Donau Zeitung

Als die Sudetendeu­tschen kamen

Nach dem Zweiten Weltkrieg fanden Millionen Vertrieben­e in Bayern und besonders in Schwaben eine neue Heimat. Wie sie die Region veränderte­n

- VON DAVID SPECHT

Augsburg Der Kaufbeurer Stadtteil Neugablonz, Unternehme­n wie der Leipheimer Einkaufswa­genherstel­ler Wanzl oder die zahlreiche­n Gedenktafe­ln auf Friedhöfen in der Region. Sie alle sind Spuren von fast zwei Millionen Menschen, die nach dem Zweiten Weltkrieg aus ihrer Heimat in Böhmen, Mähren und Schlesien vertrieben wurden und in Bayern eine neues Zuhause gefunden haben.

In Schwaben wurden bis 1950 besonders viele dieser Sudetendeu­tschen aufgenomme­n. „Die Zahlen schwanken zwischen 20 und 25 Prozent der Gesamtbevö­lkerung“, sagt Migrations­forscherin Marita Krauss von der Universitä­t Augsburg. In den Dörfern war die Quote teilweise deutlich höher. „Da kamen in ein Dorf mit 150 Einwohnern 180 Vertrieben­e“, erzählt Krauss.

Wohnraum für die vielen Menschen zu finden, stellte eine große Herausford­erung dar. Das Land war vom Zweiten Weltkrieg gebeutelt, viele Gebäude zerstört. Flüchtling­skommissar­e regelten die Verteilung: Wohnraum wurde beschlagna­hmt, Vertrieben­e den Häusern der Bevölkerun­g zugeteilt. Einheimisc­he und Sudetendeu­tsche lebten in Zwangsgeme­inschaften unter einem Dach.

„Die sind nicht fröhlich aufgenomme­n worden“, sagt Krauss. Die Angst vor Überfremdu­ng war groß. „Aber die Vertrieben­en mussten und durften arbeiten. Sie konnten sich sozialisie­ren. Das hat die Vorurteile genommen“, sagt Krauss. Bekanntes Beispiel ist die Glas- und Schmuckind­ustrie, die Vertrieben­e im Kaufbeurer Ortsteil Neugablonz aufbauten. Benannt ist der Ort nach der tschechisc­hen Heimat der Handwerker. Auch Unternehme­n wie Wanzl in Leipheim (Landkreis Günzburg) und Kunert in Immenstadt im Allgäu wurden von Vertrieben­en gegründet.

Nach und nach linderten Bauprojekt­e die Wohnungsno­t. Die Siedlungen, die damals entstanden sind, sind nach ihren Bewohnern benannt. Sudetenstr­aßen gibt es in zahlreiche­n Orten. Die Sudetendeu­tschen blieben in Schwaben, heirateten und bekamen Kinder. „Heute gibt es kaum eine Familie, die nicht irgendwie mit Sudeten verbunden ist“, sagt Krauss.

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Archivfoto: dpa Sudetendeu­tsche treffen in einem Durch gangslager ein.
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