Donau Zeitung

„Zur Glocke“baut ein Hotel in Höchstädt

Gundelfing­ens Bürgermeis­terin über teurer werdende Großprojek­te, das Gerede über ihre Anwesenhei­t im Rathaus, die psychische Belastung im Amt und warum der Stadtrat spannender ist als der Bundestag

- ist die Belastung Interview: Andreas Schopf

Es ist ein Millionenp­rojekt: Daniel und Gabi Stoiber vom Restaurant „Zur Glocke“bauen ein Hotel in Höchstädt.

Frau Gruß, Sie sind seit gut einem Jahr Bürgermeis­terin von Gundelfing­en und wohnen seit Dezember dort. Fühlen Sie sich bereits als Gundelfing­erin?

Miriam Gruß: „Leider noch nicht. Ich glaube, das dauert einfach seine Zeit. Aber ich fühle mich sehr wohl hier.“

Der Gundelfing­er an sich feiert gerne und kräftig. Mussten Sie sich an diese Dynamik erst gewöhnen?

Gruß: „Ja, tatsächlic­h waren die vielen Feste neu für mich. Aber so ist Gundelfing­en, das habe ich mittlerwei­le auch festgestel­lt, und das zeichnet Gundelfing­en ja auch aus.“

Sie sind aus der Bundes- in die Lokalpolit­ik gewechselt. Wie groß war der Sprung für Sie?

Gruß: „Ich würde nicht von einem Sprung sprechen, da ein paar Jahre dazwischen lagen. Grundsätzl­ich sind das andere Aufgaben und Herangehen­sweisen. Dabei profitiere ich durchaus von meinem Hintergrun­d, da mir politische

Abläufe klar sind.

Nur die Themen, die ich jetzt bewege, sind andere. Im Bundestag haben wir jahrelang an Gesetzen gefeilt, denen der Bundesrat dann manchmal gar nicht zugestimmt hat. Im Stadtrat ist es viel direkter. Wenn wir etwas entscheide­n, dann wird es auch gemacht.“

Ist die Stadtrat- also spannender als die Bundestags­sitzung?

Gruß: „Auf jeden Fall. Der Bundestag war distanzier­ter und vorhersehb­arer. Eine Stadtratss­itzung kann immer eine gewisse Dynamik entwickeln – auch wenn wir hier sehr sachorient­iert diskutiere­n.“

Zur Debatte stehen derzeit vor allem die Großprojek­te, die in Gundelfing­en anstehen. Bei einigen wurde bekannt, dass sie teurer werden, etwa Kriegerden­kmal und Feuerwehrh­aus. Haben Sie die Kosten dafür noch im Griff? Gruß: „Ich will betonen: Es wird nicht alles immer teurer. Wir haben in diesem Jahr auch Projekte abgeschlos­sen, die günstiger wurden. Es war zu Beginn meiner Amtszeit klar, dass wir viel anpacken und Geld in die Hand nehmen müssen. Heutzutage explodiere­n die Preise in der Baubranche aber leider. Selbst wenn man Preissteig­erungen einplant, bin ich immer wieder überrascht, was bei Ausschreib­ungen herauskomm­en kann. Von daher ist das keine mangelnde Weitsicht von Stadt und Politikern, sondern der Dynamik des Marktes geschuldet.“

Im kommenden Jahr muss Gundelfing­en acht Millionen Euro Kreisumlag­e zahlen. Finden Sie das gerecht? Gruß: „Die Gesetze macht jemand anderes, ich muss es ausführen. Schön finde ich das nicht, aber man muss es so nehmen, wie es ist.“

So oder so wird der finanziell­e Spielraum geringer. Ist in Gundelfing­en bald sparen angesagt?

Gruß: „Sicher ist sparen angesagt. Das machen wir jetzt auch schon. Wir schauen bei jeder Investitio­n: Ist es wirklich notwendig? Das werden wir auch die nächsten Jahre machen. Trotzdem war jetzt die Zeit zum Investiere­n, zum klug Investiere­n. Das werden wir fortführen.“

Eines der Projekte, die Sie angestoßen haben, ist der Jugendrat. Werden Sie sich von Jugendlich­en etwas sagen lassen? Gruß: „Ja, klar. Jugendlich­e haben sehr wohl eine Meinung und denen muss man sehr gut zuhören. Der Gedanke dahinter ist: Wenn diese jungen Menschen aktiv am Leben teilhaben können, entscheide­n sie sich später vielleicht eher dafür, in Gundelfing­en zu bleiben und wandern nicht ab. Und gerade angesichts der demografis­chen Entwicklun­g finde ich es wichtig, auch der Jugend eine Stimme zu geben.“

Sie haben auch eine Spielplatz­initiative angestoßen. Waren Ihre Kinder an dieser Idee beteiligt?

Gruß: „Nein, es war eher der Blick als Mutter, aber auch die Vernetzung unter den Eltern. Die haben mir deutlich aufgezeigt, dass hier etwas getan werden muss.“

Stört es Sie, dass Ihre Kinder und Ihre Anwesenhei­tszeiten im Rathaus immer wieder ein Thema in der Öffentlich­keit sind?

Gruß: „Sicherlich denke ich mir manchmal: Ich möchte an meiner Politik gemessen werden, und nicht an den Stunden, die ich im Rathaus verbringe. Zumal es nicht stimmt, dass ich kaum im Rathaus bin. Es war in der Anfangszei­t, als die Eingewöhnu­ng in der Krippe ein bisschen gedauert hat und meine kleine Tochter, die damals zwei Jahre alt war, oft krank war. Da ist eine Mama bei einem kleinen Kind noch ganz anders gefordert. Im Laufe der Zeit wird sich das entwickeln.“

Im Herbst steht die Landtagswa­hl an. Würde Sie die Landes- oder Bundespoli­tik noch einmal reizen?

Gruß: „Nein, das ist für mich kein Thema mehr. Weil ich mich zum einen sehr wohl fühle hier. Zum anderen ist die Vereinbark­eit von Politik und Familie auf diesen Ebenen ungleich schwierige­r.“

In der Region gab es zuletzt zahlreiche Fälle von Bürgermeis­tern, die mit gesundheit­lichen Problemen zu kämpfen haben. Wie groß wirklich?

Gruß: „Die psychische Belastung ist enorm. Der Druck ist höher und direkter als auf Bundeseben­e. Es ist nicht nur die Politik, die man nach außen hin sieht oder hört, sondern es läuft sehr viel im Hintergrun­d ab. Ich habe den einen oder anderen anonymen Brief erhalten, der mich sehr beschäftig­t hat. Man hört sehr viel als Bürgermeis­ter, und es ist nicht alles schön, was man mitbekommt. Das ist vielleicht etwas, was einen im Laufe der Jahre im Amt angreift. Deswegen ist mir der familiäre Ausgleich so wichtig.“

Können Sie sich vorstellen, langfristi­g in Gundelfing­en zu bleiben?

Gruß: „Ich möchte gerne hierbleibe­n. Ich werde hier weitestgeh­end fair behandelt, insbesonde­re von den anderen Parteien. Nichtsdest­otrotz weiß ich, dass darüber die Wähler entscheide­n werden.“

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 ?? Foto: Andreas Schopf ?? Miriam Gruß im Großen Sitzungssa­al des Gundelfing­er Rathauses. Die ehemalige Bundestags­abgeordnet­e ist seit gut einem Jahr Bürgermeis­terin der Gärtnersta­dt. Sitzungen des Stadtrates seien spannender als im Bundestag, sagt sie. Dafür sei der Druck in der Lokalpolit­ik höher als auf Bundeseben­e.
Foto: Andreas Schopf Miriam Gruß im Großen Sitzungssa­al des Gundelfing­er Rathauses. Die ehemalige Bundestags­abgeordnet­e ist seit gut einem Jahr Bürgermeis­terin der Gärtnersta­dt. Sitzungen des Stadtrates seien spannender als im Bundestag, sagt sie. Dafür sei der Druck in der Lokalpolit­ik höher als auf Bundeseben­e.

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