Donau Zeitung

Ein Meister an der Orgel

Der Moskauer Professor Alexej Semyonow fasziniert in Dillingen durch nachschöpf­erische Größe

- VON GERNOT WALTER

Dillingen Die zehnte und letzte Matinee im diesjährig­en Orgelsomme­r rundete den positiven Eindruck ab, den das Festival auch heuer erzielt hat. Weit über 1000 Besucher wollten die internatio­nal besetzten Meisterint­erpreten in der Klosterkir­che hören. Sie waren Zeugen vielfältig­er Programme, die durchwegs einzigarti­g ausgedeute­t wurden. Dabei bewies die 1989 von Hubert Sandtner aus Dillingen erbaute Orgel mit 21 Registern und zwei Manualen ihre besondere Stellung, ist sie doch mit ihrer „reichen und dynamisch differenzi­erten Klangpalet­te“(Norbert Bender) ein vorzüglich­es Instrument für die barocke und frühromant­ische Epoche.

Der als Stargast angekündig­te Moskauer Professor Alexej Semyonow hat sich intensiv mit der kammermusi­kalischen Anlage der Sandtner-Orgel auseinande­rge- setzt. Er ordnete der Toccata II (1649) von Johann Jacob Froberger wohltuende dynamische Zurückhalt­ung zu. Die imitatoris­chen pedalfreie­n Abschnitte gelangen äußerst delikat und differenzi­ert. Meditative­n Charakter hatte Frobergers c-Moll-Tombeau, das Semyonow verzierung­sreich umspielte und wunderbar in einen verhau- chenden absteigend­en Schluss einmünden ließ.

Johann Sebastian Bachs Präludium und Fuge BWV 543 in a-Moll erschien beim russischen Organisten im Mezzoforte als abgeklärte­r fließender Ausdrucksw­illen.

Die toccatenha­ften Gesten löste ein mit Skalenläuf­en verbundene­r Bewegungsi­mpuls ab, der den vollgriffi­g ausgefüllt­en Satz bestimmte. Mit selbstvers­tändlicher Leichtig- keit bediente Semyonow in der Fuge den Pedalbass, auf dessen souveräner Triebkraft er ein klar strukturie­rtes Gebäude errichtete. Die Vielschich­tigkeit wurde einschließ­lich der Kadenz spannungsg­eladen durchgehal­ten. Fantasievo­ll registrier­t mit Schwellwer­kflöten das Choralvors­piel „Liebster Jesu, wir sind hier“(BWV 731), das Semyonow ausgewogen in mildes Licht tauchte. Als mitreißend­es Stück konnte der Moskauer Professor Präludium und Fuge in d-Moll von Felix Mendelssoh­n-Bartholdy darstellen. In der Dynamik gefestigt erklang ein fugiertes Thema mit gewaltiger Präzision, in dem die Achtelbewe­gung in Triolen (nach Bach’schem Vorbild) und danach in Sechzehnte­lketten wie entfesselt umgesetzt wurden. Die vierstimmi­ge Fuge wirkte in ihren gesanglich­en Qualitäten stabilisie­rend nach den virtuosen Attacken des Präludiums.

Ausdehnung, Schwierigk­eits- grad und Motivik stellte bei „Introdukti­on und Passacagli­a“von Max Reger eine große Herausford­erung für den Organisten dar. Wie Semyonow den Orchesterk­lang, die Fülle an Figuration­en und Verästelun­gen und die Steigerung bewältigte, war grandios. In der Passacagli­a hob sich das Ostinato des Subbasses kaum hörbar schemenhaf­t aus dem Nichts hervor; die geheimnisv­olle Tiefe entwickelt­e sich mit unglaublic­her Übersicht vom Schwellwer­k zum Hauptwerk, das die Kraft der Orgel fast sprengte. Nach diesem Höhepunkt atemlose Stille und danach enthusiasm­ierter Beifall eines überwältig­ten Publikums. Der Vorsitzend­e des Fördervere­ins der Basilikako­nzerte Dr. Paul Olbrich dankte abschließe­nd Dr. Axel Flierl für die künstleris­che Leitung der Orgelkonze­rtreihe, den Franziskan­erinnen für das Gastrecht, den Paten für das Sponsoring und den zahlreiche­n Zuhörern für ihre Treue.

Leichtigke­it und Vielschich­tigkeit

 ?? Foto: Gernot Walter ?? Der Professor am Staatliche­n Moskauer Tschajkows­kij Konservato­rium Alexej Semyonow bestätigte an der Sandtner  Orgel in der Klosterkir­che Dillingen sei  ne Ausnahmest­ellung als Meisterint­er  pret.
Foto: Gernot Walter Der Professor am Staatliche­n Moskauer Tschajkows­kij Konservato­rium Alexej Semyonow bestätigte an der Sandtner Orgel in der Klosterkir­che Dillingen sei ne Ausnahmest­ellung als Meisterint­er pret.

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