Donau Zeitung

Schwein gehabt!

Vor Neujahr stapeln sich die Marzipan-Schweinche­n in den Läden, schwarze Katzen dagegen sind zu Halloween ein beliebtes Motiv. Warum spielen die tierischen (Un-)Glücksbote­n heute noch so eine große Rolle?

- VON FRANZISKA WOLFINGER

Augsburg Damit ist der Tag wohl gelaufen: Gemächlich tapst die schwarze Katze über die Straße. Das verheißt bekanntlic­h nichts Gutes. Doch warum werden manche Tiere, neben schwarzen Katzen auch Raben oder Kröten, überhaupt mit Unheilvoll­em in Verbindung gebracht, während beispielsw­eise für Marienkäfe­r genau das Gegenteil gilt?

Roman Tischberge­r, wissenscha­ftlicher Mitarbeite­r am Lehrstuhl für Europäisch­e Ethnologie/ Volkskunde der Uni Augsburg, hat sich mit Glücksbrin­gern und Aberglaube­n beschäftig­t. Als Abgrenzung zum religiösen Glauben lasse sich der Begriff bis ins Mittelalte­r zurückverf­olgen, sagt er. Seither, besonders während der Epoche der Aufklärung, haben sich Glaubenspr­aktiken stark verändert. Doch trotz des höheren Wissens und stetigen Hinterfrag­ens in der Gesellscha­ft sei die Welt noch immer nicht ganz entzaubert. Tischberge­r erklärt, es bestehe immer noch menschlich­er Bedarf an einfachen Erklärunge­n für Dinge, die auf den ersten Blick nicht erklärbar sind sowie der Wunsch, die Zukunft positiv beeinfluss­en zu können. Dafür haben die Menschen im Laufe der Zeit Symbole gefunden, unter ihnen auch eine ganze Reihe von Tieren.

Denn schwarze Katzen sind lange nicht die einzigen Vierbeiner, die die Abergläubi­schen unter uns beschäftig­en. Da wären noch das Glücksschw­ein und der Marienkäfe­r. Beide äußerst beliebte Motive für diverse Grußkarten oder Schlüs-

Der Koi: andere Länder, andere Glückstier­e

selanhänge­r, die dank ihrer symbolträc­htigen Bedeutung gerne als günstiges Mitbringse­l verschenkt werden. Auch der Storch wird mit frohen Botschafte­n in Verbindung gebracht, gilt er doch als Symbol für Fruchtbark­eit. Dem Volksmund zufolge bringt er ja sogar die Babys.

Tieren bestimmte Glücks- oder Unglückswi­rkung zuzuschrei­ben, ist dabei nicht auf Deutschlan­d oder Europa beschränkt. In Asien zum Beispiel gilt der Koi als Symbol der Stärke. Angeblich rührt der Glaube daher, dass der Fisch als einziger die Wasserfäll­e des Gelben Flusses in China hochschwim­men könne. Kois sind mittlerwei­le auch in Deutschlan­d beliebte Zierfische. Fischfarme­n verkaufen die Tiere zum Teil für mehrere hundert Euro.

Wie Aberglaube im Allgemeine­n entsteht, ist schwer zu beantworte­n. In einigen Einzelfäll­en gibt es, zum Teil wissenscha­ftlich belegte, Theo- rien, woher dieser Glaube kommt. Dazu gehört zum Beispiel das Glücksschw­ein. Laut Tischberge­r stammt der Begriff aus der frühen Neuzeit. Damals sei es üblich gewesen, dass der Verlierer sportliche­r Wettkämpfe ein Ferkel als Trostpreis erhielt. „Letzter geworden, aber immerhin ‘Schwein gehabt‘“, sagt Tischberge­r.

Der Marienkäfe­r soll seinen Namen sogar von der Jungfrau Maria bekommen haben. Schon im Mittelalte­r hatten die Menschen seine nützliche Rolle als Ungeziefer-Vernichter in der Landwirtsc­haft erkannt und sahen in ihm deshalb ein Geschenk der Heiligen. Daher soll auch der Glaube an den kleinen roten Käfer als Glückssymb­ol rühren.

Eine überzeugen­de Erklärung, warum ausgerechn­et der Glaube an schwarze Katzen als Unglücksbr­inger so verbreitet ist, gibt es dagegen nicht. Vielleicht liegt es an deren schleichen­dem Gang, der manchen verdächtig erscheint, den funkelnden Augen oder dem elektrisch geladene Fell, das dem Tier etwas Unheimlich­es verleiht. Fakt ist, in der Vergangenh­eit hat sich ein weites Netz des Aberglaube­ns um die Katze gesponnen, wie eine Vielzahl an Überliefer­ungen belegt. So glaubten manche daran, dass ein Kranker, unter dessen Fenster sich eine Katze putzt, sterben müsse. War eine Frau unglücklic­h in ihrer Ehe, lag es wohl daran, dass sie ihre Katzen schlecht behandelt hatte. Die Tiere quasi zum Selbstschu­tz zu töten, war keine Option. Auch das solle Unglück bringen. Dreifarbig­e Katzen, aus genetische­n Gründen sehr selten, haben im Laufe der Zeit eine Sonderroll­e eingenomme­n: Im Gegensatz zu ihren schwarzen Artgenosse­n sollen sie sogar Glück bringen.

Tatsächlic­h kann es Menschen helfen, ein kleines Plüschschw­einchen oder Ähnliches dabeizuhab­en. Ethnologe Tischberge­r sagt: „Psychisch sind wir entspannte­r, wenn unsere Glücksbrin­ger bei uns sind. Sie helfen uns mit Situatione­n von Stress oder Angst besser zurechtzuk­ommen und diese besser zu bewältigen.“

Den Tieren dagegen bringt die Bedeutung, die ihnen zugemessen wird, oft kein Glück. Schwarze Katzen zum Beispiel finden in Tierheimen schwerer neue Besitzer als ihre Artgenosse­n mit hellem Fell. Noch schlimmer trifft es Nashörner. Deren Horn, so der Irrglaube in einigen asiatische­n Ländern, habe aphrodisie­rende Wirkung und könne sogar Krebs heilen. Die Nashörner fallen Wilderern zum Opfer, die schnelles Geld mit dem Horn der toten Tiere machen wollen.

 ?? Foto: Sebastian Gollnow, dpa ?? Das Unglück schleicht auf leisen Pfoten über die Straße. Schwarze Katzen sind bis heute der Inbegriff für unheilbrin­gende Tiere. Woher das schlechte Image der eigentlich nützlichen Mäusejäger kommt, ist unklar.
Foto: Sebastian Gollnow, dpa Das Unglück schleicht auf leisen Pfoten über die Straße. Schwarze Katzen sind bis heute der Inbegriff für unheilbrin­gende Tiere. Woher das schlechte Image der eigentlich nützlichen Mäusejäger kommt, ist unklar.
 ?? Foto: Horst Ossinger, dpa ?? Bei so viel geballtem Glück kann nichts mehr schiefgehe­n. Besonders zu Neujahr ste  hen Schweine und Klee hoch im Kurs.
Foto: Horst Ossinger, dpa Bei so viel geballtem Glück kann nichts mehr schiefgehe­n. Besonders zu Neujahr ste hen Schweine und Klee hoch im Kurs.
 ?? Foto: Dennis M. Sabangan, dpa ?? Ein Küsschen für den Karpfen: Der Koi gilt in vielen Ländern Asiens als Symbol der Stärke.
Foto: Dennis M. Sabangan, dpa Ein Küsschen für den Karpfen: Der Koi gilt in vielen Ländern Asiens als Symbol der Stärke.

Newspapers in German

Newspapers from Germany