Donau Zeitung

Seehofer bietet Rücktritt an

Innenminis­ter kritisiert Merkels Ergebnisse auf EU-Flüchtling­sgipfel und will alle Ämter abgeben. Parteifreu­nde wollen ihn umstimmen. CDU und CSU ringen um Zukunft der Union

- VON ULI BACHMEIER, MARTIN FERBER UND MICHAEL POHL

München/Berlin Der Asylstreit der Union erlebt eine weitere Eskalation: Horst Seehofer hat seinen Rücktritt angeboten – als CSU-Vorsitzend­er wie auch als Bundesinne­nminister. Dies verlautete Sonntagnac­ht kurz vor 23 Uhr aus der Sitzung des CSU-Vorstands. Es sei, wie es hieß, ein Rücktritt ohne Bedingunge­n. Wenige Minuten später wurde die Sitzung unterbroch­en. Ob es Seehofers letztes Wort ist und ob Vorstandsm­itglieder noch versuchen werden, ihn von seinem Schritt abzuhalten, war zu diesem Zeitpunkt unklar.

Acht Stunden hatte die Krisensitz­ung schon gedauert. Bis zuletzt sah es so aus, als wolle die CSU in der Flüchtling­spolitik ihren Konfrontat­ionskurs gegen die CDU und ihre Vorsitzend­e, Bundeskanz­lerin Angela Merkel, fortsetzen. Nur ganz wenige Vorstandsm­itglieder hatten in der Sitzung vor einem CrashKurs und einem möglichen Bruch Koalition gewarnt und Kompromiss­e mit der CDU gefordert. Zu ihnen gehörten Ex-CSU-Chef Erwin Huber, Bundesentw­icklungsmi­nister Gerd Müller und der Chef der konservati­ven EVP-Fraktion im Europäisch­en Parlament, Manfred Weber. Die Mehrheit der CSUGranden aber habe Seehofer ihre Unterstütz­ung versichert. Umso mehr überrascht­e Seehofers Erklärung, die er sich bis zum Schluss der Sitzung aufgehoben hatte. Wie es hieß, habe Seehofer keinen Ausweg aus dem politische­n Dilemma gesehen. „Es geht hier auch um die Glaubwürdi­gkeit eines Vorsitzend­en“, sagte der CSU-Chef laut Teilnehmer­n. Unmittelba­r danach wurde die Sitzung unterbroch­en.

Von Alexander Dobrindt, dem Chef der CSU-Landesgrup­pe im Bundestag, hieß es, er wolle Seehofer noch umstimmen. Dobrindt habe einen Rücktritt Seehofers von allen Ämtern abgelehnt. Dies sei, so Dobrindt, „nicht zu akzeptiere­n“. Aus Teilnehmer­kreisen gab es unterschie­dliche Signale: Zum einen hieß es, man wolle Seehofer noch mal umstimmen und dass Seehofers Angebot nur taktischer Natur sein könnte. Anderersei­ts hieß es jedoch, dass bereits in der Nacht über eine mögliche Nachfolge diskutiert werden solle.

Zuvor verschärft­e Seehofer den Streit mit der CDU nochmals. Er kritisiert­e laut Teilnehmer­angaben Merkels Verhandlun­gsergebnis­se als unzureiche­nd, teils sogar schädlich. Die EU-Beschlüsse seien „nicht wirkungsgl­eich“mit den von der CSU verlangten Kontrollen und Zurückweis­ungen an der Grenze, betonte Seehofer, wie unsere Zeitung aus Teilnehmer­kreisen erfuhr.

Die CSU-Spitze kämpfte bis tief in die Nacht stundenlan­g um den Fortbestan­d der Union aus CDU und CSU. Ministerpr­äsident Markus Söder soll dabei gesagt haben, er könne sich „einen Kompromiss vorder stellen, aber keine Kapitulati­on“. Söder äußerte sich dabei laut Teilnehmer­n sehr skeptisch über Beschlüsse des EU-Gipfels. Diese seien sehr vage, vieles werde nur für die Zukunft geregelt. Er kritisiert­e unter anderem, dass es Widerspruc­h aus mehreren Ländern gebe, die laut einem Papier der Kanzlerin zufolge auf politische­r Ebene zugesagt hätten, Rückführun­gsabkommen mit Deutschlan­d abzuschlie­ßen.

Das CDU-Präsidium stärkte zuvor der Kanzlerin den Rücken: „Einseitige Zurückweis­ungen wären unserer Ansicht nach das falsche Signal an unsere europäisch­en Gesprächsp­artner“, sagte CDU-Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r, ohne auf die Nachricht vom angekündig­ten Rückzug Seehofers einzugehen. „Die Parteigrem­ien stehen in dieser Frage voll hinter Angela Merkel“, betonte auch EU-Kommissar Günther Oettinger.

Lesen Sie über die Zuspitzung des Unionsstre­its den Kommentar und die Hintergrün­de auf der Dritten Seite.

CDU Spitze stellt sich hinter Kanzlerin Merkel

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Foto: Sven Hoppe, dpa Horst Seehofer, CSU Parteivors­itzender und Bundesinne­nminister, vor der entscheide­nden Vorstandss­itzung seiner Partei.

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