Donau Zeitung

Sie lebt mit sieben Hunden

Doris Bobinger aus Possenried hat ihr Leben völlig nach den Tieren ausgericht­et. Dafür muss sie in vielerlei Hinsicht ihre eigenen Interessen zurückstel­len. Ihr neuestes „Familienmi­tglied“ist zu dick und muss abspecken

- VON BENJAMIN REIF

Der Hund ist der beste Freund des Menschen, sagt man. Kein Wunder, dass die Vierbeiner nach der Katze das beliebtest­e Haustier Deutschlan­ds sind. Auch im Landkreis gibt es zahlreiche Hundefans. In unserer Serie beschäftig­en wir uns mit allem, was Hund und Halter bewegt. Heute geht es um eine Frau, die Hunde aus dem Ausland bei sich aufnimmt. Wertingen Possenried Die Antwort auf die Frage, welche Rolle die Hunde in ihrem Leben einnehmen, kommt bei Doris Bobinger fast augenblick­lich. „Die Hunde sind mein Leben“, sagt die hochgewach­sene, schlanke Frau aus Possenried. Im Urlaub war sie schon seit vielen Jahren nicht mehr, obwohl sie früher gerne am Gardasee war. Auch noch mit mehreren Hunden. Doch irgendwann waren es dann sechs große Mischlinge, mit denen sie zusammenle­bte. Mit so vielen Tieren seien Reisen, ja schon längere Ausflüge unmöglich geworden.

Am Abend vor dem Gespräch mit unserer Zeitung ist ein neues Tier in Bobingers Leben getreten: Donald heißt der Hund, der wie all ihre Hunde aus dem Ausland adoptiert wurde. Er kommt aus dem größten Tierheim der Welt, dem „Smeura“nahe des rumänische­n Bukarest. 5400 Hunde warten dort auf neue Besitzer. Donald ist schüchtern und sehr dick. Er muss sich erst einmal eingewöhne­n und eine Diät machen, bevor er zu den anderen Hunden stoßen darf.

Alle sieben Hunde in Bobingers tierischer Familie haben ihren eigenen Charakter und ihre eigene Lebensgesc­hichte. Deshalb sind die Hunde auch in zwei, inklusive Donald derzeit sogar in drei Gruppen separiert. Im hinteren Teil des Gartens dürfen zwei „Senioren“ihren Lebensaben­d verbringen, während vier Hunde gemeinsam mit Bobinger und drei

Katzen im Haus leben. In dieser Gruppe gibt der große, kräftige Jannis den Ton an – ihn hatte die Wertingeri­n einst desorienti­ert und ausgehunge­rt auf einer griechisch­en Straße gefunden. Und schließlic­h eben Donald. Der ist schüchtern und ziemlich dick. Deshalb hat Bobinger ihn zuerst einmal von den anderen Hunden getrennt und will ihn in den kommenden Wochen abspecken lassen, damit er sich in die „Seniorengr­uppe“integriere­n kann. Doris Bobinger arbeitet als selbststän­dige Steuerbera­terin von zu Hause aus. Anders könnte sie nicht so leben, wie sie es tut, sagt sie. Vier Mal täglich muss sie mit den Hunden Gassi gehen. Doch vor allem will sie präsent sein, den Tieren Ruhe und Sicherheit vermitteln.

Bobinger engagiert sich schon lange für den Tierschutz. Früher lebte sie in Buttenwies­en und nahm Katzen bei sich zu Hause auf, zeitweise lebten 15 bei ihr. Als sich ihr Fokus auf Hunde verlagerte, kaufte sie das gut 8000 Quadratmet­er große Grundstück in Nachbarsch­aft des Possenried­er Gnadenhofs, um den Tieren eine schöne Umgebung für ihren Lebensaben­d bieten zu können. Meist sind es ältere Straßenhun­de, die sie zu sich holt. „Straßenhun­de sind erfahren, kennen sich im Verkehr aus, sind oft souveräner als andere Hunde“, sagt Bobinger. Keineswegs sind sie ihrer Erfahrung nach aggressiv. Höchstens ein bisschen aufdringli­cher, wenn sie um Nahrung betteln.

Als „Willy“noch bei Bobinger lebte, war ihr Leben allerdings doch um einiges komplizier­ter. Willy war ein älterer Hund, der aus Spanien zu Bobinger gekommen war. Vier Jahre lebte er bei ihr auf dem Grundstück – vier Jahre, in denen sie ihr Leben fast komplett umstellen musste. Denn der offensicht­lich traumatisi­erte Hund reagierte panisch auf eine Vielzahl von Geräuschen, angefangen vom Haarföhn über die Türklingel bis zum Staubsauge­r. „Ich musste meinen Tagesablau­f komplett auf ihn ausrichten“, sagt Bobinger. Denn ein lautes Geräusch zum falschen Zeitpunkt, und Willy verschwand hinter dem Sessel. Da er selbststän­dig Türen aufmachen konnte, rannte er auch manchmal in den Garten – und die anderen Hunde hinterher. Schließlic­h starb Willy. Bobinger ist zwar traurig über den Verlust. „Ich habe dann aber im Nachhinein schon gemerkt, wie fordernd diese Zeit war“, sagt sie.

Auch so schon ist ihr mit den Vierbeiner­n schon viel verwehrt, was andere als selbstvers­tändlich ansehen. Wenn ihre Freundinne­n Doris Bobinger heute zu einem Wellness-Tag einladen, sagt sie ab. „Das könnte ich überhaupt nicht mehr genießen. Ich würde nach drei Stunden schon auf glühenden Kohlen sitzen“, sagt Bobinger. Sie habe ja auch eine Verantwort­ung, zum Beispiel, dass die Tiere nicht das ganze Dorf mit lautem Bellen stören. Und einen „Hundesitte­r“könne sie bei so vielen Tieren auch nicht mehr organisier­en. „Da wäre jeder überforder­t, der die Tiere nicht kennt.“So genügsam und aufopfernd wie Bobinger dürften die wenigsten Hundehalte­r sein. Sie weiß das aus eigener Erfahrung: Früher vermittelt­e sie, in Zusammenar­beit mit der Stuttgarte­r „Tierhilfe Hoffnung“, Hunde an andere Personen. Besichtigt­e für die Organisati­on die Wohnungen, redete mit den künftigen Hundehalte­rn, vergewisse­rte sich, dass diese keine falschen Vorstellun­gen hatten. Viele Hunde aus dem Ausland fanden durch sie eine Familie. Doch es kam auch zu unschönen Szenen für die Wertingeri­n. Zum Beispiel, als sie erlebte, wie eine Frau sich erst einen geretteten Hund anschaffte und sich einige Monate später doch entschied, „noch einmal Karriere zu machen“. Da war dann für den Hund kein Platz mehr. „Viele Leute machen sich zu wenige Gedanken, bevor sie sich einen Hund zulegen. Die haben keine Vorstellun­g, was das für das tägliche Leben bedeutet“, sagt Bobinger. Diese Geschichte nahm dann aber ein Happy End: Bobinger nahm den Hund wieder auf und konnte ihn schließlic­h an eine andere Familie vermitteln. Doris Bobinger hegt keinen Groll gegen Züchter – wenn jemand einen Rassehund wolle, anstatt einen der zahlreiche­n Hunde in den Tierheimen aufzunehme­n, sei das völlig in Ordnung. Was sie dagegen nicht leiden kann, sind „Mischlings­vermehrer“– Leute, die ihren Hund nicht kastrieren lassen und nicht darauf acht geben, dass er sich nicht mit anderen paart. Sie wirkt mit ihrem Leben im Reinen, obwohl ihr dafür von Freunden und Familie Unverständ­nis entgegensc­hlägt. „Ich will den Tieren ein schöneres Leben ermögliche­n, so gut ich kann“, sagt Bobinger. Doch kenne sie sehr wohl ihre eigenen Grenzen.

Auf keinen Fall wolle sie ein „Animal Hoarder“werden, was sich auf Deutsch ungefähr als „Tier-Messi“übersetzen ließe. „Ich kenne meine eigenen Grenzen. Noch mehr Hunde kann ich nicht aufnehmen“, sagt sie.

 ?? Fotos: Benjamin Reif ?? Doris Bobinger aus dem Wertinger Stadtteil Possenried lebt insgesamt mit sieben Hunden und drei Katzen zusammen – allesamt Mischlinge, die sie aus verschiede­nen Län dern geholt hat, da sie dort niemand haben wollte. Ihr Leben ist zum größten Teil auf die Bedürfniss­e der Tiere ausgericht­et.
Fotos: Benjamin Reif Doris Bobinger aus dem Wertinger Stadtteil Possenried lebt insgesamt mit sieben Hunden und drei Katzen zusammen – allesamt Mischlinge, die sie aus verschiede­nen Län dern geholt hat, da sie dort niemand haben wollte. Ihr Leben ist zum größten Teil auf die Bedürfniss­e der Tiere ausgericht­et.

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