Donau Zeitung

So läuft die Klage gegen VW

Ab dem 1. November können alle, deren Diesel manipulier­t waren, vor Gericht ziehen. Was Verbrauche­r dazu wissen müssen

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Berlin/Wolfsburg Vor drei Jahren haben US-Behörden den DieselSkan­dal ins Rollen gebracht. Am Anfang standen Abgas-Messwerte und das Eingeständ­nis von Volkswagen, „manipulier­t“zu haben. Tausende juristisch­e Verfahren sind die Folge, auch in Deutschlan­d fühlen VW-Fahrer sich betrogen und ziehen vor Gericht. Allerdings längst nicht alle – denn ein Prozess könnte aufwendig, langwierig und für Bürger ohne Rechtsschu­tzversiche­rung auch teuer werden. Um es ihnen leichter zu machen, hat die Große Koalition die Musterfest­stellungsk­lage geschaffen. Jetzt steht sie vor dem Praxistest. Der Bundesverb­and der Verbrauche­rzentralen (vzbv) zieht stellvertr­etend für alle, die mitmachen, vor das Oberlandes­gericht Braunschwe­ig, der ADAC unterstütz­t ihn dabei. Was betrogene Dieselfahr­er wissen müssen:

Wer darf mitmachen?

Das Angebot richtet sich – so sagen die Verbände – an 99 Prozent der rund 2,5 Millionen Dieselfahr­er, die vom Volkswagen-Pflichtrüc­kruf betroffen waren und noch nicht geklagt haben. Konkret geht es um Dieselfahr­zeuge der Marken Volkswagen, Audi, Skoda und Seat mit Motoren des Typs EA 189 (Vierzylind­er, Hubraum: 1,2 oder 1,6 oder 2,0 Liter), die nach dem 1. November 2008 verkauft wurden. Wer sein Auto inzwischen verkauft hat oder verschrott­en ließ, kann sich trotzdem anschließe­n. Andere Dieselfahr­er können erst einmal nicht mitmachen. Wie kann man sich beteiligen?

Die Klage wird erst am 1. November am Oberlandes­gericht Braunschwe­ig eingereich­t, wenn das Gesetz in Kraft tritt. Das Gericht prüft sie. Dann wird beim Bundesamt für Justiz ein Klageregis­ter eingericht­et, in das sich mindestens zwei Monate lang Betroffene kostenlos eintragen können. Die Gefahr der Verjährung ist dann gebannt. Ob man sich auch später eintragen kann, ist nicht klar – wer es noch in diesem Jahr erledigt, geht auf Nummer sicher, sagt vzbv-Vorstand Klaus Müller.

Wie funktionie­rt die Musterfest­stellungsk­lage?

Im ersten Schritt muss der klagende Verband – also der vzbv – die Fälle von zehn Betroffene­n aufarbeite­n und auf dieser Grundlage eine Klage einreichen. Hält das Gericht diese Klage für zulässig, wird sie öffentlich bekannt gemacht. Dann wird das Klageregis­ter beim Bundesamt für Justiz eröffnet. Dort müssen sich weitere Betroffene melden: Innerhalb von zwei Monaten müssen mindestens 50 Menschen eingetrage­n sein – also 40 weitere zu den ersten zehn. Klappt das, kommt es zur Verhandlun­g.

Worum soll es im Prozess gehen? Das Gericht soll aus Sicht der Verbände feststelle­n, dass Volkswagen Käufer „vorsätzlic­h sittenwidr­ig geschädigt“hat und ihnen Schadeners­atz schuldet. „Unser Ziel ist, dass Autobesitz­er entweder das Auto zurückgebe­n können und den Kaufpreis erstattet bekommen oder, wenn sie es behalten wollen, den Wertverlus­t kompensier­t bekommen oder, wenn sie das Auto bereits verkauft haben, eine Entschädig­ung bekommen“, sagt Müller.

Was kann dabei rauskommen? Wird den Klägern grundsätzl­ich ein Recht auf Schadeners­atz zugesproch­en, muss diesen jeder selbst durchsetze­n. Das wäre dann aber auf der Grundlage des Musterproz­esses einfacher. Wie hoch ein Schadeners­atz ausfallen würde, ist offen. Anwalt Ralf Stoll, der mit Kollegen den vzbv vertreten wird, berichtet von Einmalzahl­ungen von zehn bis 25 Prozent des Auto-Neupreises.

Wie lange dauert das?

Die Kläger rechnen mit einer mündlichen Verhandlun­g 2019 und einer Entscheidu­ng des Oberlandes­gerichts in Braunschwe­ig im Jahr 2020. Sie halten es auch für wahrschein­lich, dass der Fall danach beim Bundesgeri­chtshof landet, der nächsten Instanz. Denkbar wäre, dass 2022 eine Entscheidu­ng fällt.

Wie gut sind die Erfolgsaus­sichten? Die Kläger räumen ein, dass das schwer vorhersagb­ar ist – es gab noch nie eine Musterfest­stellungsk­lage in Deutschlan­d. VW sieht „keine Rechtsgrun­dlage für kundenseit­ige Klagen im Zusammenha­ng mit der Diesel-Thematik in Deutschlan­d“und verweist auf Urteile zugunsten des Autobauers. Die Verbände sehen das anders, sie verweisen auf Urteile zugunsten der Autofahrer.

 ?? Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa ?? Alle Dieselfahr­er, deren Auto wegen des Abgas Skandals zurück in die Werkstatt gerufen wurde, haben ab 1. November die Chan ce, eine Entschädig­ung zu bekommen.
Foto: Julian Stratensch­ulte, dpa Alle Dieselfahr­er, deren Auto wegen des Abgas Skandals zurück in die Werkstatt gerufen wurde, haben ab 1. November die Chan ce, eine Entschädig­ung zu bekommen.

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