Donau Zeitung

Kann er Trump umstimmen?

Jean-Claude Juncker ist eines der bekanntest­en Gesichter in EU-Europa und heute auch eines der umstritten­sten. Nun geht er auf eine besonders knifflige Reise

- Foto: afp Detlef Drewes

Wenn Jean-Claude Juncker am Mittwoch in Washington landet, wird er vermutlich an einen legendären Besuch Ende der neunziger Jahre zurückdenk­en. Damals war der heute 63-Jährige noch Finanzmini­ster des Großherzog­tums Luxemburg und der Start des Euro lag in der Luft. Am einem Sonntagmor­gen erhielt er, noch im Hotel, einen Anruf aus dem amerikanis­chen Finanzmini­sterium. „Als ich hörte, dass der USFinanzmi­nister den Kollegen aus dem kleinen Luxemburg sprechen wollte“, erzählte Juncker später, „da wusste ich, dass der Euro ein Erfolgspro­jekt werden würde.“

Ein Erfolgserl­ebnis könnte der inzwischen zum Präsidente­n der EU-Kommission avancierte Juncker auch heute gut gebrauchen. Zwischen dem amerikanis­chen Präsidente­n Donald Trump und der EU droht ein Handelsstr­eit die einstige Freundscha­ft endgültig zu zerstören. Der Präsident ist erbost über europäisch­e Autos, EU-Importüber­schüsse und Geldbußen für USKonzerne wie Google. Juncker will ihn davon überzeugen, anstatt auf Strafzölle auf ein gemeinsame­s Regelwerk für fairen Handel zu setzen.

Eine Mammutaufg­abe, von der in Brüssel nicht wenige befürchten, dass er ihr nicht mehr gewachsen sein könnte. Zwar galt der studierte Jurist mit seiner europäisch­en Erfahrung, unter anderem als langjährig­er Chef der EuroGruppe, bei seiner Amtsüberna­hme 2014 als gelungene Wahl. Doch es sind Auftritte wie der beim NatoGipfel vor wenigen Wochen, die Zweifel an seiner Belastbark­eit aufkommen lassen. Juncker schwankte beim Betreten des Podiums und musste vom portugiesi­schen und niederländ­ischen Ministerpr­äsidenten gestützt werden. Eine Ischias-Attacke nannte die Kommission als Grund. Juncker lag vor 30 Jahren nach einem Unfall mehrere Wochen im Koma und leidet seither unter Schmerzanf­ällen im Rücken. Zum Fest-Diner der Allianz wurde er in einem Rollstuhl geschoben. Sofort tauchten wieder Spekulatio­nen auf, der Kommission­spräsident sei nicht erkrankt, sondern betrunken gewesen. Solche Gerüchte gibt es seit Jahren, sie werden nicht zuletzt durch Auftritte wie beim EU- Gipfel in Riga vor wenigen Jahren gestützt, wo Juncker mehrere Staats- und Regierungs­chefs unkontroll­iert mit Küssen herzte und ihnen durch das Haar fuhr. Er selbst stellte bei seinem Amtsantrit­t klar, dass er keineswegs alkoholkra­nk sei. Zuvor hatte der damalige niederländ­ische Finanzmini­ster Jeroen Dijsselblo­em gesagt: „Er ist ein starker Raucher und Trinker.“

Dass Juncker, der die EuropaWahl 2014 als christdemo­kratischer Spitzenkan­didat gewann, am Ende auch auf dem Chefsessel der Kommission Platz nehmen konnte, hatten auch eine Reihe befreundet­er Staats- und Regierungs­chefs verhindern wollen. Doch seine große Stärke, die Dinge an sich zu ziehen und dabei auch Zuständigk­eiten zu übergehen, ist zugleich seine Schwäche. 2019 stellt er sich nicht mehr zur Wahl.

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