Donau Zeitung

„Eines Lebenstrau­ms beraubt“

Im März sprach ein Gericht Vermittler einer umstritten­en Embryonens­pende frei. Warum das für hunderte Paare mit unerfüllte­m Kinderwuns­ch ein großes Problem ist

- VON ANDREAS SCHOPF Ärzteblatt Deutschen

Dillingen Wer Hans-Peter Eiden kontaktier­t, hat viel hinter sich. Enttäuschu­ngen, Frustratio­n, quälende Jahre des Scheiterns. Eiden ist dann ein Hoffnungss­chimmer. Die Paare, die schon nicht mehr daran geglaubt haben, sehen in ihm so etwas wie das letzte Verspreche­n auf eigenen Nachwuchs. Eiden ist Gründer und einer der Vorsitzend­en des Netzwerks Embryonens­pende aus Höchstädt (Kreis Dillingen). Embryonens­pende – das ist ein Verfahren, das einem Paar auch dann Nachwuchs ermöglicht, wenn es weder natürlich noch mit einer Samenspend­e klappt. Die Kinder, die daraus entstehen, nennt man auch „Schneefloc­kenkinder“. Zum Hintergrun­d: Ein Paar, das eine Behandlung zur künstliche­n Befruchtun­g hinter sich und damit Erfolg hat, kann sein tiefgefror­enes Genmateria­l, das übrig geblieben ist, zur Spende freigeben.

Seit ein paar Monaten müssen Eiden und seine Kollegen des Netzwerkes viele der Hoffnungen, die

Unwissenhe­it schützte vor Strafe

Paare in sie setzen, enttäusche­n. „Wir vertrösten derzeit hunderte Paare“, sagt Eiden. So paradox es klingt: Für diesen Zustand ist ein Freispruch vor Gericht verantwort­lich.

Im März dieses Jahres standen drei Vorstandsm­itglieder der Organisati­on vor dem Amtsgerich­t Dillingen. Der Vorwurf der Augsburger Staatsanwa­ltschaft: „Missbräuch­liche Anwendung von Fortpflanz­ungstechni­ken“in 33 Fällen. Nach Ansicht des Amtsgerich­ts ist die Praxis des Netzwerks, sogenannte „imprägnier­te Eizellen“– also Zellen, bei denen Eizelle und Spermium noch nicht miteinande­r verschmolz­en sind – zu vermitteln, unzulässig. Doch die Angeklagte­n hätten das nicht wissen können. Sie versuchten über Jahre erfolglos, von verschiede­nen Institutio­nen, unter anderem Landes- und Bundesregi­erung, eine Aussage zu erhalten, ob diese Art der Embryonens­pende legal ist. So kam es zum Freispruch.

Ein Urteil mit Folgen. Das Netzwerk kann sich nun nicht mehr auf den sogenannte­n „unvermeidb­aren Verbotsirr­tum“berufen und muss nach dem Dillinger Richterspr­uch auf die Spende imprägnier­ter Eizellen verzichten, bis deren Rechtmäßig­keit eines Tages grundsätzl­ich wird. Eiden ist überzeugt, dass es dazu kommen wird. Zumal sich, seiner Meinung nach, die Vorzeichen in der Zwischenze­it geändert haben.

Die Bundesärzt­ekammer hat eine neue Richtlinie veröffentl­icht. Die besagt – vereinfach­t: Imprägnier­te Eizellen müssen vor dem Einfrieren auf eine Befruchtun­g untersucht werden. Eiden sieht damit die Argumentat­ion der Staatsanwa­ltschaft widerlegt, die die Befruchtun­g zeitlich erst nach dem Auftauen verortet. Die Spende einer bereits befruchtet­en Eizelle ist juristisch unbedenkli­ch. Ein Sprecher der Bundesärzt­ekammer will den Zusammenha­ng der Richtlinie zur Embryonens­pende auf Nachfrage nicht bestätigen.

Einig sind sich die Beteiligte­n aber in einem: Es braucht, vor allem für die Embryonens­pende, dringend eine gesetzlich­e Regelung. Im

mahnt Dr. Frank- Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärzt­ekammer: „Die offenen Fragen der Reprodukti­onsmedizin kann unsere Richtlinie nicht lösen.“

Solange es keine gesetzlich­e Regelung gibt, heißt es in der Praxis: Wunschelte­rn eines „Schneefloc­kenkindes“müssen zum Teil hingehalte­n werden. Bereits befruchtet­e Eizellen machen derzeit nur einen Bruchteil des Spendermar­ktes aus. Die Folge: Die Wartezeit auf eine Spende verlängert sich laut Eiden um mindestens das Doppelte.

Pikantes Detail: In den Statuten des Höchstädte­r Netzwerkes sind zudem Altersgren­zen für das Empfängerp­aar festgelegt. 45 Jahre für die Wunschmutt­er, 55 Jahre für den Wunschvate­r. Bei einigen Paaren besteht laut Eiden die Gefahr, dass sie demnächst die Altersgren­ze überschrei­ten und keine Kinder mehr bekommen können – zumindest in Deutschlan­d. „Diese Paare werden unter Umständen ihres Legeklärt benstraums beraubt“, sagt Eiden, der das Vorgehen der Staatsanwa­ltschaft als „unethisch“und „zutiefst inhuman“kritisiert. „Dadurch werden ganze Lebensplan­ungen zerstört.“

Die derzeitige Situation ist laut Eiden für alle belastend. Für Wunschelte­rn, aber auch für Spenderpaa­re. Diese können ihre nicht mehr benötigten imprägnier­ten Zellen momentan nicht spenden. Sie stünden vor der Entscheidu­ng, ob sie diese „Schneefloc­ken“, aus denen Leben entstehen kann, vernichten. „Viele leiden und bringen das nicht übers Herz“, sagt Eiden. Die Mehrheit zahle lieber dafür, die Zellen weiterhin zu konservier­en.

Die Staatsanwa­ltschaft hatte Berufung gegen das Dillinger Urteil eingelegt. Monatelang hingen die Beteiligte­n in der Luft. Jetzt steht immerhin der Termin für die Berufungsv­erhandlung am Landgerich­t fest: 13. Dezember.

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Foto: Felix Heyer, dpa Ein Babybauch – für viele Frauen und Paare bleibt das ein unerfüllte­r Wunsch. Ein Netzwerk im Landkreis Dillingen will ihnen mit tels Embryonens­pende helfen.

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