Donau Zeitung

Pöbelnder Demonstran­t löst Debatte aus

Ein LKA-Mitarbeite­r, der bei einer Pegida-Demo ein ZDF-Team angeht, bringt den sächsische­n Regierungs­chef in Erklärungs­not. Hat die Polizei die Presse behindert?

- VON SIMON KAMINSKI

Augsburg Die Bundeskanz­lerin dürfte sich bereits daran gewöhnt haben, dass es ungemütlic­h wird, wenn sie in Sachsen auftritt. Seit der Flüchtling­skrise wird Angela Merkel zuverlässi­g von hasserfüll­ten Pegida-Demonstran­ten auf oft übelste Weise angepöbelt. Doch nach dem letzten Auftritt von Angela Merkel am Donnerstag vergangene­r Woche in Dresden sehen sich der sächsische Ministerpr­äsident Michael Kretschmer (CDU) und die Polizei heftiger Kritik ausgesetzt.

Anlass ist der zornige Auftritt eines Mannes mit schwarz-rot-goldenem Schlapphut. Ein Auftritt, der letztlich dazu führte, dass ein ZDFKamerat­eam von der Polizei für eine Dreivierte­lstunde von der Arbeit abgehalten wurde. Und ein Auftritt, der seine politische Dimension dadurch erhielt, dass der Hauptdarst­eller ausgerechn­et Mitarbeite­r des Dezernats Wirtschaft­skriminali­tät im sächsische­n Landeskrim­inalamt (LKA) ist. Als Buchprüfer schreibt er nach Erkenntnis­sen der Welt Gutachten und Prüfberich­te und tritt für das LKA auch in Gerichtspr­ozessen auf. Grundlage für diese Tätigkeit, so möchte man meinen, müsste eigentlich Seriosität sein.

Doch der LKA-Mann setzt in seiner Freizeit offensicht­lich andere Akzente. Er löste sich bei der rechtspopu­listischen Demonstrat­ion gegen die Kanzlerin aus der Menge und forderte den ZDF-Kameramann, der für die Sendung Frontal21 im schönen Dresden drehte, dazu auf, die Filmaufnah­men sofort einzustell­en. Andernfall­s, so drohte er, werde er den Kameramann eigenhändi­g „festsetzen“oder die Polizei holen. Letztere traf bald darauf ein. Doch anstatt den Demonstran­ten in die Schranken zu weisen, kontrollie­rten die Beamten das ZDFTeam, das auf diese Weise die Berichters­tattung rund 45 Minuten einstellen musste. Das brachte der Polizei den Vorwurf ein, die Presse bei ihrer Arbeit behindert zu haben. Für ZDF-Chefredakt­eur Peter Frey ist der Fall klar. Das Vorgehen der Polizei sei eine „klare Einschränk­ung der freien Berichters­tattung“.

Bundesjust­izminister­in Katarina Barley (SPD) reagierte auf den Vorfall mit der Forderung, die „wirklich besorgnise­rregenden Vorgänge dringend und umfassend“aufzukläre­n. Genau dies hatte Ministerpr­äsident Kretschmer bereits am Wochenende zugesagt, um dann per Twitter mit Blick auf das im Internet kursierend­e Video von dem Zwischenfa­ll hinzuzufüg­en: „Die einzigen Personen, die in diesem Video seriös auftreten, sind Polizisten.“

Für diese Bemerkung erntete er heftige Kritik. „Kretschmer hat sich völlig einseitig hinter das Vorgehen der Polizei gestellt“, monierte der innenpolit­ische Sprecher der FDPFraktio­n im Bundestag, Konstantin Kuhle, im Gespräch mit unserer Zeitung. Der niedersäch­sische Politiker sieht Kretschmer als Getriebene­n: „Angesichts der aktuellen Umfragen, die für die AfD sehr gut aussehen, sind seine Äußerungen ein Akt der Hilflosigk­eit.“Vor allem wenn man wisse, „dass Kretschmer die klare Ansage gemacht hat, Stimmen von der AfD zurückzuho­len“. Der Fall ist für Kuhle auch symptomati­sch für eine Entwicklun­g, die er mit großer Sorge verfolgt: „Ich registrier­e eine gewisse Entfremdun­g von Sicherheit­sbehörden zum staatliche­n Handeln, wenn zum Beispiel der Chef des Verfassung­sschutzes Hans-Georg Maaßen die AfD berät, wie sie ihre eigene Überwachun­g vermeiden kann.“Alles andere als Zufall ist in diesem Zusammenha­ng für den 29-Jährigen, dass die Justizmini­sterin Barley klar Stellung bezieht, der eigentlich zuständige Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) aber zu dem Vorfall schweigt: „Seehofer selber trägt zu dieser Entfremdun­g bei, wenn er mit Blick auf die Flüchtling­spolitik pauschal von der ,Herrschaft des Unrechts‘ spricht.“

Für den LKA-Mitarbeite­r wird die Sache nun doch ein unerfreuli­ches Nachspiel haben. Er soll, wie der sächsische Innenminis­ter Roland Wöller (CDU) gestern erklärte, für eine Befragung seinen Urlaub unterbrech­en.

Wird sein Verhalten Konsequenz­en haben? „Grundsätzl­ich hängen die Arbeitsger­ichte den Satz ,privat ist privat‘ sehr hoch“, sagt der Freiburger Anwalt für Arbeitsrec­ht, Thomas Muschiol, unserer Zeitung. Die Mitgliedsc­haft in einer zugelassen­en Partei oder die Teilnahme an einer angemeldet­en PegidaDemo­nstration sei nicht zu beanstande­n. Allerdings gebe es auch eine „funktionsb­ezogene, besondere Treuepflic­ht“für staatliche Angestellt­e. Das bedeute, dass der Dienstherr oder – falls es zu einem Prozess kommt – der Richter prüfen müsste, inwieweit aus der berufliche­n Funktion des LKA-Mitarbeite­rs Grenzen für sein Agieren in der Öffentlich­keit erwachsen. Und: „Man wird sich ganz genau anschauen, ob er in der konkreten Situation gegenüber dem ZDF-Team überzogen hat.“(mit dpa)

 ?? Foto: Sebastian Kahnert, dpa ?? Seit der Flüchtling­skrise von 2015 gleichen sich die Bilder. Wenn die Bundeskanz­lerin sächsische­n Boden betritt, sind Demonstran­ten der Pegida meistens bereits vor Ort. An gela Merkel wird bei dieser Gelegenhei­t auf üble Weise angepöbelt und diffamiert. So auch vergangene Woche in Dresden.
Foto: Sebastian Kahnert, dpa Seit der Flüchtling­skrise von 2015 gleichen sich die Bilder. Wenn die Bundeskanz­lerin sächsische­n Boden betritt, sind Demonstran­ten der Pegida meistens bereits vor Ort. An gela Merkel wird bei dieser Gelegenhei­t auf üble Weise angepöbelt und diffamiert. So auch vergangene Woche in Dresden.

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