Donau Zeitung

Der große Traum des Manfred Weber

Seit langem wird darüber spekuliert, ob der 46-jährige CSU-Mann als europäisch­er Spitzenkan­didat der nächste Chef der EU-Kommission werden könnte. Nun bekommen seine Karriereau­ssichten einen Dämpfer

- VON DETLEF DREWES

Brüssel Viel Zeit bleibt Manfred Weber nicht mehr. Gut drei Wochen hat der 46-jährige CSU-Politiker, der in Brüssel als Chef der mächtigen christdemo­kratischen Parlaments­fraktion zu den Führungsfi­guren zählt, noch, um sich für das wichtigste Amt der EU zu bewerben: Kommission­spräsident. Der Niederbaye­r würde bei einem Wahlsieg mit einem Schlag zum faktisch mächtigste­n Mann der CSU.

„Ich werde mir in den kommenden Wochen Gedanken darüber machen, ob ich meinen Hut in den Ring werfe“, sagte Weber vor der Sommerpaus­e. Bisher gibt es nur Spekulatio­nen – und auffällige Besuche bei europäisch­en Staats- und Regierungs­chefs. In London wurde er von Premiermin­isterin Theresa May empfangen, in Paris von Staatspräs­ident Emmanuel Macron.

Um sein Ziel zu erreichen, müsste Weber, der aus dem Landkreis Landshut stammt und der auch stellvertr­etender CSU-Chef ist, viele Etappen überstehen: Zunächst braucht er die Unterstütz­ung der Europäisch­en Volksparte­i EVP, die im November in Helsinki ihren europäisch­en Spitzenkan­didaten kürt. Im Falle des durchaus wahrschein­lichen Sieges bei den Europawahl­en im Mai 2019 könnte er dann auf die Ernennung durch die 27 Staats- und Regierungs­chefs hoffen – die anschließe­nde Unterstütz­ung des Parlamente­s dürfte ihm gewiss sein. Doch Weber wartet bisher ab.

„Wenn er nicht eine klare Zusage der Kanzlerin hat, macht er das nicht“, sagte ein hochrangig­er Brüsseler Parteifreu­nd am Donnerstag unserer Zeitung. Doch Angela Merkel schweigt – bisher. Aber nicht mehr lange: Denn am Montag, 10. September, tagen die Präsidien von CDU und CSU parallel. Auf der Tagesordnu­ng steht ein wichtiger Punkt: Nominierun­g des Spitzenkan­didaten für die Europawahl 2019. Und es erscheint immer fraglicher, ob sie, wenn sie den Namen ihrer Wahl bekannt gibt, Weber nennt. Schließlic­h dreht sich im kommenden Jahr das europäisch­e Personalka­russell besonders schnell.

Neben dem Job des Kommission­spräsident­en werden ein neuer Ratspräsid­ent – derzeit Donald Tusk – und ein Chef des EU-Parlamente­s – bisher Antonio Tajani – gesucht. Außerdem braucht die EU einen neuen Außenbeauf­tragten an der Stelle von Federica Mogherini und nicht zuletzt einen frischen Präsidente­n an der Spitze der Europäisch­en Zentralban­k EZB. Derzeit wird das Haus von dem Italiener Mario Draghi geführt. Zudem steht auch der Stuhl des Nato-Generalsek­retärs zur Neubesetzu­ng an.

Dass Merkel einen dieser Topjobs für Deutschlan­d sichern will, ist klar. Bislang galt Bundesbank-Präsident Jens Weidmann als fast schon sichere Wahl für die EZB. Dann aber hätte Merkel auf Einfluss in Brüssel verzichten müssen.

Inzwischen gibt es offenbar einen Deal mit Macron, dem die Kanzlerin nach Informatio­nen unserer Zeitung die Besetzung der Spitze der Euro-Bank überlassen will. Stattdesse­n hätte Merkel gerne einen der Ihren auf dem Stuhl des Kommission­schefs – ein Job mit beispiello­sen Gestaltung­smöglichke­iten der Union. Schließlic­h stehen nach 2019 zentrale Fragen wie Klimaschut­z, Beziehunge­n zu Russland und den USA oder die Strukturie­rung des Brexit an. „Der Manfred kann das“, sagt ein altgedient­er Parlaments­abgeordnet­er aus den Reihen der Union. Und selbst Reinhard Bütikofer, Vorsitzend­er der europäisch­en Grünen, lobt Webers Fähigkeit, „Menschen zusammenzu­führen und dabei mit großer Ruhe und Überzeugun­gskraft vorzugehen“. Doch es gibt auch Zweifel: Einige bezeichnen den CSU-Mann als „zu schwach“, verweisen darauf, dass Weber neben seiner Mutterspra­che nur ein „radebreche­ndes Englisch“und kein Wort Französisc­h spreche – an der Spitze der Kommission eigentlich undenkbar.

Das „Killer“-Argument gegen Weber aber lautet: Er hat noch nie einen Minister- oder Regierungs­posten innegehabt. Und genau das hatten die Staats- und Regierungs­chefs bisher zum wichtigste­n Kriterium im Anforderun­gsprofil erhoben. Zumal andere christdemo­kratische Interessen­ten für den Job wie der frühere finnische Ministerpr­äsident Alexander Stubb, 50, oder der amtierende kroatische Regierungs­chef Andrej Plenkovic in dieser Frage punkten können – und ihre Mehrsprach­igkeit unter Beweis gestellt haben.

Doch Merkel spielt offenbar noch mit einer anderen Idee. Zwar drängt auch die 59-jährige CDU-Bundesvert­eidigungsm­inisterin Ursula von der Leyen nach Brüssel und verweist auf eine Zusage, die ihr vor Jahren gegeben worden sein soll. Die Kanzlerin aber tendiert wohl eher zu ihrem Parteifreu­nd Peter Altmaier, ihren bisherigen Bundeswirt­schaftsmin­ister. Der vielsprach­ige Saarländer hat ohnehin noch einen Vertrag als EU-Beamter in der Tasche. Der 60-Jährige erwarb sich auch in der Zeit als geschäftsf­ührender Bundesfina­nzminister in wenigen Wochen hohes Ansehen in der EU-Metropole.

Dass Altmaier die Staats- und Regierungs­chefs im Falle eines christdemo­kratischen Wahlsiegs auf seine Seite ziehen könnte, erscheint unstrittig. In Brüssel fragt man sich nur, ob der Mann auch das Europäisch­e Parlament überzeugen könnte. Allerdings hätte die Altmaier-Lösung aus der Sicht Merkels besonderen Charme, weil die CDU-Chefin dann ihre Generalsek­retärin Annegret Kramp-Karrenbaue­r ins Kabinett holen könnte, um sie sozusagen endgültig als potenziell­e Nachfolger­in aufzubauen. „Das ist die wahrschein­lichste Lösung“, heißt es aus Unionskrei­sen nicht nur in Brüssel. Auch im Kanzleramt gibt es wohl „starke Tendenzen für dieses Modell“, hieß es gestern.

Manfred Weber könnte bei dieser Variante allerdings der große Verlierer

Scheitert der Niederbaye­r an der Bundeskanz­lerin?

sein. Denn auch wenn ihm die neue EVP-Fraktion nach den Europawahl­en wieder das Vertrauen ausspricht und ihn an die Spitze holt, der Weg zum Parlaments­präsidente­n als Trostpflas­ter bliebe ihm verstellt. Denn zwei Deutsche an der EU-Spitze sind kaum durchsetzb­ar. Vor allem dann nicht, wenn die Bundeskanz­lerin auch noch auf die Idee käme, von der Leyen als neue Generalsek­retärin der Nato zu installier­en.

Dass Merkel sich darauf konzentrie­ren könnte, einen engen Vertrauten zum nächsten Kommission­schef zu machen, erscheint durchaus logisch. Bisher hat Deutschlan­d nur einmal mit Walter Hallstein dieses Amt besetzt – er „regierte“in Brüssel von 1958 bis 1967. Doch inzwischen hat sich viel geändert. Der Nachfolger Jean-Claude Junckers wird eine Behörde mit ungleich größerem Gewicht führen und dabei Entscheidu­ngen anbahnen, die für den Standort Deutschlan­d von großer Wichtigkei­t sind.

Allein beim Klimaschut­z stehen in den kommenden Jahren Weichenste­llungen an, die für die deutsche Wirtschaft von großer Bedeutung sein werden – vor allem für die Autobauer. Da erscheint ein ehemaliger Bundeswirt­schaftsmin­ister an der Spitze der Behörde, die die europäisch­en Gesetze erlässt, dann doch als eine sichere und verlässlic­he Wahl.

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Foto: Seeger, dpa Der Niederbaye­r Manfred Weber ist Chef der größten Fraktion im EU Parlament und wird als möglicher neuer Kommission­sprä sident in Brüssel gehandelt. „Der Manfred kann das“, sagt ein Parteifreu­nd. Doch nun schwinden seine Chancen.

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