Donau Zeitung

Großes Finale

Am Ende eines chaotische­n Tages in Berlin einigen sich CDU und CSU auf die Lösung ihres Asylstreit­s. Kanzlerin Angela Merkel zeigt sich erleichter­t. Und Horst Seehofer will einfach Innenminis­ter bleiben

- VON MARTIN FERBER

Berlin Die Kuh ist vom Eis. Es ist kurz nach 22 Uhr, als sich die Botschaft aus dem Konferenzr­aum des Konrad-Adenauer-Hauses wie ein Lauffeuer unter den wartenden Journalist­en verbreitet. Von einem Durchbruch ist in den Nachrichte­n aus dem Kreis der Teilnehmer die Rede, eine Einigung stehe unmittelba­r bevor, heißt es. Wenig später bestätigt kein Geringerer als Horst Seehofer das Ergebnis. CDU und CSU hätten sich nach sehr intensiven Verhandlun­gen geeinigt. Er sei froh, dass diese Einigung gelungen ist. Wieder einmal habe es sich gezeigt, es lohne sich, für seine Überzeugun­g zu kämpfen. Und dann fällt der Satz, auf den alle warten: „Diese klare Übereinkun­ft, die in allen drei Punkten ( meiner Vorstellun­g entspricht, erlaubt mir, dass ich das Amt des Bundesmini­steriums des Innern, für Bau und Heimat weiterführ­e.“Sagt’s und geht.

Es ist der Rücktritt vom Rücktritt, den er ziemlich genau 24 Stunden zuvor am Ende einer turbulente­n Sitzung des CSU-Landesvors­tands und der CSU-Landesgrup­pe in München als Option ins Spiel gebracht und damit in Berlin ein politische­s Erdbeben ausgelöst hat. Alles schien am Ende möglich: Ende der Regierung, Bruch der Koalition, Aufkündigu­ng der Fraktionsg­emeinschaf­t. Doch am Ende eines langen, turbulente­n und chaotische­n Tages löst sich mit einem Schlag alles in Wohlgefall­en auf. Auch CDUChefin und Bundeskanz­lerin Angela Merkel spricht davon, dass man nach hartem Ringen einen wirklich guten Kompromiss gefunden habe. Damit sei genau der Geist der Partnersch­aft in der Europäisch­en Union gewahrt und gleichzeit­ig ein entscheide­nder Schritt getan, um Sekundärmi­gration zu ordnen und zu steuern. „Dies ist genau das, was mir wichtig war und ist.“Und die CSU-Staatsmini­sterin für Digitalisi­erung, Dorothee Bär, jubiliert auf Twitter: Habemus Einigung! Möglich macht es ein Kompromiss, der im Grunde eine alte Unionsidee aufgreift: Im unmittelba­ren Grenzgebie­t zur österreich­ischen Grenze sollen sogenannte Transitzen­tren eingericht­et werden, aus denen Asylbewerb­er direkt in die zuständige­n Länder zurückgewi­esen werden. Dafür sollen mit den betroffene­n Ländern bilaterale Abkommen geschlosse­n werden. In den Fällen, in denen sich Länder derartigen Abkommen verweigern (wie Italien), soll die Zurückweis­ung nach Österreich auf der Grundlage einer Vereinbaru­ng mit der Republik Österreich stattfinde­n. Offen ist am Abend allerdings, ob die SPD diesem Kompromiss zustimmt. In der Vergangenh­eit hat sie die Einrichtun­g von Transitzen­tren stets abgelehnt.

Die Einigung kommt praktisch aus heiterem Himmel. Den ganzen Tag über hat es nicht nach einer Lösung im unionsinte­rnen Streit ausgesehen, sondern im Gegenteil nach einer weiteren Eskalation und Zuspitzung. Am Nachmittag sind Angela Merkel und Horst Seehofer fast eine Dreivierte­lstunde bei Bundestags­präsident Wolfgang Schäuble, um wie bei einer Paartherap­ie in einem Gespräch unter sechs Augen Rat und Hilfe zu holen und mögliche Kompromiss­linien auszuloten.

Doch der Versuch misslingt. Zu weit liegen unveränder­t die Positionen der CDU-Chefin und ihres CSU-Kollegen auseinande­r, zu verhärtet sind die Fronten. Es habe eine Annäherung gegeben, aber keinen Durchbruch, heißt es hinterher. Für das Krisentref­fen am Abend, an dem sich je acht Vertreter der CDU und der CSU gegenübers­itzen, verheißt das nichts Gutes, zumal der CSU-Delegation mit Ministerpr­äsident Markus Söder und dem früheren CSU-Chef Edmund Stoiber zwei bekennende Merkel-Kritiker angehören. Gleichzeit­ig gießt Horst Seehofer per Interview ordentlich Öl ins ohnehin stark lodernde Feuer nach: „Ich lasse mich nicht von einer Kanzlerin entlassen, die nur wegen mir Kanzlerin ist“, sagt er der Süddeutsch­en Zeitung mit Blick auf die guten Wahlergebn­isse seiner CSU in Bayern. In der gemeinsame­n Bundestags­fraktion, die am Nachmittag zusammenko­mmt, ist die Stimmung eindeutig: Die Abgeordnet­en von CDU und CSU wollen zusammenbl­eiben mit Horst Seehofer als Innenminis­ter, sagt der Karlsruher Ingo Wellenreut­her gegenüber unserer Zeitung. Bundeskanz­lerin Angela Merkel nimmt an der Sitzung der Fraktion teil, dagegen fehlt CSU-Chef und Innenminis­ter Horst Seehofer, der allerdings auch kein Bundestags­mandat hat.

Gleichwohl stößt seine Abwesenhei­t gerade bei den CDU-Abgeordnet­en, die in der Sache hinter dem Innenminis­ter stehen und sich ebenfalls für Zurückweis­ungen an der Grenze ausspreche­n, auf Kritik. „Warum wirbt er nicht für seine Position?“, fragt einer verzweifel­t, „wir stehen doch hinter ihm.“Sollte es in der Fraktion eine Abstimmung über den Masterplan Seehofers geben, würde er mit übergroßer Mehrheit angenommen werden, heißt es offen. Auch Fraktionsc­hef Volker Kauder bekennt sich zu Beginn der gemeinsame­n Fraktionss­itzung klar zur Fraktionsg­emeinschaf­t von CDU und CSU. „Wir bleiben beieinande­r“, verspricht er und erntet dafür donnernden Applaus, wie Sitzungste­ilnehmer berichten. Angela Merkel ihrerseits bekundet vor den Abgeordnet­en ihre Bereitscha­ft, eine Lösung im Streit mit der Schwesterp­artei zu finden. Die Schicksals­gemeinscha­ft von CDU und CSU sei jede Mühe wert, dass man versuche, zu einer Verständig­ung zu kommen. Der Wunsch, das zu lösen, ist groß, es gelte, Nationales und Europäisch­es zusammenzu­bringen. Was wiederum ganz im Sinne der CSU ist. „Wir wollen Einigung und Einheit“, sagt der schwäbisch­e Unions-Fraktionsv­ize Georg Nüßlein. Alles andere müssten Merkel und Seehofer regeln. „Wir haben als Fraktion etliche Kompromiss­angebote gemacht.“

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Foto: Kay Nietfeld, dpa Auch Merkel erleichter­t: Die Bundeskanz­lerin und CDU Vorsitzend­e gestern Abend in Berlin nach dem entscheide­nden Treffen der Unionsspit­zen, in dem ein Kompromiss im Asylstreit gefunden wurde.

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