Donau Zeitung

Seit 20 Jahren pflegt er seine Frau

Lieselotte Engelniede­rhammer hatte einen Schlaganfa­ll und sitzt im Rollstuhl. Ihren Mann belastet anderes mehr

- VON CORDULA HOMANN

Wittisling­en Eine schicke, weiße Kurzhaarfr­isur, hellblaue Augen, feuerrot lackierte Fingernäge­l, so sitzt Lieselotte Engelniede­rhammer am Tisch. Sie wirkt weder wie 80 noch schwer gehandicap­t, doch das täuscht. Vor genau 20 Jahren, mitten in der Nacht, hatte die damals 60-Jährige einen Schlaganfa­ll. Seitdem sitzt sie im Rollstuhl.

Auch Ehemann Ewald Engelniede­rhammer kann sich noch gut an die Nacht erinnern. Das Paar hatte einen der drei Söhne besucht, als die Frau mitten in der Nacht den Lichtschal­ter suchte, aber nicht fand. Es war ihr Mann, der Licht machte und dann sofort den Notarzt verständig­te. Erst wurde seine Frau nach Günzburg verlegt, dann nach Dillingen, zuletzt verbrachte sie 17 Wochen in Ichenhause­n. Genau in diese Zeit fiel der Renteneint­ritt ihres Mannes. „Aber bin ich ja eigentlich nicht, ich arbeite ja zu Hause weiter“, sagt er. Bis vor zwölf Jahren schaffte er die Pflege allein. Seitdem unterstütz­t ihn morgens der Sozialdien­st. Der Krautgarte­n, in dem er früher sogar Spargel zog, ist verpachtet, um den Garten kümmert sich der Mieter, ein Mal in der Woche kommt die Putzfrau. Der Tag hat einen festen Ablauf vom Kaffeetrin­ken über Zeitungles­en und Mittagesse­n bis zum Ausflug. „Ich hab einen E-Rolli, mein Mann fährt mit dem Rad, so fahren wir nach Ziertheim und zurück, wenn es das Wetter zulässt“, schildert die 80-Jährige. Der Radweg sei wunderschö­n. Regelmäßig radelt sie zu Hause weiter, auf dem elektrisch­en Heimtraine­r. Auch dabei hilft ihr Mann. Er kauft ein, kocht und schneidet das Essen. Weil seine Frau nur noch den rechten Arm bewegen kann, kann sie nicht Messer und Gabel halten. Abends kommt noch mal jemand von der Sozialstat­ion

Seit 57 Jahren sind die beiden inzwischen verheirate­t, ohne Streit, sondern immer miteinande­r, sagt sie. „Man muss halt nachgeben können“, sagt er und lacht. Ihr Haus ist bereits das zweite und weitestgeh­end selbst gebaut. Die Zimmer sind aufgeräumt. Bis in die Schubladen würde ihr Mann für penible Ordnung sorgen, verrät sie und schmunzelt. Beide versuchen so oft wie möglich rauszukomm­en. Mal zur Schwester nach Mödingen, mal zu den Söhnen. Fünf Enkel gehören inzwischen dazu. „Auf die Familie wartet man immer gern“, sagt die gebürtige Bergheimer­in. Schon springt ihr Mann auf und holt das große Familienfo­to, das die Kinder seiner Frau zum 80. geschenkt hat- ten. „Meine Enkelin hat mit ihrer Mutter ein Ständchen vorgetrage­n“, sagt Lieselotte Engelniede­rhammer mit leuchtende­n Augen. 40 Jahre lang war sie selbststän­dige Damenschne­iderin, erzählt sie und blickt auf ihre linke, gelähmte Hand. „Was hat diese Hand gearbeitet. Jetzt liegt sie da und kann nichts.“

Damit dem Paar nicht die Decke auf den Kopf fällt, ist es viel draußen. Doch Ausflüge sind nicht einfach. Zuerst beantragte Ewald Engelniede­rhammer einen Schwenksit­z für den Wagen. Den lehnte seine Kasse acht Tage später ab. Auf seine Nachfrage habe er eine freche Antwort kassiert, erzählt der 81-Jährige. Da rief er den Chef an. Wenige Minuten später hatte er die Zusage, der Sitz wurde bezahlt. Seit einigen Jahren geht das Paar regelmäßig zu einer Badekur nach Füssing, ein Teil davon wird erstattet. Die 80-Jährige freut sich jedes Mal auf die drei Wochen. Doch nun hieß es, solche Kuren gibt es nicht mehr. Doch der Wittisling­er, ausgezeich­net mit der bayerische­n Pflegemeda­ille, gab nicht auf: „Das zeigen Sie mir mal, wo das steht“, sagte er zu dem zuständige­n Mitarbeite­r. Es stand nirgends. Die Kur wurde wieder genehmigt. Auf einer Reha für pflegende Angehörige erfuhr der gelernte Maurer dann von Leichtmeta­llrollstüh­len. Die wären leichter zu bewegen, kosten aber mehr. Also hat das Paar keinen. Ansonsten gibt Engelniede­rhammer, der in Giengen bei den Stadtwerke­n berufstäti­g war, nie auf. Als er die Befreiung der GEZ-Gebühr beantragte, weil seine Frau zu über 80 Prozent behindert ist, wurde das abgelehnt. Der Rentner legte Widerspruc­h ein, ging zum Sozialverb­and VdK und wehrte alle Anrufe seitens der Versicheru­ng ab, die ihm geraten haben soll, nicht vor Gericht zu gehen. „Ich habe es angefangen, das wird durchgezog­en.“Die Verhandlun­g dauerte laut Engelniede­rhammer 15 Minuten, dann war sein Anliegen genehmigt. „Die Pflege wäre nicht so schlimm, wenn das nicht alles wäre“, sagt er. Den Rollstuhll­ift zur Haustür musste er selbst zahlen. Es gab nur einen Zuschuss. Und wer nicht so viel Rente habe und sich nicht durchsetze­n könne, sei besonders arm dran.

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Foto: Homann Das Ehepaar Ewald und Lieselotte Engelniede­rhammer aus Wittisling­en. Seit 20 Jah ren pflegt der 81 Jährige seine Ehefrau.

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