„Zur Glocke“baut ein Hotel in Höchstädt
Gundelfingens Bürgermeisterin über teurer werdende Großprojekte, das Gerede über ihre Anwesenheit im Rathaus, die psychische Belastung im Amt und warum der Stadtrat spannender ist als der Bundestag
Es ist ein Millionenprojekt: Daniel und Gabi Stoiber vom Restaurant „Zur Glocke“bauen ein Hotel in Höchstädt.
Frau Gruß, Sie sind seit gut einem Jahr Bürgermeisterin von Gundelfingen und wohnen seit Dezember dort. Fühlen Sie sich bereits als Gundelfingerin?
Miriam Gruß: „Leider noch nicht. Ich glaube, das dauert einfach seine Zeit. Aber ich fühle mich sehr wohl hier.“
Der Gundelfinger an sich feiert gerne und kräftig. Mussten Sie sich an diese Dynamik erst gewöhnen?
Gruß: „Ja, tatsächlich waren die vielen Feste neu für mich. Aber so ist Gundelfingen, das habe ich mittlerweile auch festgestellt, und das zeichnet Gundelfingen ja auch aus.“
Sie sind aus der Bundes- in die Lokalpolitik gewechselt. Wie groß war der Sprung für Sie?
Gruß: „Ich würde nicht von einem Sprung sprechen, da ein paar Jahre dazwischen lagen. Grundsätzlich sind das andere Aufgaben und Herangehensweisen. Dabei profitiere ich durchaus von meinem Hintergrund, da mir politische
Abläufe klar sind.
Nur die Themen, die ich jetzt bewege, sind andere. Im Bundestag haben wir jahrelang an Gesetzen gefeilt, denen der Bundesrat dann manchmal gar nicht zugestimmt hat. Im Stadtrat ist es viel direkter. Wenn wir etwas entscheiden, dann wird es auch gemacht.“
Ist die Stadtrat- also spannender als die Bundestagssitzung?
Gruß: „Auf jeden Fall. Der Bundestag war distanzierter und vorhersehbarer. Eine Stadtratssitzung kann immer eine gewisse Dynamik entwickeln – auch wenn wir hier sehr sachorientiert diskutieren.“
Zur Debatte stehen derzeit vor allem die Großprojekte, die in Gundelfingen anstehen. Bei einigen wurde bekannt, dass sie teurer werden, etwa Kriegerdenkmal und Feuerwehrhaus. Haben Sie die Kosten dafür noch im Griff? Gruß: „Ich will betonen: Es wird nicht alles immer teurer. Wir haben in diesem Jahr auch Projekte abgeschlossen, die günstiger wurden. Es war zu Beginn meiner Amtszeit klar, dass wir viel anpacken und Geld in die Hand nehmen müssen. Heutzutage explodieren die Preise in der Baubranche aber leider. Selbst wenn man Preissteigerungen einplant, bin ich immer wieder überrascht, was bei Ausschreibungen herauskommen kann. Von daher ist das keine mangelnde Weitsicht von Stadt und Politikern, sondern der Dynamik des Marktes geschuldet.“
Im kommenden Jahr muss Gundelfingen acht Millionen Euro Kreisumlage zahlen. Finden Sie das gerecht? Gruß: „Die Gesetze macht jemand anderes, ich muss es ausführen. Schön finde ich das nicht, aber man muss es so nehmen, wie es ist.“
So oder so wird der finanzielle Spielraum geringer. Ist in Gundelfingen bald sparen angesagt?
Gruß: „Sicher ist sparen angesagt. Das machen wir jetzt auch schon. Wir schauen bei jeder Investition: Ist es wirklich notwendig? Das werden wir auch die nächsten Jahre machen. Trotzdem war jetzt die Zeit zum Investieren, zum klug Investieren. Das werden wir fortführen.“
Eines der Projekte, die Sie angestoßen haben, ist der Jugendrat. Werden Sie sich von Jugendlichen etwas sagen lassen? Gruß: „Ja, klar. Jugendliche haben sehr wohl eine Meinung und denen muss man sehr gut zuhören. Der Gedanke dahinter ist: Wenn diese jungen Menschen aktiv am Leben teilhaben können, entscheiden sie sich später vielleicht eher dafür, in Gundelfingen zu bleiben und wandern nicht ab. Und gerade angesichts der demografischen Entwicklung finde ich es wichtig, auch der Jugend eine Stimme zu geben.“
Sie haben auch eine Spielplatzinitiative angestoßen. Waren Ihre Kinder an dieser Idee beteiligt?
Gruß: „Nein, es war eher der Blick als Mutter, aber auch die Vernetzung unter den Eltern. Die haben mir deutlich aufgezeigt, dass hier etwas getan werden muss.“
Stört es Sie, dass Ihre Kinder und Ihre Anwesenheitszeiten im Rathaus immer wieder ein Thema in der Öffentlichkeit sind?
Gruß: „Sicherlich denke ich mir manchmal: Ich möchte an meiner Politik gemessen werden, und nicht an den Stunden, die ich im Rathaus verbringe. Zumal es nicht stimmt, dass ich kaum im Rathaus bin. Es war in der Anfangszeit, als die Eingewöhnung in der Krippe ein bisschen gedauert hat und meine kleine Tochter, die damals zwei Jahre alt war, oft krank war. Da ist eine Mama bei einem kleinen Kind noch ganz anders gefordert. Im Laufe der Zeit wird sich das entwickeln.“
Im Herbst steht die Landtagswahl an. Würde Sie die Landes- oder Bundespolitik noch einmal reizen?
Gruß: „Nein, das ist für mich kein Thema mehr. Weil ich mich zum einen sehr wohl fühle hier. Zum anderen ist die Vereinbarkeit von Politik und Familie auf diesen Ebenen ungleich schwieriger.“
In der Region gab es zuletzt zahlreiche Fälle von Bürgermeistern, die mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen haben. Wie groß wirklich?
Gruß: „Die psychische Belastung ist enorm. Der Druck ist höher und direkter als auf Bundesebene. Es ist nicht nur die Politik, die man nach außen hin sieht oder hört, sondern es läuft sehr viel im Hintergrund ab. Ich habe den einen oder anderen anonymen Brief erhalten, der mich sehr beschäftigt hat. Man hört sehr viel als Bürgermeister, und es ist nicht alles schön, was man mitbekommt. Das ist vielleicht etwas, was einen im Laufe der Jahre im Amt angreift. Deswegen ist mir der familiäre Ausgleich so wichtig.“
Können Sie sich vorstellen, langfristig in Gundelfingen zu bleiben?
Gruß: „Ich möchte gerne hierbleiben. Ich werde hier weitestgehend fair behandelt, insbesondere von den anderen Parteien. Nichtsdestotrotz weiß ich, dass darüber die Wähler entscheiden werden.“