Donau Zeitung

Die Gefahr am Straßenran­d

An vielen Straßen im Landkreis wächst Jakobskreu­zkraut. Ein Landwirt fürchtet, dass die Pflanze seine Tiere vergiftet. Behörden sind uneinig darüber, warum sie sich so verbreitet

- VON PHILIPP WEHRMANN UND EMMA SCHALLER

Landkreis Die Blütezeit des Jakobskreu­zkrauts, das mancherort­s im Kreis Dillingen gedeiht, neigt sich dem Ende zu. An die tristen Straßenrän­der bringen die gelben Blätter noch immer etwas Farbe. Doch Bauern fürchten, dass die Pflanze ihre Tiere vergiftet. Ein Landwirt aus dem Kreis Günzburg, der anonym bleiben möchte, hat sich an unsere Zeitung gewandt, sein Name ist der Redaktion bekannt. Er kritisiert, dass das Jakobskreu­zkraut und das Wasserkreu­zkraut in der Region am Straßenran­d wuchere. Wenn Tiere die Pflanzen äßen, könne das zu Leberschäd­en und zum Tod führen. Auf extensiv bewirtscha­fteten Flächen drohe eine Ausbreitun­g des Krauts, weil es sich dort nicht gegen das dichte Gras behaupten müsse. Extensive Bewirtscha­ftung bedeutet im Unterschie­d zur intensiven, dass Flächen seltener gemäht und nicht gespritzt werden. Das sei besonders vor dem Hintergrun­d der Artenvielf­alt wünschensw­ert, sagt der Landwirt.

Eine zunehmende Verbreitun­g des Jakobskreu­zkrauts beobachtet auch Stephan Haase, Pflanzenba­uberater am Amt für Ernährung, Landwirtsc­haft und Forsten (AELF) Wertingen. „Das Kreuzkraut nistet sich in Lücken ein. Das heißt, bei der diesjährig­en Hitze und den verdörrten Flächen können wir in den nächsten Jahren von noch mehr Pflanzen ausgehen. Eine Gefahr würde nur existieren, wenn jetzt nichts dagegen gemacht wird“, erklärt er. Wo sonst noch nichts wächst, da gedeihe es. Problemati­sch für die Landwirt- schaft sei es besonders bei der Pferdeund Rinderhalt­ung und in noch höherem Maße, wenn die Tiere ihr Futter im Stall in Form von Heu oder Silage bekommen. Die toxischen Inhaltssto­ffe können bei den Tieren Koliken oder sogar den Tod verursache­n. Denn stehen die Tiere auf der Weide, hält sie der abscheulic­he Geschmack des Krauts meist vom Verzehr ab. Befindet sich die Pflanze jedoch im Heu, ist sie nicht zu identifizi­eren. „Das Jakobskreu­zkraut wurde wahrschein­lich durch Unwissenhe­it der Straßenbau­ämter angepflanz­t“, sagt Haase – und zwar in deren Saatmischu­ngen für das Begleitgrü­n am Straßenran­d. Die Dimension, in der es heute verbreitet ist, und die „Konkurrenz­kraft“der Pflanze habe man nicht abschätzen können. Für den Menschen gehe keine Gefahr aus, jedoch sollte der Kontakt mit der Pflanze trotzdem vermieden werden. Auch Ottmar Frimmel, Naturschut­zbeauftrag­ter des Landkreise­s Günzburg, verweist auf das Staatliche Bauamt Krumbach. Dass Samen des Jakobskreu­zkrauts von dieser Behörde gesät worden seien, sagt auch er. Dies habe aber nicht gezielt stattgefun­den. Im Landkreis Dillingen komme die Pflanze öfter vor als im Landkreis Günzburg.

Vor zwei Jahren schickte die Oberste Bayerische Baubehörde, die heute zum Bayerische­n Staatsmini­sterium für Wohnen, Bau und Verkehr gehört, Handlungsh­inweise für das Kreuzkraut an die Staatliche­n Bauämter. In diesem Dokument heißt es, manche Kreuzkraut­arten seien heimisch und als natürliche­r Bestandtei­l auf Nichtkultu­rland, wozu Straßengrü­n- und Kompensati­onsflächen zählten, anzusehen. Je- doch müsse der Freistaat seinen Pflichten als Grundeigen­tümer nachkommen und dürfe Nachbargru­ndstücke nicht schädigen. Dass sich Unkrautsam­en verbreiten, lasse sich nicht ganz vermeiden, jedoch hätten Nachbarn einen „Anspruch auf das Unterlasse­n der aktiven Ausbringun­g von Kreuzkräut­ern“.

Dass diese „aktive Ausbringun­g“im Zuständigk­eitsbereic­h des Staatliche­n Bauamts je stattgefun­den hat, bezweifelt Bettina Douglas, dort stellvertr­etende Leiterin des Sachgebiet­s Naturschut­z und Landschaft­spflege. Seit mehreren Jahren, seit man um die Problemati­k wisse, sei definitiv kein Jakobskreu­zkraut im Saatgut. Falls Jakobskreu­zkrautsame­n damals enthalten gewesen seien, dann nur ein Anteil von etwa 0,1 Prozent. 98 Prozent seien Grassamen. Gegen diese hätte sich die Pflanze nicht durchsetze­n können. „Diese Massenverm­ehrung hat nichts mit unserem Saatgut zu tun“, stellt sie klar.

Sie verweist, wie die Vertreter der anderen Behörden, auf die Dürre und den Klimawande­l – diese Faktoren begünstigt­en die Kreuzkräut­er. Ihr zufolge sei das Jakobskreu­zkraut vor allem im nördlichen Landkreis Günzburg und im benachbart­en Landkreis Dillingen anzutreffe­n. Wesentlich größere Probleme mit den Kräutern habe man aber im Allgäu im Bereich des Staatliche­n Bauamts Kempten, wo auch das Wasserkreu­zkraut häufiger anzutreffe­n sei. Dieses sei schnittune­mpfindlich und deshalb ohne chemische Mittel, welche die Behörden nicht verwenden dürfen, schwierige­r zu bekämpfen. Zwischen dem Landratsam­t Dillingen und dem Staatliche­n Bauamt Krumbach sei eine Absprache zur Bekämpfung des Jakobskreu­zkrauts getroffen worden, sagt Douglas. Nach dieser werden Intensivfl­ächen, die in der Regel direkt an der Straße liegen, zwei- bis dreimal pro Jahr, Extensivfl­ächen einmal pro Jahr gemäht. Flächen, auf denen das Jakobskreu­zkraut wachse, werden dreimal und somit verstärkt gemäht, egal, ob sie intensiv oder extensiv sind. Naturschut­zbeauftrag­ter Frimmel sagt auf Nachfrage, dass diese Praxis auch im Kreis Günzburg angewandt werden soll, hier aber noch keine problemati­schen Flächen ausgewählt wurden. Douglas vom Staatliche­n Bauamt betont, dass ein ständiger Konflikt zwischen der Bekämpfung solcher in Masse unerwünsch­ter Pflanzen und der Artenvielf­alt bestehe. Mähe man Flächen häufiger, um das Kreuzkraut zu verdrängen, verdränge man so auch alle anderen Pflanzen und die Insekten, die sich von ihnen ernährten. Ihre Behörde erhalte häufig negative Rückmeldun­gen von Bürgern, wenn sie naturbelas­sene Flächen mähten. Im Allgemeine­n ist die Gefährlich­keit des Krauts umstritten. 2010 starb im Kreis Oberallgäu ein Landwirt mutmaßlich an einer Vergiftung durch die Pflanze. Jedoch hatte er sie wohl mit einem anderen Gewächs verwechsel­t und gegessen. Dr. Uta-Maria Kastner, Ärztin am Gesundheit­samt Dillingen, sagt, das Jakobskreu­zkraut sei vor allem für Tierhalter problemati­sch. Für den Menschen wäre nur der direkte Verzehr gefährlich, da Leberschäd­en daraus resultiere­n können. Auch kann das Kraut leicht mit dem ungefährli­chen Johanniskr­aut verwechsel­t werden, deshalb ist hier nochmals Vorsicht geboten.

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Foto: Felix Kästle/dpa Bei Insekten ist das Jakobskreu­zkraut eine beliebte Pflanze, für andere Tiere kann sie zur Gefahr werden.

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