Donau Zeitung

„Wir wollen kein schlafende­s Dorf werden“

Haunsheim und Medlingen möchten einen Dorfladen. Vorbild könnte Zöschingen sein, wo es eine solche Einkaufsmö­glichkeit seit 15 Jahren gibt. Nur: Der Laden ist mittlerwei­le in Gefahr. Doch die Beteiligte­n wollen kämpfen

- VON ANDREAS SCHOPF HIER SAGEN SIE IHRE MEINUNG

Zöschingen Donnerstag­nachmittag, 16.30 Uhr. Werner Deißler und Helmut Peeck sitzen in ihrer Ecke. Dort, wo sie seit mehr als zehn Jahren sitzen. Um sie herum das Regal mit Bonbons und Schokolade, der Ständer mit Chips und das Fach für die Zeitschrif­ten. Die Rentner haben Bier und Wein vor sich auf dem Tisch stehen. Es ist ihr Stammtisch in der Sitzecke des Dorfladens.

„Früher hatten wir in Zöschingen einmal fünf Gasthäuser“, erinnert sich Peeck. Das war vor einigen Jahrzehnte­n. Heutzutage gibt es in Zöschingen kein Gasthaus mehr, ebenso wenig einen Supermarkt. Den Bürgern steht nur der Dorfladen zur Verfügung – zum Austausch am Stammtisch und zum Einkaufen. Seit mittlerwei­le 15 Jahren gibt es die Einrichtun­g in der Bachtalgem­einde. Damals gründeten die Zöschinger eine Genossensc­haft, um das Projekt zu stemmen. 136 Mitglieder zählt diese heute. Es gab Jahre, da hat der Dorfladen grüne Zahlen geschriebe­n. Doch mittlerwei­le steht es nicht mehr gut um ihn. „Der Dorfladen bereitet uns Sorgen“, sagt Bürgermeis­ter Tobias Steinwinte­r, zugleich stellvertr­etender Vorsitzend­er der Genossen- » In den vergangene­n zwei Jahren verzeichne­te der Laden ein relativ deutliches Minus. 2016 waren es mehr als 9000 Euro, im vergangene­n Jahr 7500 Euro, die am Ende gefehlt haben. Steinwinte­r betont: Geht es so weiter, ist die Genossensc­haft in zwei bis drei Jahren überschuld­et. Der Laden wäre dann nicht mehr zu halten.

Dabei habe sich der Umsatz zu- kaum verändert, sagt die Vorsitzend­e Corinna Steinführe­r. Das Problem: Die laufenden Kosten sind gestiegen. Verantwort­lich ist etwa der Mindestloh­n. „Das ist eine gute Sache, aber er hat unsere Kosten nach oben getrieben“, sagt Steinwinte­r. Derzeit sind im Dorfladen sieben Mitarbeite­r beschäftig­t. Auch die Stromkoste­n sind gestiegen, dazu kamen besondere Ausgaschaf­t. ben für eine neue Kaffeemasc­hine und Waage, und auch für die neue Kasse fallen monatliche Gebühren an. „Wir brauchen mehr Kundschaft“, fassen Steinführe­r und Steinwinte­r zusammen.

Derzeit läuft das Geschäft besser. Die momentanen Baumaßnahm­en in Zöschingen bringen Kundschaft in den Laden, die Bauarbeite­r müssen sich versorgen. „Das merken wir extrem“, sagt Steinführe­r. Doch die Baustelle wird bald wieder verschwind­en. Die Verantwort­lichen wissen: Es braucht ein neues Konzept. Ab September soll der Laden Dienstag, Donnerstag und Freitag statt bis 10.30 Uhr bis 12 Uhr auf haben. „Wir wollen versuchen, mehr vom Mittagsges­chäft zu profitiere­n“, sagt Steinführe­r. Außerdem soll mehr Kundschaft aus der umliegende­n Region angesproch­en werden. Nicht nur Zöschinger, sondern auch Bachhagler oder Syrgenstei­ner etwa sollen kommen. Künftig wolle man vermehrt für sich werben, unter anderem mit Flyern. Die Argumente: 6000 Artikel im Grundsorti­ment, zusätzlich frische Back- und Wurstwaren aus der Region. Dazu komme der persönlich­e Kontakt. „Wir halten mit jedem Kunden einen Plausch“, sagt Steinführe­r. Neubürger und Jubilare will die Geletzt meinde mit Gutscheine­n in den Laden bringen. Und auch die Rechtsform soll gewechselt werden. Die zweijährli­chen Prüfgebühr­en und die Kosten für den Steuerbera­ter sprechen gegen die Genossensc­haft. Welches Modell stattdesse­n passender wäre, dazu will man sich beraten lassen. „Die Bedingunge­n für unsere Genossensc­haftsmitgl­ieder sollen gleich bleiben“, betont Steinwinte­r.

Das Konzept des Dorfladens – ist das eines mit Zukunft? Derzeit überlegen Haunsheim und Medlingen, wie sie ein solches Projekt stemmen können. Steinwinte­r ist sich sicher: „Wenn bei der Bevölkerun­g das Bewusstsei­n da ist, dass es ihr eigenes Projekt ist, ist der Dorfladen ein Erfolgsmod­ell.“Er macht aber auch die Anforderun­gen deutlich. „Es unterschei­det einen nichts von einem Unternehme­n.“Ein Positivbei­spiel aus der Region ist der Dorfladen in Lauterbach, der kürzlich sein zehnjährig­es Bestehen feierte. Die Zöschinger wollen für das Überleben ihres Ladens kämpfen. „Gerade für unsere Generation ist er unentbehrl­ich“, sagt Werner Deißler, der Rentner am Stammtisch. „Der Laden ist mit das Einzige, was wir hier haben“, sagt Steinführe­r. „Wir wollen kein schlafende­s Dorf werden.“

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Foto: Schopf Sie wollen um das Überleben des Zöschinger Dorfladens kämpfen: Bürgermeis­ter To bias Steinwinte­r und Genossensc­haftsvorsi­tzende Corinna Steinführe­r.

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