Beschwerlicher Urlaub
Sommerferien. Ein Wort mit magischem Klang, verspricht es doch sechs Wochen Erholung, Nichtstun und Ausschlafen. Die Urlaubs-Gewaltmärsche, auf die sich viele Familien pünktlich zum Schulschluss am Freitag begeben, künden da von gänzlich anderen Tatsachen. Kaum ertönt das letzte Geläut für das nun abgeschlossene Schuljahr, schon wird der Anhang am Rucksack ins Auto gezerrt. Zwischen Koffern, Rucksäcken, Brettspielen und Kühlboxen mit Fressalien eingequetscht, schleicht sich erste Sehnsucht an das Klassenzimmer ins Herz der lieben Kleinen. Wo immer es auch hingeht, die Qualen sind stets die gleichen: Mit zigtausenden sich auf der A92 zum Flughafen quälend oder auf der A7 in einer zwanzigstündigen Warteschleife direkt aus dem Vorhof der Hölle (die dem Flugreisenden in der Sardinendose Flugzeug erwarten). Nichts davon ist erholsam – weder die Knie des hinteren Sitznachbarn im Rücken noch der modrig-faulige Geruch im Auto, während es sich durch den dritten Stau vor dem Brenner kämpft und die Abgase durch die Klimaanlage den Insassen den letzten Rest Verstand rauben. Intimität wird auf diesen Reisen ausgetrieben, selten scheint die Privatsphäre des Kinderzimmers verlockender. Wo im Flugzeug die Schulter vom Nebenmann als Kissen missbraucht und die Toilette mit Dutzenden anderen Leuten und ihren ganz eigenen Hygienevorstellungen geteilt wird, da wird der Bub im Auto – und seine Geschwister – durch das Pinkeln in die Flasche traumatisiert. Papa hat sich vorsorglich einen Katheter legen lassen und reißt die 900 Kilometer mitten hinein ins italienische Glück an einem Stück herunter. Hier darf er noch Mann sein, Kapitän seines Reiseschiffs. Schließlich gelangt der Ferienflieger mit hunderttausend anderen All-Inklusive-Touristen an die Hotelhochburgen rund ums Mittelmeer, und Kapitän Papa bringt seine Familie sicher an die zwei Quadratmeter Strand, um die sie sich die nächsten Wochen mit Landsleuten streiten werden. Angekommen, ausgepackt und an den Strand abmarschiert, haben die Ferien gerade erst begonnen. Doch das ist eine andere Geschichte.