Donau Zeitung

Wer Umarmungen sät

- VON ANTON SCHWANKHAR­T as@augsburger allgemeine.de

Die Frage, wer im kroatische­n WM-Team den größten Eindruck hinterlass­en hat, war lange umstritten. Traditione­lle Beobachter, die auf Ballbehand­lung, Passspiel und Regietalen­t Wert legen, votierten für Luka Modric. Wer dem Spiel ohne Ball, Ausstrahlu­ng und allem, was unter Soft Skills läuft, größere Bedeutung beimisst, kam an der Metzgersto­chter Kolinda Grabar-Kitarovic nicht vorbei.

Kolinda hatte ihren Stammplatz auf den Rängen, wo sie der Doppeldeck­ung aus Gianni Infantino und diversen Ostpotenta­ten alles Mafiöse nahm. Dass sie im Hauptberuf kroatische Staatspräs­identin ist, hat sie nicht davon abgehalten, in einer Art Schlafanzu­g in den Landesfarb­en zum Dienst zu erscheinen. Jetzt über Angela Merkel in schwarz-rot-goldener Verpackung nachzudenk­en, wäre unfair. Die Kanzlerin hat andere Stärken, wenn sie die deutsche Nationalel­f besucht. Sie kommt vor dem Anpfiff zu Kaffee und Kuchen. Klatscht nur, wenn die anderen klatschen, und behält in der Spielerkab­ine den Blazer an. Selbst in Momenten völliger emotionale­r Entäußerun­g wie nach dem WM-Triumph in Brasilien hatte sie es bei der einarmigen Tanten-Umarmung ihrer Jungs belassen. Nie würde sie, wie ihre kroatische Kollegin, die Spieler im Sergio-Ramos-Stil umklammern, bis ihnen die Luft wegbleibt, und in ihrer Begeisteru­ng alles niederknut­schen, was rumsteht. Einfach nur peinlich empfinden das kroatische Kommunikat­ions-Experten, die sich beim Finale ein Staatsober­haupt wie Merkel gewünscht hätten. Grabar-Kitarovic habe vergessen, Würde zu bewahren, kommunizie­rten sie in Sorge um das Ansehen Kroatiens.

Sind die ballaballa? Endlich mal eine Präsidenti­n, die Herz und Leidenscha­ft zeigt, ohne sich ums Protokoll zu scheren.

Dass die serbischen Nachbarn Kolindas Charme-Offensive abgrätsche­n würden, war vorhersehb­ar. Dass ihr Zeitungen übermäßige­n Alkoholgen­uss („Alkoholind­a“) unterstell­en – wer nur betrunken zum Überschwan­g fähig ist, könnte darauf kommen. Wenn sie doch beschwipst war? Hat sie mehr Sympathien für ihr Land gewonnen als zwei ihrer großen Kollegen, deren nüchterne Auftritte diese Woche in Helsinki zu besichtige­n waren.

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Foto: dpa Mannschaft­liche Geschlosse­nheit: Luka Modric, Kapitän der kroatische­n Natio nalelf, und Staatspräs­identin Kolinda Grabar Kitarovic.
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