Gewinn aus der WM-Niederlage
Deutschlands WM-Niederlage hat in allen Bevölkerungskreisen tiefe Trauer ausgelöst. Da ist es an der Zeit, darauf hinzuweisen, dass manchmal sogar in Katastrophen etwas Tröstliches enthalten ist. Wer früher seinen Wortschatz erweitern wollte, musste viel lesen. Heute genügt es, viel Fußball anzusehen. Denn die WM-Übertragungen im Fernsehen haben unsere Sprache bereichert.
Wenn Deutschlands Dichter das Wort „Räume“zu Papier brachten, fügten sie fast immer das Reimwort „Träume“in die nächste Zeile ein. Was für eine Einfalt! Viel fantasiereicher ging es bei der WM in Russland zu. Schlug Joshua Kimmich einen Pass in Richtung Thomas Müller, wurden wir belehrt, dass dieser Spieler „neue Räume öffnet“, die vorher verschlossen waren. Und ausgeschieden sind wir, weil unsere Mannschaft dem Gegner „zu viel Räume“überlassen hat.
Auch den Begriff „Körpersprache“hat das Reporterdeutsch gewaltig aufgestuft. Sobald Manuel Neuer die anhaltenden Schwächephasen seiner Elf mit düsterem Blick und Griff an die Latte verfolgte, wurde uns mitgeteilt, dass noch nicht alles verloren sei. Immerhin stimme die Körpersprache des deutschen Torwarts.
Trotz des Sprachgewinns werden wir Mühe haben, den Fußballsport bald wieder so positiv zu sehen wie der Dichter Joachim Ringelnatz. Er konnte noch gut gelaunt den Satz niederschreiben: „Jeder Sport ist plus. / Und mit etwas Geist dahinter / wird er zum Genuss.“