzel und Georg Michael Grau, den Organisatoren des Abends. Sie haben den Regionen Alb und Donau mit dem Konzertprojekt „klang.lokal“ein erstklassiges Geschenk gemacht.