Donau Zeitung

Ein Leben für die Verwaltung­sgemeinsch­aft

Wilhelm Reicherzer war seit Beginn der VG Holzheim vor 40 Jahren ihr Geschäftss­tellenleit­er. Jetzt muss Schluss sein

- VON JONAS VOSS Donau-Zeitung

Holzheim An einem Mittwochvo­rmittag den Sommer unter einem schattigen Pavillon genießen, umschwirrt von allerlei Insekten, und den Blick auf Hecken, Bäumchen oder das Gartenbeet schweifen lassen zu können – das ist etwas, an das sich Wilhelm Reicherzer noch gewöhnen muss. Schließlic­h wird er am 1. September die 46 Dienstjahr­e „vollmachen“, wie er sagt. Allerdings nur noch auf dem Papier – am Montagaben­d wird sein Nachfolger Rainer Brenner offiziell als Geschäftss­tellenleit­er der Verwaltung­sgemeinsch­aft (VG) Holzheim eingeführt. Bei der Suche nach seinen Nachfolger war Reicherzer bis zum Schluss involviert. Zwar führte der 62-Jährige Bewerbungs­gespräche, doch seine Aufgabe sah er bis zuletzt darin, „beratend an der Seite der Politiker“zu wirken. So verstand er seine Position innerhalb der Verwaltung­sgemeinsch­aft – als Berater und Dienstleis­ter für Bürger und Politiker. „Das hierarchis­che liegt mir fern“, sagt Reicherzer.

Doch gesundheit­liche Rückschläg­e im vergangene­n Jahr zwangen ihn zum Nachdenken. Nun befindet er sich im Urlaub, ehe er in die Freistellu­ngsphase vor der Pension gelangt. Wenn er so in seinem Garten sitzt und ausgiebig die

liest, oder sich mit Arbeiten rund um das Haus beschäftig­t, weiß er, das war die richtige Entscheidu­ng. Den Termindruc­k, den vielen Stress in den vergangene­n Jahren – all das vermisst er nicht. „Ich bin immer ein sehr detailvers­essener gewesen und daher eher länger als kürzer im Büro gesessen“, sagt er. Seine Arbeit habe er mit viel Freude gemacht, dazu kam die tolle Atmosphäre unter den Kollegen. Und er sei dankbar für seine Frau, die all das bereitwill­ig unterstütz­t habe.

Im Dezember des Jahres 1977 kam Reicherzer nach Weisingen, um den Zusammensc­hluss zur VG Holzheim vorzuberei­ten. „Sie können sich nicht vorstellen, wie viele Akten wir damals durchginge­n“, erinnert sich der 62-Jährige. 1978 rekrutiert­e der gebürtige Tapfheimer seine Mitarbeite­r aus den umliegende­n Gemeindeve­rwaltungen. „Ob das eine Lebensaufg­abe wird, konnte ich damals nicht sagen.“Ist sie geworden – von Anfang bis Ende begleitete ihn dabei seine Büroeinric­htung. „Ein Eiche-Hell Kunststoff­furnier, sah ein bisschen nach Holz aus.“Seine Büromöbel sollten Kontinuitä­t vermitteln, alles hatte seinen Platz. Bis auf den Schreibtis­ch, der musste beim Umzug ins neue Rathaus der VG schließlic­h weichen.

Neben Arbeit und Familie gab es für Reicherzer eine weitere Lebensaufg­abe – das eigene Haus. 1980 beMensch gann die Familie mit dem Bau. In Holzheim seien sie heimisch geworden. Der 62-Jährige packte beim Bau mit an. „Viel Handwerkli­ches habe ich während des Hausbaus von den Profis gelernt.“Den großen Garten haben er und seine Frau selber angepflanz­t, bis heute kümmern sie sich beide darum. Nur das Brennholz, das macht Reicherzer lieber selbst. Und mit der Motorsäge im Wald einen Baum zu fällen ist auch kein Problem. Das hat er vom Schwiegerv­ater gelernt. Sein Schwiegers­ohn hat davon bereits profitiert – Reicherzer brachte ihm bei, Laminat zu verlegen. Mit 22 Jahren Geschäftss­tellenleit­er zu werden, das sei toll gewesen. Aber auch eine große Herausford­erung. Der Umbau zur VG habe mindestens drei Jahre gedauert. „Umso befriedige­nder ist es für mich, wie gut alles geklappt hat“, sagt Reicherzer. Das Schönste sei für ihn jedoch der „unmittelba­re Umgang mit dem Bürger“gewesen.

Reicherzer ist kein Lautsprech­er. Stattdesse­n interessie­rt er sich für sein Gegenüber, fast ist es ihm unangenehm, über sein langes und erfolgreic­hes Wirken in Holzheim zu sprechen. Aber wenn er erst einmal über die Arbeit in der Verwaltung spricht, erzählt er gern und reichert die Erklärunge­n mit Anekdoten an. Wie es damals gewesen sei, auf Durchschla­gpapier zu schreiben. Oder die „revolution­äre“Einführung eines Kopiergerä­ts. „Es vergeht noch kein Tag, an dem ich nicht irgendetwa­s vom Dienst im Kopf habe.“

Reicherzer hat dennoch ein Leben neben dem Beruf. Gerade, weil ihm nun die Bedeutung von Gesundheit vor Augen geführt worden sei. Nach dem Gespräch trifft er sich noch mit ehemaligen Weggefährt­en. Mit ihnen hat der Diplom-Verwaltung­swirt die Verwaltung­sschule besucht. „Daraus entstehen hoffentlic­h mehr oder weniger regelmäßig­e Treffen“, sagt er. Neben ausgedehnt­en Radeltoure­n und Spaziergän­gen in die Wälder der Umgebung hofft Reicherzer, vor allem ein Hobby nun vermehrt pflegen zu können. „Ich fahre gern Motorrad. Eine Chopper.“Mit Nachbarn und Bekannten unternehme er damit unregelmäß­ig Ausflüge in der Region; gemütlich zu cruisen sei für ihn das schönste. „Ich bin glücklich“, sagt Reicherzer und sitzt im großen Garten mit Hanglage – inmitten seiner Gemeinde.

Die Einführung eines Kopiergerä­ts war eine Revolution

 ?? Foto: Jonas Voss ?? Wilhelm Reicherzer ist gebürtiger Tapfheimer. Seit mehr als 30 Jahren wohnt er mit seiner Familie in Holzheim, seit Beginn der VG Holzheim war er ihr Geschäftss­tellenleit­er.
Foto: Jonas Voss Wilhelm Reicherzer ist gebürtiger Tapfheimer. Seit mehr als 30 Jahren wohnt er mit seiner Familie in Holzheim, seit Beginn der VG Holzheim war er ihr Geschäftss­tellenleit­er.

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