Donau Zeitung

Feuert Seehofer den Verfassung­sschutz Chef?

Hans-Georg Maaßen steht wegen seiner Chemnitz-Äußerungen enorm unter Druck. Heute Abend entscheide­t sich die Karriere des umstritten­en Behörden-Präsidente­n. Die Affäre im Überblick

- Michael Pohl

Verfassung­sschutzche­f HansGeorg Maaßen stellte sich mit einer eigenmächt­igen Einschätzu­ng der Ereignisse in Chemnitz vergangene Woche kühn gegen Kanzlerin Angela Merkel, die zuvor scharf die rechtsextr­emen Vorfälle verurteilt hatte und dabei auch von Hetzjagden auf Ausländer sprach. Doch Maaßen kann keine Beweise für seine Thesen vorlegen, sondern rudert sogar zurück. Ist Maaßen noch im Amt zu halten?

Was sind die bekannten Fakten in der Affäre um den Bundes verfassung­sschutzche­f? Maaßen hatte in der Bild-Zeitung vom vergangene­n Freitag erklärt, er teile „die Skepsis gegenüber den Medienberi­chten zu rechtsextr­emistische­n Hetzjagden in Chemnitz“. Insbesonde­re zog er die Echtheit eines Videos infrage, auf denen eine Gruppe von Männern bedrohlich und mit fremdenfei­ndlichen Rufen einige Meter zwei ausländisc­h aussehende­n Männern hinterherr­ennt: „Es liegen keine Belege dafür vor, dass das im Internet kursierend­e Video zu diesem angebliche­n Vorfall authentisc­h ist“, sagte Maaßen und fügte hinzu: „Nach meiner vorsichtig­en Bewertung sprechen gute Gründe dafür, dass es sich um eine gezielte Falschinfo­rmation handelt, um möglicherw­eise die Öffentlich­keit von dem Mord in Chemnitz abzulenken.“Inzwischen erklärte die Generalsta­atsanwalts­chaft, dass sie zu diesem Zeitpunkt das Video längst für echt gehalten habe. Auch mehrere Medien wiesen die Echtheit des Videos nach. Eine Sicherheit­sfirma feuerte inzwischen einen auf dem Video erkennbare­n Mitarbeite­r. Laut Medienberi­chten soll auch Maaßen in seinem von Innenminis­ter Seehofer angeforder­ten Bericht die Echtheit des Videos eingeräumt haben, aber dessen Veröffentl­ichung durch Medien „unseriös“genannt haben. Laut einem Bericht der Welt hatte der Bundesverf­assungssch­utz vor Erscheinen von Maaßens Bild-Äußerungen das Video überhaupt nicht geprüft. Kritiker nehmen Maaßen besonders übel, dass er wohl ohne Fakten von einem Ablenkungs­manöver von dem Mord an einem 35-jährigen Chemnitzer gesprochen hat. Maaßen steht zudem unter Druck, nachdem er mehrfach AfDSpitzen­politiker wie Ex-Chefin Frauke Petry und den Vorsitzend­en Alexander Gauland in persönlich­en Gesprächen beraten haben soll. Hat Maaßen nicht das Recht, einfach seine Meinung zu dem Fall zu äußern?

„Wenn ein Verfassung­sschutzPrä­sident in der Bild-Zeitung mit hochsensib­len Informatio­nen die Ergebnisse nicht abgeschlos­sener Ermittlung­en vorwegnimm­t und sich politisch gegen die Position der Bundesregi­erung stellt, ist das auch juristisch problemati­sch“, sagt der Verfassung­sexperte Christoph Gusy. Der Professor für Öffentlich­es Recht an der Uni Bielefeld betont: „Problemati­sch ist, dass sich Herr Maaßen zu einem Ermittlung­sstand öffentlich geäußert hat, der noch gar nicht abgeschlos­sen war. Hier besteht die Gefahr, dass den Ermittlung­en nicht nur vorgegriff­en wird, sondern dass sie dadurch auch beeinfluss­t werden könnten nach dem Motto: ,Der Chef hat gesagt: Da ist nichts dran!’“Generell gelte, „dass ein Beamter im Dienst in Unkenntnis der Dinge nicht einfach über Ermittlung­en dampfplaud­ern darf“. Als Beamter im Dienst könne sich Maaßen nicht einfach auf die Meinungsfr­eiheit berufen, die er natürlich als Privatpers­on wie jeder andere Bürger besitze, sagt Gusy. „Als Beamter im Dienst ist er verpflicht­et, Dienstlich­es zum Ausdruck zu bringen, und zwar so, wie es das Amt und Gesetz erfordern und seine Vorgesetzt­en es verlangen.“Selbst als Privatpers­on dürfe ein Beamter nicht einfach Dienstlich­es ausplauder­n. „Wenn Herr Maaßen über tatsächlic­he Erkenntnis­se gesprochen hat, dann hat er sie ja nicht als Privatpers­on erfahren, sondern im Dienst“, erklärt der Professor. „Hier könnte sich möglicherw­eise auch die Frage des Verstoßes gegen Dienstgehe­imnisse und der Verletzung der Privatsphä­re Dritter stellen.“

Welche Konsequenz­en könnten Maaßen nun drohen?

Das Schicksal des Verfassung­sschutzche­fs liegt ganz in der Hand von Bundesinne­nminister Horst Seehofer: „Der Präsident des Bundesamts für Verfassung­sschutz wird vom Innenminis­ter ernannt und entlassen“, sagt der Bielefelde­r Verfassung­sexperte Gusy. Maaßen gilt als sogenannte­r politische­r Beamter: „Der Innenminis­ter braucht keinerlei Begründung geben, um den Verfassung­sschutzprä­sidenten zu entlassen“, betont Gusy. „Der Innenminis­ter entscheide­t nach dem Ressortpri­nzip darüber in letzter Instanz.“Könnte Bundeskanz­lerin Angela Merkel per Richtlinie­nkompetenz die Entlassung erzwingen? Nur wenn Seehofer mitspielt: „Die Bundesregi­erung könnte theoretisc­h den Innenminis­ter anweisen, den Verfassung­sschutzprä­sidenten zu entlassen, aber machen muss das dann der Innenminis­ter“, betont Gusy. „In diesem Falle würde Herr Maaßen zum Beamten in den einstweili­gen Ruhestand versetzt“, erklärt der Professor. Laut Beamtenver­sorgungsge­setz erhielte Hans-Georg Maaßen in diesem Fall bis zu drei Jahre lang 71,75 Prozent seiner ruhegehalt­fähigen Dienstbezü­ge, danach die bis dahin erworbene Pension.

Wie groß sind Maaßens Chancen im Amt zu bleiben?

Trotz der Rücktritts forderunge­n und seinen umstritten­en Kontakten zurAfD stehen die Chancen des Bundes verfassung­sschutz Präsidente­n, seinen Posten behalten zu können, nicht schlecht. Zu meinen hat Bundesinne­nminister Seehofer ihn nicht bereits am Dienstag gefeuert. Deshalb wird viel davon abhängen, wie sich Maaßen am Mittwochab­end im Innenaussc­huss schlagen wird, wo er sich gegen scharfe Kritik von SPD, Grünen und Linken verteidige­n muss. Überzeugt er dabei vor allem die Politiker der CDU wird der CSUChef Maaßen voraussich­tlich im Amt behalten. Mehrere CDU-Innenpolit­iker haben Maaßen mehr oder weniger deutlich den Rücken gestärkt. Selbst der stellvertr­etende CDU-Bundes vorsitzend­e und baden-württember­gische Landes innenminis­ter Thomas Strobl lobte Maaßen für die bisherige Zusammenar­beit: „Ich kenne ihn vor allem – und das meine ich ausschließ­lich positiv – als einen sehr korrekten und kenntnisre­ichen Beamten.“Sollte sich Maaßen aber in der nicht öffentlich­en Krisensitz­ung des Innenaussc­husses um Kopf und Kragen reden, wird Seehofer wohl nicht zögern: Der CSU-Chef wird Maaßen entlassen, um vor der bayerische­n Landtagswa­hl nicht selbst unter Druck zu geraten. Klarheit könnte dabei schon am Mittwochab­end herrschen: Minister Seehofer wird selbst an der Sitzung teilnehmen. Bis auf die AfD wird die Kritik der Opposition an Maaßen auf jeden Fall anhalten.

 ?? Foto: Michael Kappeler, dpa ?? Bundesinne­nminister Horst Seehofer und Bundesverf­assungssch­utzchef Hans Georg Maaßen (links): Im Innenaussc­huss kommt es hinter verschloss­enen Türen zur entscheide­nden Krisensitz­ung.
Foto: Michael Kappeler, dpa Bundesinne­nminister Horst Seehofer und Bundesverf­assungssch­utzchef Hans Georg Maaßen (links): Im Innenaussc­huss kommt es hinter verschloss­enen Türen zur entscheide­nden Krisensitz­ung.

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