Die Gefahr am Straßenrand
An vielen Straßen im Landkreis wächst Jakobskreuzkraut. Ein Landwirt fürchtet, dass die Pflanze seine Tiere vergiftet. Behörden sind uneinig darüber, warum sie sich so verbreitet
Landkreis Die Blütezeit des Jakobskreuzkrauts, das mancherorts im Kreis Dillingen gedeiht, neigt sich dem Ende zu. An die tristen Straßenränder bringen die gelben Blätter noch immer etwas Farbe. Doch Bauern fürchten, dass die Pflanze ihre Tiere vergiftet. Ein Landwirt aus dem Kreis Günzburg, der anonym bleiben möchte, hat sich an unsere Zeitung gewandt, sein Name ist der Redaktion bekannt. Er kritisiert, dass das Jakobskreuzkraut und das Wasserkreuzkraut in der Region am Straßenrand wuchere. Wenn Tiere die Pflanzen äßen, könne das zu Leberschäden und zum Tod führen. Auf extensiv bewirtschafteten Flächen drohe eine Ausbreitung des Krauts, weil es sich dort nicht gegen das dichte Gras behaupten müsse. Extensive Bewirtschaftung bedeutet im Unterschied zur intensiven, dass Flächen seltener gemäht und nicht gespritzt werden. Das sei besonders vor dem Hintergrund der Artenvielfalt wünschenswert, sagt der Landwirt.
Eine zunehmende Verbreitung des Jakobskreuzkrauts beobachtet auch Stephan Haase, Pflanzenbauberater am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) Wertingen. „Das Kreuzkraut nistet sich in Lücken ein. Das heißt, bei der diesjährigen Hitze und den verdörrten Flächen können wir in den nächsten Jahren von noch mehr Pflanzen ausgehen. Eine Gefahr würde nur existieren, wenn jetzt nichts dagegen gemacht wird“, erklärt er. Wo sonst noch nichts wächst, da gedeihe es. Problematisch für die Landwirt- schaft sei es besonders bei der Pferdeund Rinderhaltung und in noch höherem Maße, wenn die Tiere ihr Futter im Stall in Form von Heu oder Silage bekommen. Die toxischen Inhaltsstoffe können bei den Tieren Koliken oder sogar den Tod verursachen. Denn stehen die Tiere auf der Weide, hält sie der abscheuliche Geschmack des Krauts meist vom Verzehr ab. Befindet sich die Pflanze jedoch im Heu, ist sie nicht zu identifizieren. „Das Jakobskreuzkraut wurde wahrscheinlich durch Unwissenheit der Straßenbauämter angepflanzt“, sagt Haase – und zwar in deren Saatmischungen für das Begleitgrün am Straßenrand. Die Dimension, in der es heute verbreitet ist, und die „Konkurrenzkraft“der Pflanze habe man nicht abschätzen können. Für den Menschen gehe keine Gefahr aus, jedoch sollte der Kontakt mit der Pflanze trotzdem vermieden werden. Auch Ottmar Frimmel, Naturschutzbeauftragter des Landkreises Günzburg, verweist auf das Staatliche Bauamt Krumbach. Dass Samen des Jakobskreuzkrauts von dieser Behörde gesät worden seien, sagt auch er. Dies habe aber nicht gezielt stattgefunden. Im Landkreis Dillingen komme die Pflanze öfter vor als im Landkreis Günzburg.
Vor zwei Jahren schickte die Oberste Bayerische Baubehörde, die heute zum Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr gehört, Handlungshinweise für das Kreuzkraut an die Staatlichen Bauämter. In diesem Dokument heißt es, manche Kreuzkrautarten seien heimisch und als natürlicher Bestandteil auf Nichtkulturland, wozu Straßengrün- und Kompensationsflächen zählten, anzusehen. Je- doch müsse der Freistaat seinen Pflichten als Grundeigentümer nachkommen und dürfe Nachbargrundstücke nicht schädigen. Dass sich Unkrautsamen verbreiten, lasse sich nicht ganz vermeiden, jedoch hätten Nachbarn einen „Anspruch auf das Unterlassen der aktiven Ausbringung von Kreuzkräutern“.
Dass diese „aktive Ausbringung“im Zuständigkeitsbereich des Staatlichen Bauamts je stattgefunden hat, bezweifelt Bettina Douglas, dort stellvertretende Leiterin des Sachgebiets Naturschutz und Landschaftspflege. Seit mehreren Jahren, seit man um die Problematik wisse, sei definitiv kein Jakobskreuzkraut im Saatgut. Falls Jakobskreuzkrautsamen damals enthalten gewesen seien, dann nur ein Anteil von etwa 0,1 Prozent. 98 Prozent seien Grassamen. Gegen diese hätte sich die Pflanze nicht durchsetzen können. „Diese Massenvermehrung hat nichts mit unserem Saatgut zu tun“, stellt sie klar.
Sie verweist, wie die Vertreter der anderen Behörden, auf die Dürre und den Klimawandel – diese Faktoren begünstigten die Kreuzkräuter. Ihr zufolge sei das Jakobskreuzkraut vor allem im nördlichen Landkreis Günzburg und im benachbarten Landkreis Dillingen anzutreffen. Wesentlich größere Probleme mit den Kräutern habe man aber im Allgäu im Bereich des Staatlichen Bauamts Kempten, wo auch das Wasserkreuzkraut häufiger anzutreffen sei. Dieses sei schnittunempfindlich und deshalb ohne chemische Mittel, welche die Behörden nicht verwenden dürfen, schwieriger zu bekämpfen. Zwischen dem Landratsamt Dillingen und dem Staatlichen Bauamt Krumbach sei eine Absprache zur Bekämpfung des Jakobskreuzkrauts getroffen worden, sagt Douglas. Nach dieser werden Intensivflächen, die in der Regel direkt an der Straße liegen, zwei- bis dreimal pro Jahr, Extensivflächen einmal pro Jahr gemäht. Flächen, auf denen das Jakobskreuzkraut wachse, werden dreimal und somit verstärkt gemäht, egal, ob sie intensiv oder extensiv sind. Naturschutzbeauftragter Frimmel sagt auf Nachfrage, dass diese Praxis auch im Kreis Günzburg angewandt werden soll, hier aber noch keine problematischen Flächen ausgewählt wurden. Douglas vom Staatlichen Bauamt betont, dass ein ständiger Konflikt zwischen der Bekämpfung solcher in Masse unerwünschter Pflanzen und der Artenvielfalt bestehe. Mähe man Flächen häufiger, um das Kreuzkraut zu verdrängen, verdränge man so auch alle anderen Pflanzen und die Insekten, die sich von ihnen ernährten. Ihre Behörde erhalte häufig negative Rückmeldungen von Bürgern, wenn sie naturbelassene Flächen mähten. Im Allgemeinen ist die Gefährlichkeit des Krauts umstritten. 2010 starb im Kreis Oberallgäu ein Landwirt mutmaßlich an einer Vergiftung durch die Pflanze. Jedoch hatte er sie wohl mit einem anderen Gewächs verwechselt und gegessen. Dr. Uta-Maria Kastner, Ärztin am Gesundheitsamt Dillingen, sagt, das Jakobskreuzkraut sei vor allem für Tierhalter problematisch. Für den Menschen wäre nur der direkte Verzehr gefährlich, da Leberschäden daraus resultieren können. Auch kann das Kraut leicht mit dem ungefährlichen Johanniskraut verwechselt werden, deshalb ist hier nochmals Vorsicht geboten.