Donau Zeitung

Land der Bayern, Land der Baywa

Um die Hymne des Freistaats wird immer mal wieder tüchtig gestritten

- VON STEFAN DOSCH Mutterland“).

Wo Hymnen tönen, da scheiden sich die Geister. Kürzlich erst, in Russland bei der Fußball-WM, hat man es wieder erlebt. Wenn die Nationalhy­mne aufbrandet, singen die einen lauthals mit, Gesichter glänzen, manchmal gehen gar die Hände zu den Herzen. Andere hingegen lässt die Hymne kalt, ihre Münder und Mienen bleiben verschloss­en.

Nun interessie­rt den Bayern, so er denn ein ausgeprägt­es landsmanns­chaftliche­s Gemüt besitzt, die Nationalhy­mne eher am Rande, wichtiger ist ihm die Hymne seines Freistaats, die Bayernhymn­e. Schon vor Jahren hat ein hochrangig­es bayerische­s Kabinettsm­itglied erklärt, von allen Millionen Einwohnern Bayerns sei zu erwarten, dass sie die Hymne kennen. Und tatsächlic­h: Auch wenn die Melodie von „Gott mit dir, du Land der Bayern“recht betulich Fluren, Städte, Farben beschwört, so wird sie doch mit Inbrunst dort intoniert, wo es weißblau schlägt in der Brust. Selbst Papst Benedikt XVI. hob die Stimme, als der Hymnus anlässlich seines Bayern-Besuchs 2006 erklang.

Entstanden ist die Bayernhymn­e 1860. Vom Chordirige­nten des königliche­n Hoftheater­s, Konrad Max Kunz, stammt die Melodie, der Text von einem gewissen Michael Öchsner. Doch erst ein knappes Jahrhunder­t später erhielt dieses Bayernlied freistaatl­iche Weihen. Ein Streit war vorausgega­ngen: Da die Bayernpart­ei in der Zeit der Gründung der Bundesrepu­blik die Einglieder­ung Bayerns verhindern wollte, wurde der Dichter Joseph Maria Lutz – von ihm stammt das Brandner-Kaspar-Bühnenstüc­k – beauftragt, eine von allen Deutschlan­d-Bezügen („deutsche Erde“) bereinigte Fassung zu erstellen. Lutz lieferte eine komplett neue dritte Strophe gleich mit dazu, doch gab der Landtag 1953 der alten Öchsner-Version (in ihren ersten beiden Strophen) den Vorzug. Franz Josef Strauß bekräftigt­e das noch einmal als bayerische­r Ministerpr­äsident, nachdem sein Vorgänger Alfons Goppel offen mit der Fassung von Lutz geliebäuge­lt hatte.

Weil aber auch heute noch, wenn auch nicht bei offizielle­n Anlässen, die dritte Strophe von Lutz in vieler Munde ist, initiierte der Freistaat selbst vor ein paar Jahren einen Wettbewerb für eine neue dritte Strophe. Es gab auch einen Gewinner, drei Schüler aus Bad Tölz, doch als es letztlich zum Schwur um die Erweiterun­g der Bayernhymn­e kam, bekam der Landtag kalte Füße und lehnte ab. Ob es daran lag, dass die Wettbewerb­ssieger getextet hatten: „In der Vielfalt liegt die Zukunft, in Europas Staatenbun­d…“?

Wer der Hymne der Bayern zu nahe rückt, kann sich schnell die Finger verbrennen. Dieses Frühjahr erst wurde die Vertreteri­n einer Opposition­spartei tüchtig gestäupt für ihren Vorschlag, den alten Hymnentext doch ein wenig gendergere­cht aufzupäppe­ln („Heimaterde,

Der Klassiker in der Skandalges­chichte der Bayernhymn­e reicht freilich in das Jahr 2001 zurück, als ruchbar wurde, dass das Kultusmini­sterium eine bereits gedruckte Auflage eines Schulbuchs einstampfe­n ließ – weil es eine Hymnen-Parodie der Biermösl Blos’n enthielt.

Die hatten bereits zwei Jahrzehnte zuvor gereimt: „Gott mit dir, du Land der Baywa, deutscher Dünger aus Phosphat“.

Sie taten das übrigens ohne dass die Sittenwach­t auf den Plan getreten wäre – steht die Bayernhymn­e doch unterm Schutz des Strafgeset­zbuchs (§ 90a, Verunglimp­fung des Staates und seiner Symbole). Gut, Bayern ist auch das Land der Liberalita­s; Schülern aber wollte das Kultusmini­sterium nicht zumuten, Sätze lesen zu müssen wie: „Herrgott, bleib dahoam im Himmi, mir hom Nitrophosk­ablau“. Nitrowasbl­au? Nitrophosk­a, Kunstdünge­r. Wird in Säcken verkauft, die so blau sind wie der Himmel der Bayern.

 ?? Foto: Stadtarchi­v Pfaffenhof­en ?? Joseph Maria Lutz (Pfaffenhof­en 1893 – 1972 München), Dichter des „Brandner Kas par“als auch einer Textfassun­g der Bayernhymn­e.
Foto: Stadtarchi­v Pfaffenhof­en Joseph Maria Lutz (Pfaffenhof­en 1893 – 1972 München), Dichter des „Brandner Kas par“als auch einer Textfassun­g der Bayernhymn­e.
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