Stimmen die alten Bauernregeln?
Weisheiten prophezeien eine Wende zum Bartholomäus-Tag. Moderne Landwirte informieren sich anders
Landkreis „An Bartholomäus Regen, im Herbst kein Segen.“Die allerwenigsten Landwirte in der Region nehmen noch Notiz von der alten Bauernregel zum heutigen Tag des Bartholomäus. Obwohl der gleichnamige Apostel eigentlich als der Schutzpatron der ackernden Leute zwischen Syrgenstein und Buttenwiesen gilt, zählen solche und andere Sprüche zum überwiegend katholischen Gedenktag wohl nur noch zum Schnee von gestern.
Wenn Ottmar Hurler trotzdem darauf zurückgreift, etwa auf „Wie der Bartholomä macht sein G’sicht, so der ganze Herbst sich richt’!“– dann nur, um als Lehrer an der Landwirtschaftsschule Wertingen die Stimmung im Unterricht mit den künftigen Jung-Landwirten etwas aufzulockern. Er halte zwar nichts von den höchst umstrittenen Regeln aus den vergangenen Jahrhunderten, dennoch „gibt es kaum einen anderen Beruf, der so stark von der Witterung abhängig ist“. Deshalb müsse darüber bei den Fächern Betriebswirtschaft und Unternehmensführung einfach mal gesprochen werden, schmunzelt der sympathische Abteilungsleiter vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF).
„Gewitter an Bartholomä, bringen Hagel und Schnee.“Auch wenn skurrile Sprüche aus der Fantasiewelt früherer Generationen eher Kopfschütteln auslösen können, mag Klaus Beyrer bei jedem dennoch ein Körnchen Wahrheit ausgemacht haben: „Wenn wir über so etwas nur lachen, dann tun wir dem Ganzen Unrecht“, bekräftigt der Kreisobmann beim Bayerischen Bauernverband, während er – auf einem knatternden Schlepper sitzend – seinen harten Job zwischen den Ackerfurchen erledigt. Dass jetzt ausgerechnet am Bartholomäus-Tag mit Tief „Thekla“ein Wetterwechsel eingeleitet wurde, bestätigt für den seit drei Jahrzehnten als Landwirt arbeitenden Mann die strittige Regel. Denn für viele Bauern, Winzer und Viehzüchter war der „Stichtag“traditionell schon immer mit einer WitterungsZäsur verbunden. So auch der heutige Freitag, der neben einer daherkommenden Kaltfront am Wochenende auch einen damit verbundenen Temperatursturz beschert. Mancher Landwirt wollte früher am 24. August sogar das Ende des Sommers heraufkommen sehen.
Wie AELF-Pädagoge Hurler wünschte sich der 54 Jahre alte Bauer aus Baumgarten in der Gemeinde Aislingen nichts sehnlicher als Feuchtigkeit vom Himmel. „In dieser extremen Trockenheit brauchten Kartoffeln, Mais und Rüben endlich mal Wasser.“Ottmar Hurler bestätigt: „Unser Grünland muss sich erholen, jetzt muss in erster Linie Niederschlag her.“Froh zeigt sich auch Wilhelm Rochau, auch wenn der ehemalige Landwirt und langjährige Bürgermeister Bächingens beruflich nicht mehr aufs Feld aufbricht. Er wolle zwar weniger an die vielen Wetter-Sprüche aus seinem Metier glauben, „doch an den Hundstagen habe ich schon auf mein Heu aufgepasst“. Gemeint ist die seinerzeit festgestellte besondere Hitzeperiode zwischen 23. Juli und 23. August. Ob zutreffend oder nicht: Klarer Fall, dass sich der Erste Vorsitzende des Fördervereins Mooseum dennoch für den Erhalt der vermeintlichen Wetter-Gesetze ausspricht: „Wir können nicht alles, was früher war, einfach so beiseiteschieben.“
Meint sogar auch ein Landwirt aus Wittislingen, der sich sein ganzes ländliches Leben stets an knallharten Fakten orientiert hat. Als Phänologe im Nebenamt nimmt Franz Schabel die Natur ganz genau unter die Lupe und meldet seine Erkenntnisse von den unterschiedlichen Vegetationsstadien an den Deutschen Wetterdienst. So etwa die Verfärbung von Gras. Bauernregeln? „Noi, um Gottes willen.“Der Pflanzenkundler, von Beruf eigentlich Maurer, kann auch keinen Kollegen nennen, der sich nach diesem „Humbug“richtet. Apropos: Dass Ausnahmen die Regel eher verfestigen, glaubt mit Alois Sailer ein langjähriger Bauer aus dem Unteren Zusamtal: „Was hier zu Papier gebracht wurde, ist kein Unsinn, sondern stellt bäuerliche Erfahrungswerte aus der Vergangenheit dar“, findet der Dichter und Schriftsteller aus Lauterbach. Und: „In den Köpfen der Leute ist das noch drin, aber heute traut sich ja keiner mehr, dies zuzugeben“, meint der überzeugte Schwabe mit Jahrgang 1936.
Sailer beteuert, dass man zu seiner Zeit stets den Himmel genau beobachtet und zu deuten gelernt habe. Doch „jetzt guckt man nur noch in die Zeitung oder den Fernseher“. Wie so vieles im Leben und in der Landwirtschaft werde seit Langem alles infrage gestellt. Und, nun ganz der Kreisheimatpfleger, die Veränderungen seien auch an den Zerstörungen von Gebäuden abzulesen. „Mit jedem abgerissenen Haus reißen wir uns selbst ab.“Ganz unfeierlich schloss Sailer am Bartholomäus-Gedenktag: „Der materialistisch eingestellte Bauer sitzt am heutigen Freitag auf seiner viel zu groß dimensionierten Maschine und denkt nicht etwa an den Apostel, sondern daran, dass sich der Tag für ihn rechnet.“