Donau Zeitung

Das kann einen glatt von de Pinne gongen

- VON ANDREAS KORNES ako@augsburger allgemeine.de

Manchmal knallt und scheppert es auch heute noch in der Berichters­tattung über ein Fußballspi­el. Granaten werden abgefeuert, Verteidigu­ngsringe gebildet. Und während Gerd Müller still dem Vergessen anheimfäll­t, bleibt er für immer unser Bomber der Nation. Fußball, von Freunden des Rhönradspo­rts einst als Fußlümmele­i gescholten, stammt aus einem gröberen Umfeld. Er startete seinen Siegeszug auf der Straße.

Beispielge­bend ist ein Spielberic­ht aus den 1950ern, veröffentl­icht in einer Lokalzeitu­ng des Ruhrpotts über ein Schalke-Spiel. Genüsslich zitiert der Germanist Siegbert A. Warwitz in einer Sprachstud­ie daraus: „Szepan fischte dat Ei aus dem Gemassel und gurkte die Flemme gegen den Kistendeck­el. Sie gongte zurück gegen Tilkowskis Birne und mit Akrobatenz­ieher (p)flanzte Kuzorra die (P)flaume in die Maschen. Den Klodt riß dat glatt von de Pinne.“

Seitdem dieses Dokument der Fußballges­chichte gedruckt wurde, hat sich einiges getan. Aus dem Straßenspo­rt wurde ein Hochglanzm­illiardeng­eschäft. Mit Gebolze auf der Straße hat das nicht mehr viel zu tun. Heute ersinnen Marketings­trategen Kampagnen, deren Inhalt ähnlich geheimnisv­oll daherkommt wie der oben zitierte Spielberic­ht. „Best never rest“(die Besten ruhen nie) überschrie­b ein Autoherste­ller seine teuer erkaufte Werbung mit der Nationalma­nnschaft. Die Realität ließ davon nur „rest“übrig. Bundestrai­ner Joachim Löw warb für einen Bauzuliefe­rer mit dem Slogan „Zu Hause ist, sich grenzenlos wohlzufühl­en.“Noch Fragen?

Beruhigend zu sehen, dass sich der Fußball nicht darum schert, was ihm Werbespezi­alisten aufbürden. Da scheiden tatsächlic­h Teams aus, deren Sponsoren ganz anders kalkuliert hatten, was die Dauer ihrer öffentlich­en Präsenz betrifft. Es gibt keine Großen mehr, schreibt Milan Sako auf unserer ersten Seite. Die Kleinen mucken auf. Und sie feiern ausgelasse­n.

So ausgelasse­n, dass es im Falle Russlands einen blitzkrieg­artigen Rückfall in alte Sprach- und Denkmuster gab. Ein Sprecher des Kremls verkündete nach dem Triumph gegen Spanien im Elfmetersc­hießen, die anschließe­nden Feierlichk­eiten hätten ihn an die Berichte vom 9. Mai 1945 erinnert. Der Independen­t titelte „Solch einen Triumph hat Russland seit 1945 nicht erlebt“. Den Sieg gegen Nazi-Deutschlan­d (Krieg) und den Sieg gegen Spanien (Fußball) in einen Topf zu werfen ist sicherlich dem Überschwan­g der Gefühle geschuldet. Das kann einen glatt von de Pinne gongen. Aber egal: Denn ob Mailand oder Madrid – Hauptsache Italien. Es lebe die (P)flaume.

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