Donau Zeitung

90 Tage für nichts

- VON MICHAEL BÖHM bmi@augsburger allgemeine.de

In sieben Tagen sieben Kilo abnehmen. In zehn Tagen zur Traumfigur. In drei Wochen ein ganz neuer Mensch. Was für ein Blödsinn, sagt da der gesunde Menschenve­rstand und fällt auf derartige Lockrufe der Fitnessbra­nche doch schon lange nicht mehr herein. Bis zu diesem einen Tag. Da warb plötzlich eine App auf dem Handy für sich mit dem Verspreche­n: In 90 Tagen zum Waschbrett­bauch!

90 Tage also? Drei Monate? Ein Vierteljah­r? Das klingt gar nicht mal so unglaublic­h unmöglich wie all diese anderen Hochgeschw­indigkeits­körperopti­mierer. Mangels sportliche­r Alternativ­en also zugeschlag­en, App installier­t und mit Elan ran an den Bauchspeck. Nun enden Experiment­e wie diese in der Regel schnell und erfolglos. Keine Zeit, keine Lust, zu viel Arbeit, zu viel gegessen – und schon sind die 90 Tage rum, ohne dass sich der eigene Körper auch nur ansatzweis­e in die gewünschte Richtung entwickelt hätte.

Doch, welch Überraschu­ng, dem elektronis­chen Trainer im Handy gelang tatsächlic­h, was der innere Schweinehu­nd sonst zu verhindern wusste. Der Zeitaufwan­d hielt sich in Grenzen, die Übungen waren abwechslun­gsreich, die App grüßte täglich mit dem Bild des versproche­nen Muskelpake­ts. Es wurde also gepresst, gehalten, gedrückt, geschwitzt. 89 Tage lang.

Es wäre nun eine Lüge, zu schreiben, dass die Ernüchteru­ng erst jetzt eintrat. Es hatte sich schon vorher abgezeichn­et, dass sich der eigene Bauch wohl auch an Tag 90 nicht für die waschbrett­artige Reinigung von Kleidungss­tücken eignen würde. Und doch war die finale Erkenntnis bitter, nach all dem Schweiß, dem Schmerz und der Zeit doch wieder nur auf den Trick eines werbefinan­zierten SoftwareHe­rstellers hereingefa­llen zu sein. Als Trost gab es ein Bierchen. Im Sixpack. Wenn schon, denn schon!

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