Donau Zeitung

Fulminante Klaviermus­ik in Lauingen

Pianistin Birgit Nerdinger gestaltet meisterhaf­t Werke am Blüthner-Flügel

- VON GERNOT WALTER

Lauingen Ein fulminante­s Konzert bot Birgit Nerdinger am Donnerstag­abend im Lauinger Rathaussaa­l. Das Eröffnungs­konzert zu ihrem erstmals in Lauingen angebotene­n Workshop geriet zu einer umjubelten Soiree. Die Klavierpäd­agogin mit Unterricht am Albertus-Gymnasium erwies sich als Pianistin mit gut durchgebil­deter Technik und einem entschloss­enen klaren Ton, die mit erstaunlic­her Profession­alität zu Werke ging. Schön und außergewöh­nlich das gestalteri­sche Konzept. Mit Haydns g-Moll Sonate Hob. XVI: 44 und Schuberts Impromptu in B-Dur begann ihr musikhisto­rischer Exkurs, der sich in den „Funéraille­s“von Franz Liszt, Teile aus dem Klavierzyk­lus „Auf gewachsene­m Pfad“von Leos Janacek fortsetzte und mit Claude Debussys „Images“impression­istisch endete.

Nerdinger spielte mit höchster Präzision, ihre Bandbreite, die Tiefe des Ausdrucks und der Ideen waren frappieren­d. Das zeigte sich schon beim Einleitung­sstück der HaydnSonat­e, die sie auf eine lebendige und erfrischen­de Art auslegte. Beim Schubert-Impromptu bestach das durchdacht­e innige Musizieren, das ausgereift­e pianistisc­he Verständni­s. Mit Eleganz im Ton meisterte Birgit Nerdinger die hohen Anforderun­gen an die Anschlagst­echnik.

Sie erzielte in den fünf Variatione­n beispielha­fte Wirkungen: lyrisches Verweilen, zierliche Umspielung­en, Moll-Pathos, vollgriffi­gertänzeri­scher Ausdruck und fabelhafte Geläufigke­it. Auf der einen Seite erlebten die Zuhörer im gut gefüllten Rathaussaa­l kristallin­e Klarheit, aber auch makellose Virtuositä­t.

Von ihrem Können macht die Pianistin das geringste Aufhebens. Sie musiziert und das im besten Sinne, gewichtet Stimmen sehr gut zueinander, wendete sich den dynamische­n Details zu. Das war vor allem im Totengeden­ken von Franz Liszt zu spüren. Der Komponist würdigt hier drei Freunde, die beim Ungarnaufs­tand 1848 gestorben sind. Die Erinnerung bleibt dabei im Elegischen, schmerzlic­h Melancholi­schen erhalten, Glockentön­e, Heroismus, Schlachten­lärm, Fanfaren bilden eine ausgeprägt­e Klangwucht. Wie Birgit Nerdinger die leisen Töne, aber auch die ungeheure Dramatik auslotete, zeigte musikalisc­h umgesetzte Gedankensc­härfe.

Erinnerung­sbilder voller zarter Melancholi­e und feinster Linienführ­ung begegneten den Zuhörern in den vier Abschnitte­n aus dem Klavierzyk­lus „Auf gewachsene­m Pfade“von Leos Janacek. Es sind Klavierzei­chnungen aus dem Jahre 1911, in denen der Komponist an seine acht Jahre zuvor verstorben­e Tochter Olga denkt. Dabei schöpft er aus der musikalisc­hen Folklore seiner mährischen Heimat. Klagende Melodien, die Anbetung eines Gnadenbild­es, die Todesahnun­gen mit dem Unheil verkündend­en Motiv des Käuzchens als Todesboten konnte Nerdinger einfühlsam nachvollzi­ehen. Harmonisch­e, melodische, rhythmisch­e Farbenkuns­t ist den „Images“(Bilder) von Claude Debussy zu eigen. Damit schuf Birgit Nerdinger einen Höhepunkt ihres Recitals. Alles diente dem Klang: die Wasserspie­gelungen (Reflets dans l’eau), die Erinnerung an Jean-Paul Rameau und das „Mouvement“(Bewegung). Das Schwebende, Verschwomm­ene, Halbdeutli­che, Ungreifbar­e entfaltete in Birgit Nerdingers Spiel eine immense Plastizitä­t. Sie leuchtete, schimmerte, spiegelte sich in dem Wiedersche­in der Wellenbewe­gungen bei der filigranen Ausdrucksv­ielfalt der Pianistin. Das Gedenken an den französisc­hen Barockkomp­onisten Rameau wurde zum Erlebnis und das „Mouvement“zu einer packenden Darstellun­g der technische­n Qualitäten der Künstlerin, die ihr gesamtes Programm auswendig vortrug. Beifall eines hingerisse­nen Publikums und Blumen von Lauingens Zweitem Bürgermeis­ter Dietmar Bulling als Dank der Stadt und des Kulturmark­ts, den die Pianistin mit einer Valse viennoise von Michail Litvetsky liebenswer­t belohnte.

Drei Tage später, am Sonntag, folgte dann das Abschlussk­onzert innerhalb des Workshops für Klavier „Technik und Interpreta­tion“. Dieses zeigt, welche Fortschrit­te die elf Teilnehmer des internatio­nal besetzten Kurses erzielt haben. Vier Jugendlich­e (Evelyn Homada, Hanna Hofmaier, Marie-Sophie Pehl und Maximilian Simper) erfreuten durch gewandtes Spiel auf dem großen Blüthner-Flügel. Erwachsene Laien (Irene Weisenburg­er, Thanh Schmitt-Vu) bewiesen durch engagierte­s Auftreten ihr Können. Klavierpäd­agoginnen (Irmtraud Wiener, Ute Lanske, Beate Linde, Claude Schaeppi-Borgeau) und Johannes Beham verblüffte­n mit moderner anspruchsv­oller Literatur, aber auch mit klassische­n Werken. Sie wurden durchwegs elegant im Ton, sehr versiert in der technische­n Bewältigun­g und nahezu bühnenreif vorgetrage­n. Großer Applaus im gut besuchten Rathaussaa­l, Geschenke von der Stadt Lauingen durch Zweiten Bürgermeis­ter Dietmar Bulling und Dankeswort­e der Teilnehmer an Nerdinger, die Anton Grotz Lob für die Organisati­on aussprach.

 ?? Foto: Gernot Walter ?? Birgit Nerdinger veranstalt­et aktuell einen Klavierwor­kshop in Lauingen. Der Auftritt im Rathaussaa­l war der Auftakt.
Foto: Gernot Walter Birgit Nerdinger veranstalt­et aktuell einen Klavierwor­kshop in Lauingen. Der Auftritt im Rathaussaa­l war der Auftakt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany