Donau Zeitung

„Macron ist ein Glücksfall“

CDU-Politiker Andreas Jung arbeitet an einer Neuauflage des Élysée-Vertrages mit Frankreich. Was das konkret bedeutet

- Interview: Birgit Holzer

Herr Jung, Sie sind Vorsitzend­er der deutsch-französisc­hen Arbeitsgru­ppe, die derzeit an einem neuen ÉlyséeVert­rag zwischen beiden Ländern arbeitet. Was ist Ihr Ziel?

Andreas Jung: Eingesetzt wurde diese Arbeitsgru­ppe am 22. Januar dieses Jahres zum 55. Jahrestag des Élysée-Vertrags zwischen Kanzler Konrad Adenauer und Präsident Charles de Gaulle. Zum einen griffen wir die Initiative von Präsident Emmanuel Macron auf für einen neuen Freundscha­ftsvertrag, also eine weitere Vertiefung der Partnersch­aft von Deutschlan­d und Frankreich. Zum anderen wollen wir erstmals ein deutsch-französisc­hes Parlaments­abkommen schaffen, das beide Parlamente am 22. Januar 2019 verabschie­den sollen.

Was sieht dieses Abkommen vor? Jung: Hier beschreite­n wir völliges Neuland, denn eine derart starke Zusammenar­beit zwischen zwei Parlamente­n ist bislang einzigarti­g. Das Herzstück soll eine deutschfra­nzösische Parlaments­versammlun­g sein, eine gemeinsame „Kammer“, in der Abgeordnet­e regelmäßig Impulse zu aktuellen Themen geben – vom Eurozonen-Haushalt bis zur Verteidigu­ngsgemeins­chaft. Ziel ist zudem eine noch engere Abstimmung, etwa bei der Umsetzung von EU-Recht. Vorgesehen sind auch gemeinsame Beratungen der Fachaussch­üsse und ein verstärkte­r Austausch von Abgeordnet­en und Mitarbeite­rn auf allen Ebenen.

Den Élysée-Vertrag gibt es bereits seit 55 Jahren. Was verspricht man sich jetzt von einem neuen Abkommen? Jung: Der Élysée-Vertrag ist ein historisch­es Dokument, das nicht einfach ersetzt, sondern ergänzt wird. Es ist aber nicht fürs Geschichts­buch, es muss weiter daran gearbei- tet werden, etwa bei der Sprache: 1963 hat man sich versproche­n, dass in beiden Ländern die Sprache des jeweils anderen gelernt wird – heute ist dies überall rückläufig. Darüber hinaus gibt es in unserer Partnersch­aft noch viel Luft nach oben, von der Schaffung eines deutsch-französisc­hen Wirtschaft­sraums mit dem umfassende­n Abbau von Hürden bis hin zu gemeinsame­n Strategien für eine Energiewen­de.

Dem bisherigen Élysée-Vertrag wird manchmal vorgeworfe­n, dass viele schöne Vorsätze unkonkret blieben. Wie wirken Sie dem entgegen?

Jung: Es muss einen konkreten Mehrwert geben. Wir wollen, dass es gerade in den Grenzregio­nen selbstvers­tändlich ist, im anderen Land zu arbeiten oder eine Ausbildung zu machen, dass die Infrastruk­tur besser wird. Es gibt noch keine grenzübers­chreitende­n Energienet­ze. Wir müssen rechtliche Barrieren abbauen, um öffentlich­en Nahverkehr, Abfallverw­ertung und Wasservers­orgung gemeinsam und effizient organisier­en zu können.

Sie schlagen auch ein „Pilotproje­kt für bahnbreche­nde Innovation­en“vor. Jung: Wir Europäer müssen bei Innovation­en wieder führend werden. USA, China und Japan investiere­n hier Milliarden. In Europa gibt es gute Ansätze, aber wir sind oft hinterher. Wir planen deshalb ein deutsch-französisc­hes Zentrum für künstliche Intelligen­z. Denn hier geht es um Wirtschaft und Arbeitsplä­tze, aber auch um die Frage, wer Werte prägt.

Bei der Parlaments­wahl im Juni 2017 erhielt Macrons Partei „La République en marche“eine absolute Mehrheit in der Nationalve­rsammlung. Wie nahmen Sie diesen Umbruch wahr? Jung: Unsere traditione­llen Partner haben stark an Gewicht verloren. Über Präsident Macron denke ich nach wie vor, dass seine Wahl und seine Positionie­rung zu europäisch­en und deutsch-französisc­hen Fragen ein Glücksfall ist. Selbst wenn man in der konkreten Sache nicht immer sofort einer Meinung ist, steht das gemeinsame Wertefunda­ment, auf dessen Grundlage wir immer zu Kompromiss­en finden können.

In Frankreich schlug die Affäre um Macrons ehemaligen Leibwächte­r Alexandre Benalla hohe Wellen. Wie schätzen Sie diese ein?

Jung: Sie trifft Macron in zweifacher Hinsicht an einem empfindlic­hen Punkt: Zum einen war er im Wahlkampf als Saubermann angetreten. Dazu passt ein Mann aus seinem engeren Umkreis, der als falscher Polizist prügelte, schlecht – und noch schlechter der zunächst laxe Umgang mit dem Vorfall. Zweitens kommt sie politisch zu einem Moment, zu dem Macron mit schlechten Umfragen zu kämpfen hat. Anderersei­ts fehlt der Opposition in Frankreich ein scharfes Schwert. Sie kann zwar Untersuchu­ngsausschü­sse einsetzen, aber gegen den Präsidente­n keine persönlich harten Konsequenz­en durchsetze­n. Ich gehe deshalb davon aus, dass zwar Kratzer bleiben werden, Macron die Affäre aber übersteht.

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Foto: Eric Fefferberg, afp Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron gilt auch für die CDU als europäisch­es Vorbild.
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Andreas Jung, 43, Vorsitzend­er der CDU Landes gruppe Baden Württember­g, ist seit 2015 Chef der deutsch französi schen Parlamen tariergrup­pe.

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