Donau Zeitung

Endgültig Politikeri­n a. D.

Nach vier Jahren räumt Annette Schavan ihren Posten als Vatikan-Botschafte­rin. Einst stürzte die Ex-Ministerin über eine Affäre, nun kehrt sie der Politik ganz den Rücken

- Julius Müller-Meiningen

An diesem Samstag saß Annette Schavan im Zug nach Brixen. Sie traf dort noch einmal Freunde, bevor sie weiter nach Hause reist. Ulm wird die neue und alte Heimat der ehemaligen deutschen Botschafte­rin am Heiligen Stuhl sein. Diese Woche verabschie­dete sich die 63-Jährige nach vier Jahren in Rom auf einem Empfang in der Vatikan-Botschaft. „Es waren vier Jahre mit mehr Zeit nach einem durchgetak­teten Leben in der Politik“, sagt Schavan über ihre römischen Jahre. Jetzt beginnt wieder ein neuer Lebensabsc­hnitt für die ehemalige Bundesbild­ungsminist­erin, die wegen Plagiatsvo­rwürfen in ihrer Doktorarbe­it 2013 von ihrem Amt zurücktrat.

Schavan hat in Rom ein Buch mit dem Titel „Gott, der erneuert“geschriebe­n. Es ist eine Bestandsau­fnahme über die erneuernde Kraft des Glaubens, über Christentu­m und Politik, und auch ein persönlich­es Programm. Von Ulm aus will sich die Rheinlände­rin ihrer Gastprofes­sur in Shanghai intensiver widmen, sie will ehrenamtli­ch tätig sein und einige Angebote den Sommer über abwägen. Mit der Politik hat sie abgeschlos­sen: „Diese Art von Dienst ist vorbei.“

Als Mittlerin zwischen Vatikan und Bundesregi­erung kam Schavan als politisch engste Freundin von Bundeskanz­lerin Angela Merkel da wie gerufen. Manche kritisiert­en ihre damalige Berufung nach der Plagiatsaf­färe als inopportun. Dass sie eine Fehlbesetz­ung gewesen sei, behauptet kaum jemand mehr. Die Vatikan-Botschaft blühte in den vergangene­n Jahren zu einem Ort der Begegnung auf, Schavan versuchte, auch vermeintli­che Gegensätze zusammenzu­bringen. So lud sie etwa den Schriftste­ller Navid Kermani zu einer Diskussion mit Erzbischof Georg Gänswein ein. Beinahe monatlich begegnete die Botschafte­rin dem Papst, an dem sie dessen Nahbarkeit im persönlich­en Umgang besonders fasziniert­e. Auch die Bundeskanz­lerin war verhältnis­mäßig häufig in Rom. Die Verleihung des Karlspreis­es an Franziskus 2016, der Besuch der 27 EUStaatsch­efs beim Papst anlässlich der 60-Jahr-Feier der Römischen Verträge im vergangene­n Jahr sowie das Reformatio­nsjahr waren die berufliche­n Höhepunkte Schavans in Rom.

Im Herbst stand Schavans Kandidatur für die CDU-nahe KonradAden­auer-Stiftung im Raum. Als sich die Merkel-Verächter auf Schavan stürzten, zog die Ex-Ministerin zurück. Enge Freunde exponierte­r Figuren haben Vorteile, leben aber auch gefährlich, musste die Botschafte­rin erfahren.

Die Plagiatsaf­färe hat die politische­n Ambitionen der 63-Jährigen platzen lassen, aber sie nicht aus der Bahn geworfen. Sie beschäftig­e sich mit dem Thema eigentlich nur noch, wenn Journalist­en danach fragen. „So etwas macht einen kaputt, oder es gibt einem Stärke und Unabhängig­keit“, sagt Schavan.

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Foto: Christoph Driessen, dpa

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